Ludwig an Bund: "Wollen gleich behandelt werden"
Es war ein Termin mit Seltenheitswert: Bürgermeister Michael Ludwig lud Montagvormittag gemeinsam mit den sechs weiteren SPÖ-Mitgliedern der Wiener Stadtregierung zur gemeinsamen Pressekonferenz. Den grünen Koalitionspartner ließ die SPÖ beim demonstrativen Schulterschluss bewusst links liegen.
Motto der Veranstaltung im Wappensaal des Rathauses: „Zusammen sind wir Wien“. Hintergrund: Der schwelende Streit zwischen (türkis-blauem) Bund und (rot-grüner) Stadt um die Reform der Mindestsicherung, die Wien nicht umsetzen will, sollte der Entwurf nicht mehr geändert werden.
Endgültig eskaliert war die Auseinandersetzung nach dem Vorwurf von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz, in immer mehr Wiener Familien würden „nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen“. Er habe den Wienern also sinngemäß unterstellt "Owezahra" zu sein (Stadträtin Ulli Sima). Am vergangenen Wochenende legte FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache beim FPÖ-Neujahrstreffen nach, als er dazu aufforderte „die Sozialisten“ in Wien abzuwählen. Der blaue Klubchef Johann Gudenus möchte Wien gar von der „rot-grünen Fremdherrschaft befreien“. Und auch Kanzleramtsminister bzw. ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel schießt sich im Jahr vor der Wien-Wahl auf Rot-Grün ein. Seitens des Bundes werde also „eine Kampagne gefahren, die man noch selten gesehen hat“, befindet Ludwig.
Apropos Rot-Grün: Der kleinere Koalitionspartner war am Montag nicht eingeladen, was man im grünen Rathausklub jedoch gelassen hinnahm – sei es doch „vollkommen legitim“, dass das SPÖ-Regierungsteam auch einmal alleine auftrete. Von Journalisten nach dem Grund für die grüne Absenz gefragt, antwortete Ludwig: "Wir befinden uns mit dem Koalitionspartner in sehr gutem Einvernehmen. Wir sind aber auch daran interessiert, dass die Bevölkerung das eigenständige Profil der SPÖ wahrnimmt."
Das SPÖ-Regierungsteam trotz voller Terminkalender an einen Tisch, oder in diesem Fall: auf eine Bühne zu bekommen, dürfte ohnehin schwierig genug gewesen sein; zeigt jedoch, dass Ludwig und sein Team nicht willens sind, im Konflikt mit ÖVP und FPÖ auch nur einen Millimeter nachzugeben.
Größter Nettozahler Österreichs
Die Angriffe aus den Reihen der Bundesregierung würden jeglicher Grundlage entbehren, betont der Bürgermeister. Sei Wien doch nicht nur die lebenswerteste Stadt der Welt, sondern auch der größte Nettozahler Österreichs. Ludwig: „Da muss sich der Finanzminister keine Sorgen machen.“
Die Bundeshauptstadt verzeichne mit 844.000 Beschäftigten nicht nur den besten Wert der zweiten Republik und biete nicht nur Arbeitsplätze für 265.000 tägliche Einpendler aus der Ostregion, auch jeder vierte neu geschaffene Job entstehe in Wien, rechnete der Bürgermeister vor. Wien sei als einzige Großstadt Österreichs aber auch in einer Sondersituation. So ziehe die Stadt einerseits besonders hoch qualifizierte Menschen an, andererseits aber auch Menschen auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Dadurch stehe man vor anderen Herausforderungen als der Rest des Landes. Dennoch: Man wolle nicht besser behandelt werden als die anderen Bundesländer, betonte Ludwig. Aber: „Wir wollen gleich behandelt werden.“
Der Hauptteil der Pressekonferenz war dann eine (größtenteils bereits bekannte) Leistungsbilanz des roten Wien. Und zwar wirklich nur des roten Wien: Denn während die Stadträtinnen Kathrin Gaal (Wohnen und Frauen), Ulli Sima (Umwelt und Stadtwerke), Peter Hacker (Soziales und Gesundheit), Veronica Kaup-Hasler (Kultur und Wissenschaft), Jürgen Czernohorszky (Bildung und Integration) und Peter Hanke (Finanzen und Digitalisierung) die bisherigen Errungenschaften und weiteren Pläne in ihren jeweiligen Ressorts erläuterten, fanden die von der Grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou vertretenen – nicht gänzlich unwichtigen – Themen Klimaschutz und Stadtentwicklung inkl. Verkehr keine Erwähnung.
"Seltsamer Samurai"
So stellte Wohnbau-Stadträtin Kathrin Gaal also klar, dass leistbares Wohnen ein Grundrecht sei, und kündigte den Bau eines fünften Frauenhauses an. Umweltstadträtin Ulli Sima verwies auf den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Und Sozialstadtrat Peter Hacker erinnerte daran, dass der Zugang zur Spitzenmedizin in Wien keine Frage des Geldbörsels sei.
Kultur-Ressortchefin Veronica Kaup-Hasler ist bereit, „jedem, der den Wienern das Grundrecht auf Kunst streitig machen will, als seltsamer Samurai gegenüberzutreten“. Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky stellte die Investition von 170 Millionen Euro in 100 neue Schulkassen sowie von 570 Millionen Euro in die Schulsanierung in Aussicht. Und Finanzchef Peter Hanke verwies auf das Nulldefizit 2020 sowie den Plan, 50.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Mindestsicherung neu: Gesetz „nicht fertig“
Besonders ausführlich kam neben dem Bürgermeister wenig überraschend Sozialstadtrat Peter Hacker zu Wort, der erneut auf das aus Wiener Sicht mangelhafte Gesetz zur Neuregelung der Mindestsicherung verwies. Von 140 Stellungnahmen zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz wären 137 negativ ausgefallen, betonte er. Es sei auch „egal, ob Kritik freundlich oder nicht formuliert ist: das Gesetz ist nicht fertig“, sagte Hacker. Und diese Stadtregierung werde „nicht zuschauen, wie 40.000 Kinder in Armut geschickt werden“.
Daher warte er gemeinsam mit den anderen Soziallandesrätinnen „mit großer Ungeduld“ auf einen Gesprächstermin mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), um über die Mindestsicherung neu, die künftig wieder Sozialhilfe heißen soll, zu sprechen. Hacker geht von einem Termin noch „Ende Jänner, spätestens Anfang Februar“ aus.
"Harte Kante"
Punkto Spitzen gegen Türkis-Blau blieb die SPÖ-Riege der Regierung wenig schuldig. Die verbreite „zum Teil falsche Zahlen über Wien“, sagte Ludwig. Statt zu Problemlösungen beizutragen, würden AMS-Mittel gekürzt, die Aktion 20.000 abgeschafft und Deutschkurse gestrichen. Man schaue nicht zu, „wie 40.000 Kinder in die Armut geschickt werden“, verwies Hacker auf „Nachbesserungsbedarf bei der Mindestsicherung“. Und Czernohorszky versprach eine „harte Kante gegen Feinde des sozialen Friedens – egal, ob sie eine IS-Fahne schwenken oder mit Identitären abendessen“.