Karner über Asylverfahren: "Das EU-Regelwerk funktioniert nicht"
Von Michael Hammerl
Zwei (!) islamkritische Demonstranten haben sich vor dem Kongresszentrum in Kopenhagen eingefunden. Was sie fordern? "Koran-Verbrennungen sollten in Dänemark wieder legal sein", meinen sie etwa. Im Inneren des Gebäudes werden bei einer prominent besetzten Migrationskonferenz derweil konstruktivere Themen debattiert.
Etwa, was die EU im Kampf gegen illegale Migration verbessern sollte. "Wir können unser Migrationssystem nur verbessern, wenn wir kooperieren", meint Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Einzelgänge von EU-Staaten würden nur dazu führen, dass sich Fluchtrouten verändern - was wiederum den Schleppern in die Hände spiele.
Karner will "einen Schritt weiter gehen"
Nötig seien etwa gegenseitige Hilfe beim Grenzschutz, der gemeinsame Kampf gegen Schlepper und stärkere Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Im letzten Punkt ist Karner der wichtigste Bündnispartner des dänischen Migrationsministers Kaare Dybvad Bek.
Im November 2023 wurde etwa ein durch Österreich und Dänemark aufgebautes Trainingszentrum für Grenzschutzbeamte in Nefta in Tunesien eröffnet. Wie Bek und der ebenso anwesende Migrationsexperte Gerald Knaus sei er aber der Meinung, "dass wir einen Schritt weiter gehen müssen", sagt Karner.
Konkret gehe es darum, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU durchzuführen. Auf europäischer Ebene gibt es für dieses Modell erste Vorzeigebeispiele.
Italiens Pakt mit Albanien
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni hat beispielsweise einen Flüchtlings-Deal mit Albanien geschlossen, der als Vorbild dienen könnte. Dieser sieht ein Lager für rund 3.000 Migranten in Albanien vor. Rom bezahlt den Bau und das Personal. Dafür soll Italiens Küstenwache künftig volljährige Männer direkt nach Albanien bringen, wo ihre Asylanträge geprüft werden. Bei einem positiven Bescheid dürfen die Männer nach Italien, bei einem negativen werden sie in ihr Herkunftsland abgeschoben.
Laut EU-Recht muss eigentlich eine Verbindung zwischen dem Asylwerber und dem Drittstaat bestehen, in den er gebracht wird. Italien nutzt hier allerdings ein juristisches Schlupfloch: So lange die Migranten auf hoher See abgefangen werden, gelten die Asylrichtlinien der EU nicht.
Würde Österreich etwa einen Syrer nach Albanien bringen, wäre das ein Verstoß gegen das EU-Regelwerk. Selbiges gilt für den Pakt, der Ex-EU-Mitglied Großbritannien Abschiebungen nach Ruanda erlaubt.
Karner will Regelwerk ändern
Bek und Karner plädieren deshalb schon länger dafür, das EU-Recht zu ändern. "So, wie das Regelwerk derzeit ist, funktioniert es nicht", sagt Karner. 2023 gab es mehr als eine Million Asylanträge in Europa. Kein neuer Standpunkt, welchen Fortschritt hat die Konferenz also gebracht?
"Ehrlich gesagt: Vor zwei Jahren hat Karner unsere Forderung bei einem EU-Treffen unterstützt. Das war unser erster Unterstützer auf EU-Ebene", sagt Bek. Mittlerweile gebe es rund zehn Staaten, die sich unterschiedliche Modelle in Drittstaaten vorstellen könnten.
Alleine die Geschlossenheit und Einigkeit darüber, dass man hier etwas machen müsse, sei neu, so Karner. Er fügt hinzu: "Es gibt nicht diese einzige Lösung, die zu einer besseren Situation führt. Wir werden mehrere Lösungen brauchen." Und darüber debattiere man nun.
Frederiksen: "Sehr bedenklich"
Dänemarks sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betont im Eröffnungsstatement der Veranstaltung: "Wir alle sehen uns massiven Problemen mit illegaler Migration konfrontiert, ausgelöst von kriminellen Schleppern." Es sei "sehr bedenklich", dass es 2023 mehr als eine Million Asylanträge in Europa gegeben, von denen die Hälfte kein Aufenthaltsrecht hätten.
Der einzige Weg vorwärts seien "Partnerschaften", meint Frederiksen. So wie jetzt weiterzumachen, sei für Europa und Millionen von Migranten "gefährlich". Sie hoffe auf eine ehrliche Debatte sowie langfristige und nachhaltige Lösungen.
Hochrangig besetzt
An der Konferenz nehmen neben Karner und Bek auch die Innen- und Migrationsminister aus Italien, den Niederlanden oder Tschechien teil. Auch Vertreter der Drittstaaten Albanien, Tunesien und Mauretanien sind vor Ort. Ebenso zugegen: EU-Kommissarin Ylva Johansson und internationale Experten.