Politik/Inland

Erstes Österreich-Studium in Russland startet: "Länder rücken ein Stück weit zusammen"

Die Beziehung zwischen Russland und Österreich war - und ist - nicht immer die einfachste. Erst im August haben die beiden Länder in einem Spionage-Streit jeweils den Diplomaten des anderen Landes ausgewiesen.

Im Hintergrund entsteht unterdessen etwas, das die beiden Länder näher zusammenbringen sollte: Ein Österreich-Studium an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau (RGGU) - es ist das erste seiner Art.

"Heute rücken unsere beiden Länder ein Stück weit näher im gegenseitigen Verstehen, in Bildung und Ausbildung", sagte Stefan Karner, Mit-Initiator des Studiums und Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung in Graz, anlässlich der feierlichen Präsentation des Studiengangs am Dienstag in Moskau.

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Es gebe keine bessere Investition in die positive Entwicklung, als junge Menschen mit dem jeweils anderen Land bekannt zu machen, erklärten Christoph Leitl, Co-Vorsitzender des unterstützenden Sotschi-Dialogs und der österreichische Botschafter in Moskau, Johannes Eigner.

Und Mit-Initiatorin Olga Pavlenko, Vizerektorin der Universität, ergänzte: "Damit wird der Grundstein für künftige zwischenmenschliche Beziehungen gelegt."

Brandstetter und Schausberger lehren

Der Bachelor-Studiengang trägt den Titel "Russland-Österreich: Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kultur". Bereits 17 Studierende haben sich dafür eingeschrieben.

Zwei Semester Sprachausbildung und Einführung haben die 17 Studierenden bereits absolviert, jetzt beginnt das eigentliche Studium. Die Lehre in Moskau wird in den kommenden Jahren laut Karner von rund 25 hochrangigen Persönlichkeiten aus Österreich abgehalten: Wissenschaftler, Diplomaten, Kulturschaffende, ehemalige Politiker Manager und Ökonomen.

Darunter etwa Ex-Justizminister und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter, Franz Schausberger, ehemaliger Landeshauptmann von Salzburg, Kurt Scholz, Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich und Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien.

Alle österreichischen Vortragenden lehren übrigens honorarfrei, also ehrenamtlich. 

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„Die Studentinnen und Studenten des Österreich-Studiums werden in Zukunft die Beziehungen unserer Länder mitgestalten. Dieses neue Studium gibt ihnen dazu das notwendige Fundament“, erklärte Karner in einer Video-Botschaft zur Eröffnung.

Das Studium gliedert sich in zwei Ebenen: Zunächst befassen sich die Studierenden mit Österreichs Positionierung in Geschichte, Politik, Wirtschaft und Kultur im europäischen Raum. Als zweiten Schwerpunkt werden neue Trends und Möglichkeiten im Rahmen der europäischen Integration gesetzt.

Kurz gefasst: Es geht um die Rolle und Entwicklung Österreichs in der EU und international.

"Russland hat keine Bedingungen gestellt"

Dazu gibt es Lehrveranstaltungen, die sich mit historischen Hintergründen zur Ersten und Zweiten Republik, mit der österreichischen Verfassung und Rechtsordnung sowie mit dem politischen System und dem Wirtschaftsstandort befassen, aber auch mit Sozialem, Kultur, Literatur und Medien.

Es drängt sich die Frage auf: Wird dieser Lehrplan überhaupt von der russischen Regierung gebilligt - ist eine freie Lehre dort möglich? "Selbstverständlich", sagt Mit-Initiator Karner. "Russland hat keine Vorbedingungen gestellt. Die Universität ist mit 100 anderen Universität vernetzt und für seinen zivilgesellschaftlichen Austausch bekannt." 

Das Projekt wird vom „Sotschi-Dialog Österreich-Russland“ und dessen Vorsitzenden, Christoph Leitl und Andrei Fursenko, gefördert. Fursenko, ehemaliger Wissenschaftsminister, ist derzeit auch Berater von Präsident Wladimir Putin für Wissenschaft und Kultur.

"Sehe große Perspektiven"

"Ich denke, dass Österreich ein sehr interessantes Land mit einer faszinierenden Geschichte, einer reichen Kultur, einem hohen Lebensstandard und einer sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft ist", sagt die Studentin Polina Burenina.

Tatyana Baranchikowa hat vorher an der Universität Wien studiert und sich bereits ein Bild vom Studium und Leben in Österreich gemacht. "Deshalb sah ich zunächst große Perspektiven für die berufliche Entwicklung, die mit den deutschsprachigen Ländern im Allgemeinen und mit Österreich im Besonderen verbunden ist."

Die RGGU ist übrigens noch eine relativ junge Universität in Moskau: Sie wurde erst 1991 gegründet und ist laut Olga Pavlenko die erste Universität, in deren Namen die Begriffe "russisch" und "geisteswissenschaftlich" vorkommen. "Wir sind stolz, diesen Namen zu tragen und ständig unseren hohen Status zu bestätigen", sagt Pavleko.

In Vorbereitung ist der Austausch von Studierenden und Lehrenden im Rahmen des Programms "Erasmus+". Und Botschafter Emil Brix lud, ebenfalls per Video-Botschaft, die Studierenden ein, sich nach Abschluss des Bachelor-Studiums für ein Master-Studium an der Diplomatischen Akademie in Wien zu bewerben.

Das Bachelor-Studienprogramm "Russland-Österreich: Geschichte, Politik, Wirtschaft, Kultur" im Ausbildungszweig "Regionalwissenschaft mit Schwerpunkt Auslandsregionen" wird an der Fakultät für internationale Beziehungen und ausländische Regionalwissenschaft des IAI-Instituts an der RGGU in Moskau auf Russisch, Deutsch und Englisch durchgeführt.

Das Bachelor-Studium dauert acht Semester. Seit dem Vorjahr laufen Aufbau-Vorlesungen, ab dem jetzt beginnenden Wintersemester 2020/'21 wirken erstmals auch österreichische Lehrende mit. Ziel ist der Erwerb umfassender Kenntnisse über Österreich.

Stefan Karner ist Gründer und war langjähriger Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung in Graz und Vorsitzender der Österreichisch-Russischen Historikerkommission.

Olga Pavlenko ist Mit-Initiatorin des Studienprogramms und Vizerektorin der Universität der RGGU.

Gefördert wird das Programm vom "Sotschi-Dialog". Dieser wurde ins Leben gerufen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Vorsitzender ist Ex-Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl.