Koalitionssuche: Warum so wenig durchsickert
Von Christian Böhmer
Vertrauen erfordert Vertraulichkeit: Nach diesem Motto scheinen in diesen Tagen gleich mehrere politische Akteure – darunter der Bundespräsident und der Kanzler – zu handeln.
Letzterer traf sich am Dienstag mit SPÖ-Vorsitzendem Andreas Babler, man wolle einander „auf persönlicher Ebene“ begegnen. Und die Zusammenkunft war ihrerseits von öffentlicher Zurückhaltung geprägt: Kein gemeinsamer Auftritt, kein gemeinsames Foto. Der Traiskirchner Bürgermeister und Karl Nehammer wollten sich abseits eines Fernseh-Studios begegnen, so heißt es in deren Teams. Und so wurden nicht einmal nachträglich Ort oder Zeit verraten.
Nur so viel: Der Termin fand nicht im Kanzleramt statt, sondern in gemütlicher Kaffeehaus-Atmosphäre; und die Stimmung sei nicht im Geringsten so aufgeheizt gewesen wie im TV-Studio, sondern durchaus freundlich und amikal. Zumindest erzählen das Mitarbeiter, die dem Treffen am Rande beiwohnen durften.
Zeitgleich mit dem rot-türkisen Treffen hat Alexander Van der Bellen in der Hofburg seine bilateralen Gespräche finalisiert: Nach Herbert Kickl, der bereits am Freitag am Ballhausplatz vorstellig wurde, hatte Van der Bellen gestern noch Beate Meinl-Reisinger und Werner Kogler bei sich im Büro.
Und auch bei dem streng unter Vier-Augen geführten Austausch gaben sich die Gäste der Präsidentschaftskanzlei einhellig schmallippig – auch hier geht es um Zurückhaltung und Vertraulichkeit. Kickl, Nehammer, Babler und Kogler ließen sich nur entlocken, dass man „vertrauensvoll“ miteinander geplaudert habe – mehr kam nicht.
Einzig Neos-Chefin Meinl-Reisinger gab sich nach ihrem Treffen einen Deut redseliger und ging mit unverdächtigen Sätzen darauf ein, was sie mit dem Staatsoberhaupt knappe 80 Minuten lang besprochen hat.
Man habe sich über die Zukunft, aber auch über diverse Sorgen unterhalten – vor allem über jene, was die wirtschaftliche und die budgetäre Situation angehe, sagte Meinl-Reisinger.
Reformgespräche
Einmal mehr bekräftigte die Chefin der Pinken, dass man – also die Neos – bereit sei, an einer Reform-Regierung mitzuwirken.
Und sie erinnerte daran, dass sie schon vor Tagen alle Parteichefs zu Reformgesprächen eingeladen habe, weil in der aktuellen Situation alle Verantwortung übernehmen müssten – und zwar ungeachtet der Frage, ob sie später in einer Regierung sitzen wollen und werden oder nicht.
Die Präsidentschaftskanzlei hat lange vor den bilateralen Aussprachen mit den Parteichefs bemüht, die Gespräche nicht als Sondierungen oder gar Koalitionsverhandlungen zu kommunizieren – man empfange die Parteien aus Höflichkeit und anlässlich der geschlagenen Nationalratswahl.
Dass die Lage nicht nur komplex, sondern offenbar heikel ist, lässt der Umstand erahnen, dass die Hofburg gestern nicht nur nichts zu den erledigten Gesprächen sagen wollte, sondern sogar den Zeitpunkt offenließ, wann genau man sich äußert.
Dem Vernehmen nach will Alexander van der Bellen heute, Mittwoch, Bilanz ziehen, was er aus den fünf Gesprächen mitgenommen hat. Sicher ist das nicht. Denn wie gesagt: In diesen Tagen gilt vor allem eines: Diskretion und Zurückhaltung.