Mindestsicherung: Westachse auf Wiener Linie
Türkis-Blau gegen Rot-Grün: Ideologisch könnte die Differenz nicht größer sein. Entsprechend heftig krachen dieser Tage Bund und Stadt Wien wegen der Mindestsicherung aufeinander.
In den Bundesländern der Westachse – Salzburg, Tirol und Vorarlberg – gibt es ebenfalls eine Reihe von Bedenken zu der geplanten Verschärfung der Mindestsicherung. Im Ton fallen die Stellungnahmen der schwarz-grün (in Salzburg gemeinsam mit den Neos) regierten Länder im Vergleich zu Wien milder aus. Das ist auch dem Spannungsfeld geschuldet, in dem die dortigen ÖVP-Landeshauptleute agieren müssen – zwischen Koalitionsräson im Land und Loyalität gegenüber Parteichef und Kanzler Sebastian Kurz.
Deckungsgleiche Kritik
Inhaltlich deckt sich die Kritik der Westachsen-Landesregierungen an der Mindestsicherung neu jedoch in vielen Punkten mit jener aus Wien.
- Verwaltungsaufwand
Der Bund fordert, künftig statistische Daten zu den Mindestsicherungsbeziehern zu erheben und zu dokumentieren. Wiens SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker warnt vor einem „enormen Verwaltungsaufwand“, der in die Millionen gehen könne. Beinahe wortgleich orten auch Tirol und Salzburg einen „erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand“ darin.
- Datenschutzverstoß
Der Bund will, dass die Staatsangehörigkeit der Eltern von Mindestsicherungsbeziehern – auch wenn die Personen selbst schon erwachsen sind – zu erfassen ist. Tirol und Salzburg wortgleich: Es sei zu prüfen, „inwieweit das mit den geltenden Datenschutzbestimmungen“ vereinbar ist. Vorarlberg: Die Information über die Staatsbürgerschaft sei „nicht notwendig“, darum sei davon „jedenfalls Abstand zu nehmen“.
- Kompetenzüberschreitung
Unisono ortet die Westachse auch verfassungswidrige Eingriffe in die Länderkompetenz – habe sich doch „ein Grundsatzgesetz auf das Festlegen von Grundsätzen zu beschränken“, wie es in der Tiroler Stellungnahme heißt. Vorarlberg verbietet sich Vorschriften für das Gewähren von Wohnbeihilfen.
- Rechtswidriger Ausschluss
Und schließlich monieren alle drei West-Länder den geplanten Ausschluss subsidiär Schutzberechtigter von der Sozialhilfe. Für Tirol scheint es „fraglich“, dass diese Regelung EU-Recht entspricht; für Vorarlberg ist auch das eine Überschreitung der Bundes-Kompetenzen und Salzburg ortet Widersprüche zwischen Gesetzestext und dazugehörige Erläuterungen.
Kinderarmut
Kritik an der Sozialhilfe neu bezieht sich vielfach auf die geplanten Kürzungen für Mehrkindfamilien. Aus Salzburg heißt es mit Verweis auf den Verfassungsgerichtshof, die „festgelegte degressive Staffelung kann zu einer Schlechterstellung von Haushalten mit mehreren Kindern bzw. Großfamilien führen“. Gefordert wird die Möglichkeit, dass „eine Überschreitung der Höchststandards für Kinder möglich ist“. Tirol und Vorarlberg haben daran indes offiziell nichts auszusetzen. Im Ländle ist das Thema ein Streitpunkt zwischen ÖVP und Grünen, wie Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker zugibt (siehe Video).
Dennoch erwarte man sich eine verfassungskonforme Überarbeitung des Entwurfs. Die fordert auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: Die Regierung müsse die „vielen kritischen Stellungnahmen“ ernst nehmen und „gemeinsam mit Experten, Ländern und Parlamentsklubs einen neuen Entwurf erarbeiten“.