Mehr Geld für Miliz, Cyber-Krieg und ABC-Abwehr
Klaudia Tanner blieb ganz im Militärischen, auch in der Sprache: Sie habe 200 Millionen Euro mehr an Budget „erkämpft“, verkündete die Verteidigungsministerin am Freitag. 200 Millionen, die in den nächsten drei Jahren der Miliz zugutekommen sollen. Für Ausrüstung, für Material.
Es war, wenn man so will, der neuerliche Versuch eines Befreiungsschlages.
Denn seit Tagen wird die Amtsführung der Ressortchefin von Kommentatoren und auch im Apparat hinterfragt; und dass die Kommunikation alles andere als ideal gelaufen ist, das erklärte Tanner sogar selbst zuletzt ohne Umschweife coram publico im Parlament.
Neue Herausforderungen
Am Freitag wollte sie ein für alle Mal klarmachen, wie sie die Reform des Heeres anlegt. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass das Bundesheer auch weiterhin alle in der Verfassung festgeschriebenen Aufgaben wahrnehmen werde, sagte die Ministerin. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass man sich auch auf neue Herausforderungen vorbereiten müsse.
„Das bedeutet nicht nur, neue Gerätschaften anzuschaffen, sondern auch, unsere Struktur an die Herausforderungen anzupassen.“ An dieser Stelle kam – verklausuliert – wieder einmal die seit Jahrzehnten strapazierte Panzerschlacht im Marchfeld aufs Tapet.
Diese ist tatsächlich nicht absehbar. Das ändert freilich nichts am grundsätzlichen Befund, wonach das Heer nach wie vor sehr stark auf „Kriegsszenarien an der österreichischen Grenze“ ausgerichtet ist – inklusive jeder Menge an Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung. Tanner: „Da wollen wir verschlanken.“
Was sind nun die konkreten Herausforderungen? Militärisch nannte Tanner die etwa 50 Cyberangriffe pro Tag, dazu noch Krisen und Katastrophen wie die Corona-Pandemie. Strukturell machen dem Bundesheer eine in die Jahre gekommene Infrastruktur sowie 8.000 Pensionierungen zu schaffen, die in den nächsten zehn Jahren anstehen.
Die Pensionierungswelle hat auch ihr Gutes: Letztlich führt sie dazu, dass der Personalstand und damit die Kosten sinken.
Niemand müsse um den Job fürchten, betonte Generalstabschef Robert Brieger. Derzeit sind rund 20.500 Personen beim Bundesheer beschäftigt, 15.500 Mann in der Truppe.
Cybersicherheit
Aber zurück zur Neuausrichtung: Tanner will ein Cybersicherheitszentrum in der Armee etablieren. Statt wie gegenwärtig 20 Mitarbeiter, soll das Personal in diesem Bereich künftig 250 Personen umfassen. Die Schwierigkeit sei, diese Leute am Arbeitsmarkt zu bekommen.
Auch die ABC-Abwehr sowie der Katastrophenschutz sollen ausgebaut werden. Die ABC-Abwehr soll von 500 auf 750 Soldaten anwachsen. Und was den Katastrophenschutz angeht, will Tanner Österreich in spezielle „Schutz- und Hilfezonen“ einteilen. Dabei soll jeweils eine Kaserne als Ansprechpartner im Katastrophenfall für zwei bis drei Bezirke dienen.
Apropos Liegenschaften: Die Ressortchefin versprach Investitionen in die Infrastruktur. „Viele Kasernen entsprechen nicht dem Standard der Zeit.“ Diese will sie unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte sanieren und modernisieren. Das Heer verfügt über 287 Liegenschaften, davon 63 aktiv genutzte Kasernen und 360 Millionen Quadratmeter Fläche – davon vier Millionen Quadratmeter dauerhaft genutzt.
Zur insbesondere in Expertenkreisen ventilierten Sorge, man wolle die Armee aller schweren Waffensysteme berauben und damit militärisch „entkernen“, kam vom Generalstabschef die Klarstellung, man halte am „Fähigkeitskern für durchsetzungsfähige Kräfte“ fest.
Allerdings sollten schwere Waffensysteme wie etwa Panzer nur insofern aufrecht erhalten bleiben, als eine Ausbildung darauf künftig möglich bleibt.
Brieger wörtlich: „Wer verteidigen kann, kann auch helfen. Wer nur helfen kann, der kann nicht verteidigen.“