Lockdown für Ungeimpfte: Rufe nach Aus werden lauter
Seit 15. November des Vorjahres gilt ein Lockdown für Ungeimpfte. Ohne gültigen 2-G-Nachweis kommt man somit nicht in Lokale und Restaurants, kann keine Kulturveranstaltungen besuchen oder shoppen gehen, außer zur Deckung der täglichen Grundbedürfnisse, wie etwa in Supermärkten oder Apotheken.
Aufgrund der hohen Infektionszahlen wurde der Lockdown für Ungeimpfte im Hauptausschuss mit 21. Jänner vorerst um zehn Tage verlängert, gilt also zumindest noch bis 31. Jänner. Die politische Zustimmung nimmt allerdings ab: Die Verlängerung bis Ende Jänner wurde nur noch mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen. SPÖ, FPÖ und Neos sprachen sich dagegen aus.
Am Wochenende berichtete Puls24 mit Verweis auf "Wirtschafts- und Regierungskreise", dass die Regierung derzeit darüber berate, den Lockdown für Ungeimpfte zu beenden und auch die Sperrstunde mit 22 Uhr fallen zu lassen.
Ausschlaggebend für ein Ende dieser Einschränkungen könnte die Omikron-Variante sein, die zwar zu Rekordzahlen bei den Neuinfizierten geführt hat, aber auch zu weniger Covid-Patienten in den Spitälern.
Zur Erinnerung: Der Lockdown für Ungeimpfte wurde damals mit dem Verweis eingeführt, dass man das Gesundheitssystem vor einer Überlastung schützen müsse und dass die Intensivstationen voll ausgelastet seien. Damals wurden rund 600 Patienten intensivmedizinisch betreut. Mit heutigem Stand (Montag) sind es 187.
"Unverhältnismäßig und verfassungswidrig"
Wer schon lange ein Ende des Lockdowns für Ungeimpfte fordert, ist die FPÖ. "Der Lockdown für Ungeimpfte ist sofort aufzuheben. Er ist eine evidenzbefreite Schikane", so Parteichef Herbert Kickl. "Die Auslastung in den Krankenhäusern, ..., gibt eine weitere Einschränkung der Grund-und Freiheitsrechte definitiv nicht her."
Auch die Neos verlangen mit der Einführung der Impfpflicht ein Ende von 2-G und des Lockdowns für Ungeimpfte. Der Lockdown für Ungeimpfte sei "unverhältnismäßig und verfassungswidrig" und in Kombination mit 2-G "eine reine Schikane". Man könne Ungeimpfte nicht weiter zuhause einsperren.
Am Montag stieß Handelsobmann Rainer Trefelik ins selbe Horn: "Die Impfpflicht muss zu einem Ende des Lockdowns für Ungeimpfte und damit auch zu einem Ende der 2-G-Kontrollen im Handel führen."
Applaus gibts dafür von Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will und auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf erklärte am Montag, mit der Impfpflicht müssten Lockerungen einhergehen.
Nehammer: Kein Grund dafür
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein steht einer frühzeitigen Lockerung für Ungeimpfte kritisch gegenüber. Schnell könne sich das Virus wieder unkontrolliert verbreiten und zu einer Überlastung der heimischen Gesundheitswesens führen.
Bundeskanzler Karl Nehammer kann der Forderung des Lockdown-Endes nicht viel abgewinnen. Am Donnerstag stellte er gegenüber Puls24 klar, dass er selbst nach Einführung der Impfpflicht mit Anfang Februar, am Lockdown für Ungeimpfte festhalten werde. Ein solcher Lockdown sei zwar eine "sehr intensive Maßnahme", so Nehammer, aber sinnvoll.
Sinnhaftigkeit
Genau diese Sinnhaftigkeit, genauer die Wirksamkeit, des Lockdowns für Ungeimpfte sei allerdings nur schwer messbar, ließ Komplexititätsforscher Peter Klimek aufhorchen. Anhand von Mobilitätsanalysen versuchte Klimek via einer Untersuchung im November herauszufinden, ob in Bezirken mit niedriger Impfrate die Mobilität stärker zurückgegangen ist, als in Bezirken mit höherer Impfbereitschaft. "Wir hatten erwartet, dass man große Unterschiede sieht. Wir haben es nicht in den Daten gefunden,“ so das Fazit des Komplexititätsforschers.
Entsprechend würden keine eindeutig wissenschaftlichen Belege vorliegen, dass der Lockdown Wirkung zeige.
In diesem Falle wäre diese spezielle Form des Lockdowns laut Verfassungsrechtler Heinz Mayer verfassungswidrig. Auch ihm seien keine Hinweise auf die Wirksamkeit dieser Maßbahme bekannt, betonte der Jurist. Wobei: Ein Problem sei, dass die Maßnahme kaum kontrollierbar sei.
Auch Verfassungsrechtsexperte Benjamin Kneihs von der Universität Salzburg äußert gegenüber dem ORF Salzburg Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Lockdowns für Ungeimpfte. So eine Maßnahme müsse geeignet, erforderlich und im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Heißt: Die Schwere des Eingriffes und der damit erzielte Nutzen müssten in einem vernünftigen Verhältnis stehen.
Wobei Kneihs auch einräumt, dass sich der Lockdown sehr wohl begründen ließe, weil man nämlich "Menschen aus dem Geschehen rausnimmt, die besonders schwere Verläufe produzieren.“
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler kündigte bereits an, den Lockdown für Ungeimpfte verfassungsrechtlich Ende Jänner prüfen zu wollen.
Sinnhaftigkeit hinterfragen
Die Sinnhaftigkeit zumindest hinterfragen will Epidemiologin Eva Schernhammer. Auf der einen Seite würde sie es als falsches Signal werten, in Zeiten stark zunehmender Infektionen den Kurs zu ändern, und damit zu suggerieren, "dass es nichts mehr zu befürchten gibt", sagte sie der Presse. Andererseits sollte mit dem Lockdown für Ungeimpfte eine Überlastung der Spitäler verhindert werden und eine solche sei Österreich aktuell noch nicht zu befürchten.
Verfassungsrechtlich zwischen Geimpften und Ungeimpten zu unterscheiden, sei "zulässig", erklärte Christoph Bezemek, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Graz, im KURIER-Gespräch. Es müsse nur sachlich begründet werden. Absolute Sicherheit, dass die eine Gruppe gefährlich und die andere Gruppe ungefährlich sei, brauche es nicht, so Bezemek: "Die Verfassung verlangt nur, dass es anhand der verfügbaren Daten plausibel ist."
Christiane Druml, Leiterin der Bioethikkommission, hält die Einschränkungen für Ungeimpfte für gerechtfertigt und zulässig. "Solange von Ungeimpften eine größere epidemiologische Gefahr ausgeht, ist das keine unzulässige Ungleichbehandlung", sagt sie gegenüber dem Standard. "Selbst wenn die Impfung nicht hundertprozentig wirkt, bleibt da ein eindeutiger Unterschied. Die eigenen Freiheitsrechte erlauben einem nicht, andere zu gefährden."
Für Epidemiologe Gerald Gartlehner ist der Lockdown für Ungeimpfte ein kleiner Baustein, der allerdings, gemeinsam mit der 2-G-Regel" durchaus imstande sei, Ausbreitung des Virus zu verhindern. Insofern hält er die Beschränkung für "absolut notwendig", solange die Spitäler von Überlastung bedroht sind.