Politik/Inland

Neuwahl-Szenario schadet Faymann in SPÖ

Seit Wochen ist Kanzler Werner Faymann mit kaum etwas anderem beschäftigt als seiner Wiederwahl zum SPÖ-Chef auf dem Parteitag Ende November zu sichern.

Wie am Sonntag berichtet, konnte Faymann einen wichtigen Zwischensieg erzielen: Er hat die wichtigsten Player in seiner Partei – die Chefs von Gewerkschaft, Pensionisten und SPÖ-Wien – dazu gebracht, ihn über den Parteitag drüber zu loben. Die SPÖ-Spitzenfunktionäre überbieten sich gegenseitig mit Geschlossenheitsappellen und Wahlaufrufen.

Dennoch ist unsicher, inwieweit die einfachen SPÖ-Delegierten den Parteioberen folgen werden, denn Faymanns politische Erfolgsbilanz ist ziemlich mager.

In diese labile Stimmungslage hinein feuerte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Montag in der ZiB 2 einen Torpedo mit Sprengkraft: Wenn die Regierung bis März keine Steuerreform zustande bringt, hat sie keine Existenzberechtigung mehr, sagte Mitterlehner.

Ein Neuwahlszenario – mehr hat Faymann zu seinem Unglück nicht gebraucht. Denn dass die SPÖ mit einem Spitzenkandidaten Faymann gegen das neue ÖVP-Power-Couple Mitterlehner/Sebastian KurzNeuwahlen gewinnen würde, glaubt nicht einmal die SPÖ selbst.

Am Dienstag in der Früh vor dem Ministerrat habe ein panischer Kanzler die ÖVP gebeten, das Neuwahl-Szenario wegzureden, berichten Koalitionsinsider. Faymanns Botschaft soll sinngemäß gelautet haben: "Wenn Neuwahlen im Raum stehen, wählen sie mich nicht."

Im Pressefoyer nach dem Ministerrat wurde dann ein ziemlich einstudiert wirkendes Stück aufgeführt. Faymann betonte, es "freue" ihn, dass Mitterlehner die Steuerreform als zentralen Bestandteil der Regierungsarbeit betrachte. Diese Aussage Faymanns "freute" wiederum Mitterlehner. Man werde sich an die Arbeit machen und eine Einigung finden. Alles Friede, Freude, Eierkuchen.Die geschilderte Episode illustriert die neuen Stärkeverhältnisse in der Koalition. Die ÖVP ist am Drücker.

Mitterlehner hat im ZiB-Interview das Zustandekommen einer Steuerreform keineswegs spontan zur Existenzfrage der Koalition erklärt. Der neue ÖVP-Chef wollte den Kurs seines Vorgängers korrigieren. Michael Spindelegger hatte die für eine Wirtschaftspartei unmögliche Haltung eingenommen, gegen Steuersenkungen zu sein. Weiters wollte Mitterlehner erreichen, dass eine Steuerreform nicht als Wohltat der SPÖ rüberkommt, die der ÖVP abgetrotzt wurde.

Dazu musste er ordentlich auf die Pauke hauen und die Steuersenkung für wichtiger erklären als die Koalition. Dafür war ihm die Aufmerksamkeit sicher.

Neuwahlen seien nicht das Ziel der Aussage gewesen, wird in schwarzen Koalitionskreisen versichert.

Mag sein. Aber auch ohne Neuwahlpläne befindet sich die ÖVP jedenfalls psychologisch in der besseren Situation. Die ÖVP fühlt sich gut aufgestellt, das Schlimmste, was ihr im Fall eines Koalitionsbruchs passieren kann, ist die Eroberung des Kanzlerpostens. Umgekehrt verhält es sich in der SPÖ: Sie hat keinen Wunderwuzzi bei der Hand, der ihr im Fall des Falles den Chefposten in der Regierung sichert.