ÖH-Wahl: Teilzeitstudium, Streaming und kein Wort über Gendern
Zwei Wochen vor Beginn der Wahlen zur Österreichischen HochschülerInnenschaft (9.-11. Mai) haben sich Donnerstagabend die Spitzenkandidaten zur Elefantenrunde getroffen, die nach dem Abflauen der Coronapandemie diesmal wieder vor Publikum unter dem Geklatsche und Gelächter ihrer Fanblöcke über die Bühne ging.
Die Rollenverteilung zwischen links und rechts blieb dabei wie gewohnt. Zumindest Gendern war diesmal kein Thema, wie ORF-Anchorman Armin Wolf am Ende dankbar anmerkte.
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Die Erfahrungen in der Pandemie und die Teuerung sorgten wohl dafür, dass bei einigen Themen unter (fast) allen neun Fraktionen große Einigkeit herrschte - neben Maßnahmen zu Abfederung der Teuerung etwa bei der Forderung nach der Einführung eines Teilzeitstudiums, das sich mit dem Studium vereinbaren lässt ohne wegen zu geringer Studienleistungen Beihilfen zu verlieren.
Auch für mehr digitale Angebote an den Hochschulen waren in der eineinhalbstündigen Diskussion alle Fraktionen zu haben.
Teilzeitstudium
Der Großteil der Studierenden arbeite neben der Hochschule, mit einem Teilzeitstudium wäre man endlich näher an der Realität der Studierenden, betonte Nina Mathies vom Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), die bei den vergangenen Wahlen den ersten Platz erreicht hatten.
Diesmal setzt die Liste wieder auf ein leistbares Studium und soziale Absicherung. Hier habe man in der noch amtierenden Exekutive mit Grünen und Alternativen Student_innen (GRAS) und Fachschaftslisten (FLÖ) auch bereits einiges erreicht, so Mathies.
Die Grünen und Alternativen Student_innen (GRAS) bleiben beim Wahlkampfschwerpunkt dem Kampf gegen die Klimakrise treu, die Hochschulen müssten außerdem chancen- und zukunftsgerechter werden, so Spitzenkandidatin Sarah Rossmann.
Vereinbarkeit von Arbeit und Studium
Die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft (AG) setzt nach dem Absturz vom ersten auf den dritten Platz bei den vergangenen Wahlen diesmal auf Vereinbarkeit von Arbeit und Studium, Digitalisierung und mentale Gesundheit. Die Bundesvertretung dürfe nicht mehr an den eigentlichen Problemen der Studierenden vorbeiregieren, forderte Spitzenkandidat Muhammed Durmaz.
Die Fachschaftslisten (FLÖ) mit Spitzenkandidat Michael Pinter versuchten sich unterdessen als einzige parteiunabhängige, wenn auch linke Liste zu positionieren, und mit mehr Qualität im Studium und studentischer Mitsprache zu punkten.
KO-Prüfungen
Weiterhin als einzige Fraktion traten die JUNOS für Studiengebühren ein. Spitzenkandidat Lukas Schobesberger plädierte für nachgelagerte Beiträge, sobald man sein Studium abgeschlossen und ein gewisses Einkommen erreicht hat. Auch Zugangsbeschränkungen sind für die JUNOS kein Tabu, gehe es doch um die Entscheidung zwischen KO-Prüfungen im Studium und fairen Aufnahmeverfahren.
Beim Thema Zugangsbeschränkungen stellte sich auch die AG gegen die Mehrheit, die für eine Ausfinanzierung der Unis statt Aufnahmeverfahren plädierte - wobei Durmaz lieber von "Zugangsmaßnahmen" sprechen wollte, um in überlaufenen Studien die Qualität zu steigern.
Der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) hielt sich auch hier an sein Motto "Rechts und national statt links und radikal": Spitzenkandidat Peter Leskosek plädierte dafür, im Fall von zu vielen Bewerbern "heimische" Studenten und - wo rechtlich nötig - EU-Studierende zu bevorzugen.
Wie üblich weit auseinander ging die Meinung auch bei der Definition, was die Aufgabe der ÖH ist. Während für die linken Fraktionen dass Leben Studierender "nicht in der Hochschule endet" und auch Forderungen etwa nach einem Mietpreisdeckel damit ÖH-Aufgabe sindn, forderte die AG zumindest einen viel stärkeren Schwerpunkt auf Themen mit Studienbezug.
Diskriminierung an den Unis
Die JUNOS plädierten überhaupt für ein Aus des allgemeinpolitischen Mandats, die ÖH solle sich um konkrete Studierendenpolitik kümmern. Die Studierenden hätten wenig Verständnis dafür, dass die ÖH sich für Antifa-Demobusse oder Unisex-Toiletten engagiert, meinte dazu RFS-Mann Leskosek. Solange es Diskriminierung an den Unis gebe, werde man sich weiter für Minderheiten einsetzen, entgegnete dem GRAS-Spitzenkandidatin Rossmann.
Für Lacher sorgte Leskosek mit seiner Frage, wieso die Bundesvertretung sich dann nicht dagegen eingesetzt habe, als Studierenden ohne Corona-Impfung zwischenzeitlich keinen Zugang zu den Hochschulen bekommen sollten. Für amüsierte Reaktionen sorgte auch AG-Spitzenkandidat Durmaz beim traditionellen Versuch, seine Fraktion von der ÖVP abzugrenzen.
Wahlbeteiligung 2021
Erwartbar unterschiedlich waren die Erklärungen dafür, dass die Wahlbeteiligung 2021 mit 15,7 Prozent "noch grottiger als sonst" (Wolf) ausgefallen war. Während AG, JUNOS und RFS als Grund ausmachten, dass die ÖH sich zu sehr auf nicht-studentische Themen konzentriert habe, vermutete man beim letzten Wahlsieger VSStÖ Corona und Probleme bei der Sichtbarkeit der ÖH-Arbeit als Grund. Für FLÖ-Vertreter Pinter war auch der "Parteien-Hickhack" in der ÖH mit ein Grund.
Traditionell schwer taten sich die Spitzen der beiden kommunistischen Listen - die 21-jährige Philosophie-Studentin Lola Fürst (KSV-LiLi) und der 21-jährige Chemiestudent Lukas Pflanzer (KSV-KJÖ) - dabei, den inhaltlichen Unterschied zwischen ihren Organisationen herauszuarbeiten.
Der KSV-LiLi betonte, man wolle über die ÖH Druck aufbauen, um langfristig einen systemischen Wandel durchzusetzen. Der KSV-KJÖ setzt indes auf den Aufbau einer "Bewegung", um etwa gemeinsam mit Mietervereinigung oder Gewerkschaften ihre Anliegen besser durchsetzen zu können.
Von den linken Fraktionen freundlich aufgenommen wurde unterdessen die neue Liste "Who the F*uck is Herbert". Herbert steht dabei laut Spitzenkandidat Julian Gredinger (30, Student der Evolutionären Anthropologie) als Akronym für "Herberts Einsatzkommando zur Revolution des Bildungswesens durch Etablierung von Remote- und Teilzeitangeboten"). Darüber hinaus plädiert die kleine Liste für eine ÖH-App als zentrale Anlaufstelle für Studierende.