Politik/Inland

Spindelegger meldet sich zurück: "Ich bin der Chef"

Die ÖVP-geführten Bundesländer, allen voran Niederösterreich, haben den Vorstoß von Tirols Landeshauptmann Günther Platter in einem KURIER-Interview aufgegriffen und fordern die Steuerhoheit für die Länder. Wie das Beispiel Schweiz zeigt, wo die Kantone Autonomie über ihre Steuereinnahmen haben, ein durchaus lohnender Diskussionsansatz.

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Mitten in der hitzigen Debatte über die Autorität von Michael Spindelegger als Finanzminister beziehungsweise über seinen Verbleib an der Spitze der Volkspartei interpretierten Beobachter diesen Vorstoß jedoch sofort als neue Breitseite gegen den Parteiobmann. Die ÖVP-Landesfürsten ziehen offiziell daher demonstrativ die Notbremse. Tirols Landeschef Platter sieht in der Frage der Steuerhoheit keine Kritik am Finanzminister. Es gebe auch keine Personaldiskussion in seiner Partei, Spindelegger sei „nicht angezählt“.

Das vernimmt der VP-Chef in Tagen wie diesen gerne. Er sieht im Steuervorstoß der Länder passenderweise einen „gemeinsamen Vorschlag der ÖVP“. Er unterstütze dieses Thema ja schon seit Jahren.

Die Gegenrechnung für den Bund müsse aber auch stimmen. Die Neuaufteilung des Steuerkuchens könnte beim nächsten Finanzausgleich (nach 2017) debattiert werden, sagen Fachleute. „Mit mehr Abgabenautonomie könnte man endlich das österreichische Transfer-Chaos angehen“, sagt Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller.

Für Spindelegger bedeutet dies zumindest eine kurze Atempause, die er in der kommenden Woche durchaus für Fortschritte in der Hypo-Abwicklung brauchen wird können – derzeit der schwerste Brocken auf dem Tisch des Finanzministers.

An einer der Nebenfronten mit dem ÖVP-Wirtschaftsbund richtet Spindelegger Parteifreund Christoph Leitl aus: „Ich bin der Chef“. Das ist auf Leitls Kritik an den Beamten im Finanzministerium gemünzt, die aus Budgetgründen „sinnvolle Vorschläge“ abwürgen würden, etwa die GmbH light.

Leitl hatte sinngemäß gemeint, Spindelegger fehle die Erfahrung, er habe sein Ministerium nicht im Griff. Leitls Kritik an den Beamten bringt auch Gewerkschafter Neugebauer auf die Palme. In einem offenen Brief schreibt Neugebauer: „Dass ,die Beamten sinnvolle Ideen umbringen‘, glaubst du hoffentlich nicht wirklich“. Das Diskussionsniveau dürfe nicht „absandeln“, erinnert Neugebauer Leitl an dessen Sager „Österreich ist abgesandelt“.

Auslaufmodell

Die innerparteilichen Scharmützel gehen also weiter. Seit dem Aufbegehren der ÖVP-Westachse in Bildungsfragen vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein neuer Streit ausbricht, den Spindelegger bereinigen müsste. Der Politikwissenschaftler Fritz Plasser spricht bereits von einer „fortgeschrittenen Obmanndebatte. Er fühle sich an die frühen 1990er Jahre erinnert. Die Obmannschaft Spindeleggers sei wohl „im Auslaufen“, sein Autoritätsverlust „nicht mehr reparabel“.

Bund

Rund 77 Milliarden Euro nahm der Staat im Jahr 2013 ein, mehr als 90 Prozent davon der Bund. Größte Posten sind hier die

Umsatzsteuer und Lohnsteuer, oder die Mineralöl- und Körperschaftssteuer.

Gemeinden

Nach dem Bund sind auch die Gemeinden noch relativ stark in der Steuereintreibung. Die großen Brocken hier: Kommunalsteuer sowie Grund- und Grunderwerbssteuer.

Länder

Die Länder bekamen zwar nach der Endabrechnung im Finanzausgleich ca. 20 % des Steueraufkommens, heben derzeit aber nur einen Bruchteil selbst ein: Z. B. in Form der Feuerschutzsteuer und der Jagd- und Fischereiabgaben.

NEOS und Grüne versuchen weiterhin, eine Allianz an der ÖVP vorbei zu schmieden. Die Oppositionsparteien setzen dabei auf die scharfe Kritik, die der Wirtschaftsbund am Steuerpaket der Regierung übte. Von dieser Seite, allen voran von Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl, erhoffen sie sich Rückendeckung, um die Regelungen doch noch verhindern zu können.

Zu einem von NEOS-Obmann Mathias Strolz initiierten "informellen Dialog" über die Steuern kommt Leitl zwar nicht - er hatte den NEOS diesbezüglich eine Absage erteilt. Doch der Schulterschluss mit der Wirtschaftsbündlern bleibt weiterhin auf der Agenda der NEOS.

Auch die Grünen bleiben bei der Hoffnung, die ÖVP-Mandatare des Wirtschaftsbundes könnten das Steuerpaket gemeinsam mit der Opposition ablehnen. Die Maßnahmen seien eine große Belastung für Unternehmer, sagt der grüne Klubobmann-Stellvertreter und Finanzsprecher Werner Kogler im Ö1-Morgenjournal. Als Stichwort fungiert die "GmbH light": "Wenn die Wirtschaftsbund-Abgeordneten mit der Opposition stimmen, dann kommt diese Verschlechterung für die Gründer nicht - ganz einfach", so Kogler. Der das Steuerpaket als Präzedenzfall sieht: Er hofft, die Regierungsmehrheit könne öfter ausgehebelt werden, etwa in Sachen Gemeinsame Schule. Dort seien SPÖ, Grüne und NEOS auf einer Seite. Und "wenn es mehr koalitionsfreie Räume geben würde, dann ist alles denkbar", so Kogler.