ÖGB will Grenze für öffentliche Vergaben vorübergehend lockern
Von Christian Böhmer
Wie können in den nächsten zwölf Monaten rund 150.000 Arbeitslose wieder in Jobs gebracht werden? Genau diese Frage versucht der Gewerkschaftsbund, kurz ÖGB, bei seinem Sommer-Dialog zu beantworten.
Spitzengewerkschafter wie Josef Muchitsch diskutieren im vertraulichen Rahmen mit Vertretern von Wirtschaftskammer und Industrie. Es geht darum, Argumente auszutauschen und politisch innovative Ideen zu finden, um die Wirtschaft mittel- und längerfristig wieder nach oben zu bringen.
Heute, Montag, werden die Details des Programms präsentiert.
Dem KURIER liegt das Vorschlags- bzw. Forderungspaket des ÖGB bereits vor. Und es enthält bekannte, aber auch neue Ideen.
Zu den vergleichsweise älteren Konzepten gehört die Wieder-Belebung der bereits von SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern forcierten „Aktion 20.000“.
Ein jedenfalls kontroversieller Vorschlag ist die vom ÖGB vorgeschlagene Absenkung der Schwellenwerte. Was technisch klingt, hätte für die Politik auf allen Ebenen große Auswirkungen.
„Derzeit dürfen Gemeinden, Bund und Länder nur Aufträge bis 100.000 Euro frei, also ohne eine Ausschreibung vergeben“, sagt Muchitsch zum KURIER. Nach den Vorstellungen des ÖGB soll diese Grenze auf 300.000 Euro angehoben werden; im Oberschwellenbereich (Bau) auf drei Millionen.
Muchitsch: „So würden die Euros schneller auf den Baustellen landen – und damit Firmen und Arbeitsplätze gesichert.“ Sein Argument: „Spätestens im Herbst wird es bei den Vergaben von Bau-Aufträgen Einbrüche geben, die – auch – auf die langen Vergabeverfahren zurückzuführen sind.“ Dem müsse man entgegenwirken.
Verlorene Transparenz
Dem Vorhalt, dass damit Transparenz verloren geht und die öffentliche Hand zu viel für diverse (Bau-) Aufträge ausgeben könnte, hält Muchitsch zwei Argumente entgegen: „Zum einen werden es sich die Bürgermeister auch in Zukunft nicht leisten wollen, Geld beim Fenster rauszuschmeißen – dann werden sie nicht mehr gewählt.“ Zudem schlage der ÖGB ja vor, die Maßnahme nur befristet einzuführen – „solange eben die Corona-Krise akut ist.“ Neben sogenannten Arbeitsstiftungen, in denen Arbeitslose um- oder höherqualifiziert werden sollen, setzt sich der ÖGB auch für „Strukturwandelstiftungen“ ein.
Für das AMS schlägt man ein höheres Budget vor („Wir brauchen 500 Dienstposten mehr“).
Und dann gibt es noch die Forderung nach einem neuen Kurzarbeitsmodell. Muchitsch: „Wir verhandeln gerade ein Modell, das auf 12 bis 24 Monate ausgerichtet ist. Innerhalb dieses Zeitfensters kann ein Betrieb selbst entscheiden, wann er welchen Mitarbeiter braucht.“
Laut ÖGB soll das neue Kurzarbeitsmodell insofern adaptiert werden, als es eine Mindestarbeitszeit von jedenfalls 40 Prozent vorsieht. Laut Muchitsch würde das Missbrauch erschweren.
Apropos Missbrauch: Der Gewerkschaftsbund setzt sich auch dafür ein, dass so genannte Zwischenparker Strafzahlungen leisten müssen.
Damit sind Unternehmen gemeint, die ihre Mitarbeiter immer wieder nur für kurze Zeit kündigen, um so Kosten zu sparen. Laut Muchitsch und der ÖGB-Spitze sollten Unternehmen die von ihnen verursachten Kosten in der Arbeitslosenversicherung selbst tragen. Wie? Indem sie einen höheren Beitrag in die Versicherung einzahlen.