Politik/Inland

Corona-Gesetze: Polemischer Debatte folgt Drei-Parteien-Beschluss

Der heutige Plenartag steht ganz im Zeichen von Corona. Der Nationalrat hat in seiner ersten regulären Sitzung nach der Sommerpause das nächste Corona-Paket mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ das Maßnahmenpaket beschlossen. Dem voraus ging eine kontroversielle, teils sehr polemische Debatte.

Als erster Redner ist am Mittwoch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl am Wort. "Jetzt geht es ans Eingenmachte", so Kickl, der "Feschimus" ortet. Politik im "Slim-fit"-Outfit meint er damit und kritisiert, dass eine zweite Welle herbeigetestet werde. Es sei "ein Akt der Notwehr" die Gesetzesmaterien abzulehnen - die FPÖ spricht der Regierung das Misstrauen aus. Kickl wisse, dass der blaue Antrag keine Mehrheit finden wird, "noch nicht", wie er meint.

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"Das Schöne an einem Fehler ist, dass ich ihn nicht zwei Mal machen muss", zititert Kickl Grillparzer, der nicht versteht, warum die Regierung die Maßnahmen umsetzen will. Als "Verordnungsdemokratur" bezeichnet der Freiheitliche das Agieren der Regierung, die eine "Strategie der Angst" verfolge. Er versteht nicht, was die Regierung gegen Schweden vorzubringen hat, denn "bei Greta ist man auch einer Schwedin nachgelaufen". Die Covid-Impfung erachtet er als "verantwortungsloses Experiment". Dann kritisiert Kickl alle Minister, allen voran den grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober.  Er gleiche Ulrike Lunacek (Ex-Kulturstaatssekretärin). Lunacek sei indes zurückgetreten. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures mahnt Kickl daraufhin, sich in seiner Ausdrucksweise zu mäßigen, nachdem er von "Sauerei" gesprochen hatte. Bures erteilt Kickl wegen "Judaslohn" und "Rollkommando" zudem einen Ordnungsruf.

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Grüne Maurer: "Verantwortungsloses Verhalten" von Kickl

Sigrid Maurer, Klubchefin der Grünen, unterstellt Kickl daraufhin "verantwortungsloses Verhalten". Er trage zu massiver Verunsicherung in der Gesellschaft bei. Nach 16.000 Stellungnahmen und zwei Phasen sei nun das Covid-Maßnahmenpaket auf dem Weg durch die parlamentarischen Instanzen. Auf der Galerie des Nationalrats hängt währenddessen ein Transparent "Stoppt den türkis-grünen Coronawahnsinn". Bures unterbricht Maurers Rede und lässt das Transparent der FPÖ entfernen.  Kickl stehe "alleine auf weiter Flur" was die Kritik am Gesundheitsminister betrifft. "Die Regierung wird es weiter schaffen, das Vertrauen der Regierung zu gewinnen", ist sich Maurer sicher, die sich enttäuscht zeigt, "wie tief im Parlament gesunken wird".

Neos-Mandatar Loacker: "Gesetz zum Zusperren und Wegsperren"

Als nächstes meldet sich der Neos-Mandatar Gerald Loacker am Wort. Man sehe es Sigrid Maurer körperlich an, wie schwer sie sich tue, das Paket zu verkaufen. Für Loacker kommt das Gesetz einem "Gesetz fürs Zusperren, Absperren und Wegsperren" gleich. "Stimmt die Verhältnismäßigkeit", fragt Loacker. Das Gesetz ermögliche es nämlich, dass Menschen in ihren privaten Wohnungen eingesperrt werden können. Zudem kritisiert Loacker, dass die zur Begutachtung zu wenig Zeit gewesen sei und immer neue Unterlagen immer später eingebracht worden seien. "Das Parlament wird verhöhnt und ist zum Ausführungsorgan der Regierung geworden." Er plädiert an die Parlamentarier und analog zu Erich Kästner : "Gewöhnen wir uns nicht an alles, was hier passiert."

SPÖ-Chefin: "Regierung hat Vorsprung verspielt"

Die SPÖ-Chefin beginnt auch "kritisch", wie sie vorausschickt. Pamela Rendi-Wagner meint: "Es läuft nicht gut", denn die Regierung habe den Vorsprung aus dem Frühjahr "fahrlässig verspielt". Die Regierung sei unvorbereitet in den Sommertourismus und den Schulstart gegangen. Niemand werde am Flughafen kontrolliert - das sei laissez faire und deshalb dürfe man sich nicht wundern, dass die Bevölkerung auch etwas laissez faire gelebt habe. "Überfällig und grundvernünftig ist die Reparatur des Covid-Gesetzes", so Rendi-Wagner. "Das alte Corona-Gesetz ist schlecht." Weil Neos und SPÖ damals mitgestimmt haben, seien auch die Oppositionsparteien in der Verantwortung. Das seit sieben Monate geltende Gesetz müsse jetzt verfassungskonform werden, "weil es ernst ist". Die Neos, so Rendi-Wagner, betreibe nur "Fundamental-Opposition". Es sei aber an der Zeit, "Wahlkampfgetöse und Parteitaktik" beiseite zu stellen.

"Gesetz ist nichts wert" - FPÖ-Kaniak zerreißt Zettel

Der FPÖ-Mandatar Gerhard Kaniak zerreißt hernach am Rednerpult einen Zettel mit den Worten, dass das Gesetz nicht das Papier wert sei, auf dem es geschrieben ist.

ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz beteuert, dass es keinen Impf-Zwang geben werde. Verharmlosungen will Schwarz nicht gelten lasse. Sie kenne im Gegensatz zu ihren Vorrednern jemanden, der an Covid gestorben sei, ein Sportler mit 32 Jahren. Nach ihr ist Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Wort.

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Anschober bezeichnet den FPÖ-Klubchef als "Primar Kickl" und meint: "Sie qualifizieren sich mit jedem Zwischenruf mehr" - dann rekapituliert der Gesundheitsminister das Frühjahr. Österreich sei gut durch die Krise gekommen. "Der Höhepunkt der Pandemie ist leider noch nicht erreicht. Wer das in Abrede stellt, dem ist nicht mehr zu helfen." Seit dem 8. September gebe es deutliche Steigerungen im Infektionsgeschehen.681 Neuinfektionen seien am Mittwoch zu verzeichnen, führt Anschober aus bei 16.617 Tests.

Anschober: "Wir stehen an einer Weggabelung"

Die Hospitalisierungszahlen beginnen deutlich zu steigen. "Alle sind sich einig, dass Österreich an einer Weggabelung steht." In den letzten Tagen hätte es Hinweise zu einer exponentiellen Steigerung gegeben - diese gelte es abzuwenden. "Ziel muss es sein, dass es keinen zweiten Lockdown in Österreich braucht."

Das neue Gesetz habe mehr Effizienz und Transparenz. "Unbestritten ist", so Anschober, dass es in vielen wichtigen Bereichen Verbesserungen gibt. "Im Frühling war Parteipoltik nicht das Primat. Diesen Geist brauchen wir wieder, dann werden wir gut durch den zweiten Teil der Krise kommen." Er wolle erreichen, dass es möglichst wenige Todesfälle gibt, die Infiziertenzahlen sinken und der Gesundheitsminister ist sich sicher, dass man kommendes Jahr mehrere Impfungen haben werde. "Jeder Mensch wird sich frei entscheiden können, ob er sich impfen lassen will oder nicht."

Anschober hat zum Schluss noch ein Wort zu Kickl: "Vor wenigen Monaten waren Sie noch Vorreiter zum Lockdown in Höllentempo und jetzt sind Sie der Chefleugner von Corona."

Neos-Scherak: "Der ÖVP taugen Allmachtsfantasien"

"Über Gebühr greift das Gesetz in die Grundrechte ein", repliziert Neos-Mandatar Nikolaus Scherak auf Anschober. Der Unterschied zwischen Grünen und ÖVP: "Der ÖVP taugen die Allmachtsfantasien", so Scherak. Das Verfassungsgesetz sei Anschobers Sache nicht. Umfassende Betretungsverbote seien mit diesem Gesetz möglich, die Grünen würden "es nicht mal mehr schaffen, Flüchtlinge aufzunehmen", führt der Neos-Politiker fort. Das ist der "umfassendste Angriff auf die Grund- Freiheitsrechte, deshalb werden wir sicher nicht zustimmen."

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FPÖ-Belakowitsch: "Infizierte sind keine Erkrankten"

Dagmar Belakowitsch unterstellt Anschober, er wisse gar nicht, wovon er spricht. "Infizierte sind keine Erkankten". Sie stellt in Abrede, dass die Zahl der Hospitalilsierten steigt. "Was Sie hier bieten ist eine peinliche Polit-Show. Sie müssen die zweite Welle herbeireden." Was komme ist die Pleite- und Arbeitslosenwelle. "Es gibt aus dem Arbeitsministerium nur Schweigen", deshalb müsse der Misstrauensantrag eingebracht werden. Es handle sich um "Schaufensterpuppen" im Parlament. Anschober "stigmatisiert Menschen, die sich infiziert haben. "Niemand ist schuld, der sich ansteckt. Sind wir mit diesen komischen Kobeln (Plexiglasschilder im Parlament gemeint)?"

Belakowitsch bringt einen Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung ein.

SPÖ-Leichtfried: "Die Corona-Ampel ist versemmelt"

Von einem "denkwürdigen Sommer" spricht SPÖ-Mandatar Jörg Leichtfried. Denkwürdig im negativen Sinne. "Die Corona-Ampel ist komplett versemmelt". Reisewarnungen und Stauchaos seien Vorboten des Covid-Gesetzes im Sommer gewesen. Die SPÖ hätte es wie die FPÖ in der permanenten "Waldorf und Statler-Runde machen können und nichts mehr beizutragen".  Die Neos würden "billiges Effekthaschen" betreiben.

Neos-Schellhorn: "Kanzler besteht nur aus Ich"

Sepp Schellhorn von den Neos hat es "satt, dass wir einen Kanzler haben, dessen Formel nur aus Ich besteht" und "Unternehmer ins Nichts gedrängt werden". Das Nichts sei die Scham, wenn der Betrieb zusperren muss und der Schlüssel beim Vermieter abgegeben werden muss. Die FPÖ-Mandatarin Susanne Fürst sagt, man habe sich die "Reisewarnungen herbeigetestet" und zitiert die Ärztekammer in OÖ, die von einem "Test-Tsunami" gesprochen habe. "Ja, es werden wieder mehr Menschen sterben - wie jedes Jahr an der Grippe, die Maßnahmen sind unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt". Es sei ein Klima der Angst, das die Bundesregierung herbeirede.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eröffnete die Sitzung und erklärt die neuen Sitzregeln, die den Abstand von 1,3 Meter zum Nächsten vorsieht. Plexiglasschilder ermöglichen, dass die Abgeordnten ohne Maske im Parlament sitzen. Nach der aktuellen Stunde zum Thema Klimaschutz spricht Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in der Europa-Stunde Moria an und beschreibt die dramatischen Bilder vor Ort. 

Neos-Chefin: "Schaut so Europa aus?"

"Schaut so Europa aus?" fragt die Neos-Chefin. Dass durch die Aufnahme von Flüchtlingen eine neue Migrationswelle mit sich bringe sei "unredlich - Was hat das mit Menschenwürde zu tun?" Die EU-Politik sei gescheitert, zitiert Meinl-Reisinger Sebastian Kurz. Sie sei gescheitert am Kanzler, befindet die Neos Chefin. "Sie haben Monate lang den Kopf in den Sand gesteckt." Sie plädiert für eine "Politik der Mitte" und spricht Kurz direkt an: "Geben Sie sich einen Ruck, und nehmen wir Kinder aus Moria auf."

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Kurz geht daraufhin auf Meinl-Reisinger ein und verwehrt sich gegen eine "Schubladen-Debatte" und verweist auf 70 Millionen Flüchtlinge weltweit. Und auf Flüchtlinge in Bukarest, die an Klebstoff schnüffeln und auch nicht aufgenommen werden. "Kommen Sie mit mir mit ins Somali-Land", so der Kanzler weiter. "Wir können definitiv nicht alle Menschen aufnehmen", deshalb sei die "Hilfe vor Ort" die richtige. Kurz sei den Grünen dankbar was den Auslandskatastrophenfonds betrifft. Dieser sei auf 50 Millionen aufgestockt worden.

17 Länder würden dieselbe Haltung wie Österreich haben, 10 die Haltung Deutschlands vertreten, das Migranten aus Moria aufnehmen will. "Wir sind in der Mehrheit in der EU.

SPÖ-Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner schlägt in ihrer Rede in dieselbe Kerbe wie Meinl-Reisinger. Sie vermisst den funktionierenden Außengrenzschutz der EU und plädiert dafür, "100, 200 und seien es 500 Kinder" aus dem Elend von Moria zu befreien. Es sei "feige sich hinter Pull-Faktoren zu verstecken", so Rendi-Wagner.

"Herzlichkeit" vs. "Eiskaltes Nichtstun"

Dass die CSU bei Österreichs Regierung "Herzlichkeit" in der Migrationsfrage vermisst, betont die Opposition - bis auf die FPÖ - mehrmals und kritisiert damit die ÖVP und die Grünen gleichermaßen. Zudem liege, das betonen Neos und SPÖ ebenfalls, Moria in Griechenland in Mitten der EU.

"Der Kanzler ist gut im Predigen und im eiskalten Nichtstun", sagt Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. Zuvor schildert die Grüne Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic eindrücklich, was sie bei einem Besuch in Moria erlebt und gesehen hat.

Schnedlitz (FPÖ): "Österreich zuerst"

"Solange es ein armutsgefährdetes Kind in Österreich gibt", sagt FPÖ-Mandatar Michael Schnedlitz, soll laut FPÖ kein Steuergeld für Migranten aufgewendet werden. "Wir sind nicht erpressbar von Brandstiftern", skandiert Schnedlitz förmlich. Es gelte "Österreich zuerst". Neos-Mandatar Helmut Brandstätter ist als letzter Redner am Wort. Er erinnert die Regierung an die christlich-soziale Lehre vor - "die Würde des Menschen ist unantastbar".