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"Angriff auf Journalismus": ÖVP-Plan zu Zitierverbot sorgt für Aufregung

Nachdem ein alter Gesetzesentwurf der ÖVP zum Zitierverbot aus Strafakten publik geworden ist, hat SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim der ÖVP bei einer Pressekonferenz einen "Angriff auf den Journalismus" vorgeworfen.

Der Text sieht eine strafrechtliche Verurteilung und Haftstrafe für Personen vor, die Informationen aus nicht öffentlichen Dokumenten veröffentlichen. 

ÖVP fordert ein Zitierverbot

Die ÖVP setzt sich seit Langem für ein Zitierverbot ein, um Beschuldigtenrechte zu stärken und das Zitieren aus Chats zu verhindern. Der nun während des Nationalratswahlkampfes durch Medienberichte bekannt gewordene Entwurf enthält jedoch schärfere Maßnahmen, als bisher aus Forderungen bekannt war. Verurteilungen sollte es demnach dann geben, wenn "schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen", die "gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse überwiegen", der "Grundsatz der Unschuldsvermutung" oder das "Recht auf ein faires Verfahren" der betroffenen Personen verletzt werden. Zu einer Einigung mit den Grünen, die ein Zitierverbot weiterhin ablehnen, ist es nicht gekommen.

Auch SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar sprach davon, dass versucht werde, "kritischen Journalismus in Österreich mundtot zu machen." Die Medienpolitik der ÖVP sei "Machtpolitik", sie wolle Einfluss auf die Berichterstattung nehmen. Durch die Grünen sei ein solches Gesetz anscheinend verhindert worden, meinte sie.

Diese bleiben bei ihrem Standpunkt. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) bezeichnete das Zitierverbot als "Beschneidung der Pressefreiheit". Dieses sei auch in einer künftigen Koalition für die Grünen "absolut undenkbar", sagte sie bei einer Pressekonferenz.

ÖVP kalmiert

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker versuchte am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz zu kalmieren. Dieser "Entwurf, der nie umgesetzt wurde", sei aus dem vergangenen Jänner und sei lediglich eine Diskussionsgrundlage gewesen. "Dass man sich Gedanken macht, ist wohl legitim", argumentierte er. Dass dieser jetzt kurz vor der Wahl aus der Regierungskoordination herausgespielt worden sei, sei wohl dem Wahlkampf geschuldet, so Stocker.

 Er könne sich vorstellen, wer ihn herausgespielt habe, wollte diesbezüglich aber nicht konkreter werden. "Da wird künstlich ein Thema hochgezogen, das gar keines ist", findet Stocker. Dass der Entwurf eine strafrechtliche Verurteilung bei Nichtbeachtung des Zitierverbots vorsah, sei lediglich eine Überlegung gewesen, die nie in die Umsetzung kam.

SPÖ warnt vor Blau-Schwarz

Weiters warnte die SPÖ vor einer blau-schwarzen Regierungskoalition nach der Wahl. Bei dieser könne man nämlich davon ausgehen, "dass genau solche Gesetze kommen werden", sagte Duzdar, die von einer "autoritären Umgestaltung Österreichs nach dem Vorbild von Ungarn" sprach. Kritik hagelte es dabei insbesondere an der ÖVP. Diese sei keine Partei der Mitte mehr, sondern habe einen "Rechtsruck vollzogen" und richte sich gegen den Sozialstaat.

Eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ nach der Wahl glaubt die SPÖ in Hinterzimmern bereits ausgemacht. Schließlich sei das TV-Duell am Montag in ORF 2 zwischen Nehammer und Kickl eine "blau-schwarze Lovestory" gewesen, wie Seltenheim meinte. In der Volkspartei würden sich die Stimmen für eine solche Koalition mehren, verwies er auf die ehemalige ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner, die sich im KURIER dafür ausgesprochen hatte - auch mit Kickl in der Regierung. 

Dass Nehammer eine Regierungszusammenarbeit mit Kickl ablehnt, sei unglaubwürdig, meinte Seltenheim. Die SPÖ tue jedenfalls alles, um einen solchen "Rechtsblock", von dem sie Kürzungen bei Pensionen, Bildung und Gesundheit erwartet, zu verhindern.

"Verbot würde auch Justiz-Grundrechte einschränken"

Journalistinnen und Journalisten wären nicht die einzigen, für die ein Zitierverbot aus Gerichtsakten einen massiven Einschnitt bedeuten würde, erklärte Armenak Utudjian, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, am Dienstagabend in der ZIB2. 

"Nicht nur die Medien- und Pressefreiheit würde eingeschränkt würden, sondern auch Parteienrechte." Gemeint ist damit die Arbeit von Anwältinnen und Anwälten, die im Sinne von Mandaten ebenso Inhalte als Gerichtsakten legal und rechtens weitergeben dürfen. "So ein Verbot würde also auch Justiz-Grundrechte einschränken." Er könne sich zudem nicht vorstellen, dass ein derartiges Verbot grundrechtskonform sein könnte. 

Auch zweifelt Utudjian den Nutzen eines solchen Verbots von direkten Zitaten, wie es bereits in Deutschland besteht, an. "Man kann schließlich auch indirekt aus Akten berichten". Wichtiger fände der Rechtsexperte das Thema Handy-Sicherstellung. "Eine vernünftige Regelung der Handy-Sicherstellung würde das Problem schon sehr verkleinern, weil dann nur jene Informationen in den Strafakt kommen würden, die von einem begründeten Gerichtsbeschluss gedeckt wären."