Politik/Inland

Kern entschuldigt sich bei Ex-SPÖ-Wählern

Christian Kern will enttäuschten SPÖ-Stammwählern die Hand reichen. Am Beginn seiner fast zweistündigen Grundsatzrede erklärte der SPÖ-Chef und Bundeskanzler, warum er diese in Wels hält und nicht in einer aktuellen SPÖ-Hochburg. Gerade weil die SPÖ bei den letzten Gemeinderatswahlen in Oberösterreich hier spektakulär verloren habe und die Stadt Wels nun einen blauen Bürgermeister habe, wollte Kern hier in der Welser Messehalle vor rund 1.500 Genossen und Interessierten sprechen. Auch wenn viele bisherige SPÖ-Wähler sich nun für die Freiheitlichen entschieden hätten, seien diese "noch immer unsere Arbeitskollegen", sagte Kern, sie hätten sich trotz ihres veränderten Wahlverhaltens nicht grundsätzlich verändert.

Botschaft an enttäuschte SPÖ-Wähler

Und so sieht Kern seine Rede auch "bewusst als Botschaft an jene, die sich von uns abgewendet haben, die enttäuscht sind oder vielleicht sogar zornig." Als Vorsitzender und Verantwortlicher "dieser stolzen Partei" entschuldigte sich Kern ausdrücklich für die angesprochenen Enttäuschungen. "Ja, ich verstehe eure Enttäuschung", sagte der SPÖ-Chef. "Nicht ihr habt euren Weg verlassen, wir haben unseren Weg verlassen. Es ist nicht eure Schuld, es ist unsere Schuld."

Die SPÖ habe unbequeme Wahrheiten nicht ausreichend angesprochen und sich zu sehr an einer Fortschreibung des Status Quo orientiert. Er sei nicht angetreten, um auf seiner Visitenkarte "Bundeskanzler" stehen zu haben. Er wolle das Land "gerechter machen, gestalten, verändern".

Hierfür hat Kern parallel zu seiner Rede eine knapp 150-seitige Broschüre mit dem Titel "Plan A - für Austria" veröffentlicht, deren Inhalte Sie im Folgenden lesen können.

Aus "New Deal" wird "Plan A"

Mit dem Konzept will Kern den von ihm schon zu Beginn seiner Amtszeit versprochenen "New Deal" umsetzen. Über allem steht für den SPÖ-Chef das Ziel, bis 2020 rund 200.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit Vollbeschäftigung herzustellen.

Ein Bündel von Maßnahmen soll garantieren, dass es einfacher wird, Unternehmen zu gründen und Arbeitsplätze zu schaffen. So sollen die Lohnnebenkosten gesenkt sowie der Föderalismus und die Bürokratie vereinfacht werden. (Zitat: "Wir müssen schnell Schluss mit Kafka machen"). Kern will aber auch Investoren ermutigen, in erneuerbare Energie und den Wohnbau zu investieren. Außerdem will er erreichen, dass in allen Kollektivverträgen ein Mindestlohn von 1500 Euro festgeschrieben wird, wenn nötig, auch ohne entsprechende Einigung der Sozialpartner.

Video-Kommentar von KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter

Alle Inhalte anzeigen

Christian Kerns "Plan A" beinhaltet so manchen Tabubruch. Über die Landesgrenzen hinweg wohl das meiste Aufsehen erregen wird, dass der Kanzler den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt für Bürger ärmerer EU-Staaten einschränken will. Die Begründung für diesen - geltenden europäischen Regelungen widersprechenden - Wunsch liest sich folgendermaßen: "Es macht wenig Sinn, an Dogmen festzuhalten, die für die Bürgerinnen und Bürger der EU keinen sichtbaren Vorteil für ihre Lebenswelt bieten." Was Kern meint ist, dass Länder wie Österreich unter "enormem Zuzug" zu leiden hätten, während die Herkunftsländer mit einem "Brain-Drain" durch die abwanderungswilligen Arbeitskräfte zu kämpfen hätten.

Vorrang für heimische Arbeitskräfte

Daher tritt der Kanzler dafür ein, "in Branchen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit das Instrument der Arbeitsmarktprüfung" wieder einzuführen. Das heißt im Klartext: Bürger aus ökonomisch schwachen Ländern, also vor allem aus ost-europäischen Staaten, erhalten nur dann Zugang, wenn sich keine österreichische Arbeitskraft für den Job findet.

An die Adresse Brüssels gerichtet ist auch die Forderung nach einer Änderung des Stabilitätspakts. Öffentliche Investitionen sollen wie bei Unternehmen über längere Zeit abgeschrieben werden können, was die Einhaltung der Maastricht-Kriterien erleichtern würde.

Ebenfalls nicht so ohne ist, was sich der SPÖ-Chef zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Älterer vorstellt. Kern verspricht eine Beschäftigungsgarantie für Über-50-Jährige, die zumindest ein Jahr keinen Job hatten. Sie sollen in sozio-ökonomischen Branchen, etwa in der Pflege, einen nach Kollektivvertrag entlohnten Job erhalten. Freilich bedeutet dies auch, dass sie bei Verweigerung dieser Tätigkeit Einschränkungen beim Arbeitslosengeld zu erwarten hätten.

Zugeständnis an ÖVP

Der ÖVP entgegen kommt Kern, was die Arbeitszeitflexibilisierung angeht. Diese soll bei Gleitzeit bis zu zwölf Stunden möglich sein, wenn im Gegenzug längere zusammenhängende Freizeitblöcke ermöglicht werden. Arbeitnehmern will der SPÖ-Chef ein Recht auf Arbeitszeit-Wechsel, also zwischen Teil- und Vollzeit einräumen.

Den Sozialpartnern auf die Füße tritt der Vorsitzende mit seiner Drohung, einen Mindestlohn von 1.500 Euro in allen Branchen notfalls auch über einen Regierungsbeschluss erreichen zu wollen. Dem Sozialminister soll die entsprechende Möglichkeit über eine Satzung gegeben werden.

Lohntransparenz

Geht es nach Kern, soll den Österreichern auch ein Gagenstrip bevorstehen. Mittels eines "Lohntransparenzgesetzes" sollen die Arbeitgeber verpflichtet werden, die Einkommen ihrer Mitarbeiter im Betrieb offen zu legen. Damit hofft man unter anderem, Diskriminierungen von Frauen zu verhindern. Apropos Frauen: Vorgesehen ist auch, dass in der Privatwirtschaft in Aufsichtsräten eine 40-Prozent-Quote für Frauen eingezogen wird. In einem weiteren Schritt wünscht sich der Kanzler auch noch Quoten für Leitungsfunktionen.

Ein eigenes Steuerkapitel enthält der "Plan A" nicht, was freilich nicht bedeutet, dass Kern keine Änderungen bei den Abgaben vorhat. Einführen würde er eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, die allerdings erst ab einem Freibetrag von einer Million einsetzen würde, womit 97 bis 98 Prozent der Fälle nicht umfasst wären. Aus den Einnahmen würde der SPÖ-Chef eine jährliche Valorisierung des Pflegegelds sowie eine komplette Streichung des Eigen-Pflegeregresses finanzieren.

Wertschöpfungsabgabe

Ebenfalls auf der Agenda Kerns findet sich - wenngleich nur am Rande - die Wertschöpfungsabgabe. Angeregt wird eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage zum Beispiel "auf fossile Energieträger oder andere Wertschöpfungskomponenten, nicht jedoch auf Abschreibungen und Investitionen". Internationalen Großkonzernen will man über eine Werbeabgabe auf Online-Medien oder eine Strafsteuer für verschobene Gewinne zur Kasse bitten. Zur Stärkung der heimischen Industrie will der Regierungschef über eine verstärkte Einführung von Schutzzöllen diskutieren.

Reparaturprämie

Neu ist die Idee einer Reparaturprämie , die unnötige Neuanschaffungen verhindern soll. Wer zum Beispiel Fahrräder, Schuhe oder Elektrogeräte reparieren lässt, soll bis zu 50 Prozent erstattet bekommen, bis zu 600 Euro pro Person und Jahr. Bauleistungen und Kfz-Reparaturen wären ausgenommen.

Der Wirtschaft entgegenkommen möchte Kern über eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten. Konkret soll der Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds auf die Hälfte gesenkt werden. Mut zum Unternehmertum soll auch über eine Reform des Konkursrechts gemacht werden. Bei Privatkonkursen soll etwa die Mindestquote (derzeit sind zehn Prozent der angehäuften Schulden aus eigener Kraft zu tilgen) entfallen.

Vereinheitlichung bei Unternehmen

Der Vereinfachung dienen soll eine einheitliche Rechtsordnung für Unternehmen. "Überdenken" will Kern den Gebietsschutz bei Apotheken und Notaren. Sparwillen zeigt er mit dem Vorhaben, die gesamtstaatlichen Verwaltungskosten einzufrieren. Zudem plädiert der SPÖ-Chef dafür, alle Gesetze zu befristen, damit überholte Regelungen nicht extra in einem mühsamen Prozess wieder abgeschafft werden müssen.

Auf bekannte SPÖ-Forderungen setzt Kern im Mietrecht. Er verlangt etwa eine gesetzliche Obergrenze für Zuschläge sowie eine Senkung der Betriebskosten, letzteres über den Hebel, dass Grundsteuer und Verwaltungskosten nicht mehr auf Mieter übergewälzt werden dürfen. Bei der Wohnbauförderung soll als Bedingung eine energieeffiziente Bauweise etabliert werden. Setzen will Kern auf Ökostrom. Die geförderte Menge soll bis 2030 um 260 Prozent steigen.

Mehrheitsförderndes Wahlrecht

Zu den potenziell größeren Aufregern des "Plan A" gehören die Vorstellungen von SPÖ-Chef Christian Kern in Sachen Wahlrecht. Sein Vorschlag sieht vor, dass die stimmenstärkste Partei automatisch den Regierungsauftrag erhält und der stimmenstärkste Spitzenkandidat auch gleich Bundeskanzler wird. Innerhalb von einem Monat muss die Regierung stehen.

Bekommt der Kandidat der stärksten Fraktion keine Koalition zusammen, könnte er also zwar als Kanzler angelobt, jedoch vom Nationalrat de facto schnell wieder aus dem Amt gejagt werden. Damit das nicht so leicht wird, ist ein Bonus für die Regierenden vorgesehen. Alle Minister sollen zugleich im Nationalrat tätig und dort auch stimmberechtigt sein.

Freilich soll es auch im Kern-Modell nicht möglich sein, frei zu wählen, wie viele Ressorts eine Regierung etabliert. Im Gegenteil soll die Zahl der Ministerien gegenüber dem Ist-Stand reduziert und dann auch inklusive Kompetenzverteilung in der Verfassung festgeschrieben werden.

Tabubruch in Uni-Politik

Einen innerparteilichen Tabubruch unternimmt Kern, was die Uni-Politik angeht. Der Kanzler setzt auf eine Studienplatzfinanzierung, was in letzter Konsequenz eine Ausweitung der Zugangsbeschränkungen bedeutet. Insgesamt will Kern zwar die Uni-Budgets deutlich erhöhen, doch gibt er ein "klares Bekenntnis", "zukunftsträchtige Studienfächer besser zu finanzieren und auszubauen". Damit gemeint sind vor allem Fächer aus Technik, Naturwissenschaften und Informatik.

Ein Bekenntnis gibt der Kanzler zum Ausbau der Forschungsquote ab. Diese soll um gleich 0,66 Prozent auf 3,76 Prozent steigen. Ein Drittel des Zuwachses soll von der öffentlichen Hand kommen, der Rest von Privaten, wobei etwa eine Erhöhung der Forschungsprämie hilfreich sein soll.

Digitale Bildung ab dem Kindergarten

Bildung beginnt für den SPÖ-Chef im Kindergarten. Dementsprechend will er, dass schon dort Kinder mit Bauklötzen erste Erfahrungen mit Programmieraufgaben machen. In der Volksschule soll es dann eine "digitale Grundbildung" geben. Im fünften Schuljahr wird den Kindern nach Vorstellung Kerns ein Tablet zur Verfügung gestellt, im neunten dann auch noch ein Laptop.

Einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz soll es nach dem Geschmack des Kanzlers bereits ab dem ersten Lebensjahr geben. In einem ersten Ausbau-Schritt empfiehlt Kern ein zweites Gratis-Kindergartenjahr.

Erfahrung an herausfordernden Schulstandorten

In den Schulen setzt der Regierungschef im wesentlichen auf das jüngst koalitionär vereinbarte Paket, speziell auf einen "Chancen-Index", über den Schulen mit ungünstigen Voraussetzungen mehr Mittel erhalten. Darüber hinaus tritt der Kanzler dafür ein, dass die Arbeit an herausfordernden Standorten Voraussetzung für das (spätere) Erreichen leitender Positionen im Schulwesen sein soll. Zudem soll es auch finanzielle Anreize für Lehrer geben, sich an entsprechenden Schulen zu engagieren.

Einige Goodies enthält das Papier für Lehrlinge. Sie sollen den Führerschein und vier Wochen (Auslands-)Sprachaufenthalt gratis erhalten. Fachhochschulen sollen mit dem Ziel gefördert werden, Lehrlinge mit Abschluss aufzunehmen.

Integrationsjahr

Was die Flüchtlingspolitik angeht, bewirbt der SPÖ-Chef das schon seit längerem von seiner Partei vorgeschlagene Integrationsjahr. Außerdem sollen Flüchtlinge verstärkt in Mangelberufen ausgebildet werden. Eindeutig tritt er für ein Verbot salafistischer (Koran-)Verteilaktionen ein. In Frage stellt Kern Hilfen für Länder, die bei der Rücknahme abgelehnter Flüchtlinge nicht kooperieren. Auf der anderen Seite soll es Anreize für Kooperationsbereite geben.

Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen

Herz zeigt der SPÖ-Vorsitzende für die Exekutive. Bei Beleidigung von Polizisten soll es "klare Sanktionen" von der Geldstrafe bis zur gemeinnützigen Arbeit geben. Gesellschaftspolitisch tritt Kern für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen ein.

Maximale Wartezeiten bei Gesundheit

Im Gesundheitsbereich will der Kanzler sicherstellen, dass es für CT-Untersuchungen Wartefristen von maximal zwei Wochen und für MRT-Untersuchungen von höchstens vier Wochen gibt. Annehmen will er sich auch psychisch Kranker. Das Kontingent von kostenlosen Betreuungseinheiten soll um 50 Prozent erhöht werden. Dies und andere Verbesserungen sollen über eine Rücklagenauflösung in der Sozialversicherung erreicht werden. Bei Selbstständigen soll in der Krankenversicherung ihr Selbstbehalt wegfallen.

Kosten von 8,5 Milliarden Euro

Was die Finanzierung des Kern-Papiers angeht, spricht der Kanzler selbst von Ausgaben im Bereich von 8,5 Milliarden Euro. Über Einsparungen, "gerechte Steuern" und Konjunktureffekte soll aber mit 8,7 Milliarden sogar ein Überschuss erzielt werden.

Gestaltet ist der "Plan A" als offenes Konzept. Das heißt, Rückmeldungen sind erwünscht, Verbesserungsvorschläge willkommen. Dass sich nicht alles sofort und schon gar nicht in einer Koalition umsetzen lassen wird, stellt Kern klar. Von einem Wahlprogramm will der SPÖ-Chef nicht sprechen, aber angesichts der Breite des Papiers ist davon auszugehen, dass man wohl mit dem Papier in einen allfälligen Urnengang 2017 ziehen würde.

(APA)

ÖVP-Generalsekretär Werner Amon hat in der Rede von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern eine "Fülle" an Punkten erkannt, die morgen umgesetzt werden könnten: "Wir begrüßen das sehr", sagte er am Mittwochabend am Rande der ÖVP-Klubklausur in Pöllauberg gegenüber Journalisten. Natürlich gebe es auch Bereiche, bei denen die ÖVP nicht mitkönne, Details ließ er auf Nachfrage jedoch aus.

"Es wurde eine Reihe von Themen aufgegriffen, die wir vorgegeben haben", nannte Amon etwa die Einkommens- und Lohnsteuersenkung oder die Lohnnebenkostensenkung, die Entrümpelung der Vorschriften für Unternehmen und die Reform des Arbeitsinspektorats. Sicher gebe es auch für die ÖVP heikle Punkte, wie der Generalsekretär einräumte: "Aber das ist klar bei einer langen Rede, die der Vorsitzende der Sozialdemokratie hält." Grundsätzlich ortet Amon aber einen "sehr schönen Sukkus", der die Arbeit der nächsten Jahre bestimmen kann.

Angesprochen auf Vermögenssteuern, meinte der Generalsekretär: "Zusätzliche Belastungen, die angesprochen wurden, werden eher ein Thema, mit denen der SPÖ-Vorsitzende in den Wahlkampf 2018 ziehen wird." Amon sah "definitiv eine Rede zum Weiterarbeiten": "Es gibt eine ordentliche Schnittmenge an Gemeinsamkeiten. Da sollten wir rasch daran gehen, das umzusetzen." Auf die Punkte, die der ÖVP widerstreben könnten, ging Amon nicht ein. Kritik wollte er auch nicht üben, zumal es sich um eine Parteiveranstaltung gehandelt habe, mit Punkten für die "eigene Klientel".

Diskutieren werde man mit dem Koalitionspartner noch über die von der ÖVP geforderte Senkung der Obergrenze für Asylanträge. Der Bundeskanzler habe aber "erkennen lassen", dass er die Problematik sehe. Amon rechnet daher mit einer konstruktiven Lösung.

Die Erwartungen an die Rede nicht erfüllt sah FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, auch vermisste er "Feuer und Emotion": "Insgesamt hat der SPÖ-Chef mit wenigen Ausnahmen altbekannte Hüte der SPÖ neu verkauft", befand Kickl in einer Aussendung. "Von der Frauenquote über die Erbschaftssteuer bis hin zu ein paar 'Zuckerln' für den Koalitionspartner: Ob dieses Angebot quer durch den politischen Gemüsegarten schlussendlich wirklich als kanzlertaugliches Programm gelten kann, wird spätestens bei der kommenden Nationalratswahl beantwortet werden."

Gesprächsbereit zeigte sich die FPÖ, künftig die heimischen Arbeitnehmer stärker gegenüber der osteuropäischen Konkurrenz zu schützen.

NEOS-Chef Matthias Strolz sah Kerns Rede "von einem 'New Deal' oder eben 'Plan A' (...) weit entfernt". Es fehle das klare Bekenntnis zu Freiheit, Eigenverantwortung, Risikobereitschaft und Mut.

"Unterm Strich präsentiert Kern Maßnahmen für eine sozialistische Vollkasko- und Versorgungsgesellschaft." Kern wünsche sich eine "staatlich verordnete Vollbeschäftigung", meinte Strolz. "Protektionismus, Strafzölle und das Aushebeln europäischer Grundwerte beim Wunsch, die Personenfreizügigkeit einschränken zu wollen, sind mit freiem Handel und vor allem einem freien Europa nicht vereinbar. Mit diesem Versuch, einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben, erinnert er phasenweise an den blauen Oppositionsführer."

Eine der ersten kritischen Reaktionen auf Kerns Rede ist Mittwochabend ausgerechnet aus den eigenen Reihen gekommen: Der VSStÖ (Verband Sozialistischer Student_innen) ortete in der Forderung nach einer Studienplatzfinanzierung einen "deutlichen Angriff auf den offenen und freien Hochschulzugang".

Kern will einen Ausbau der Studienplatzfinanzierung mit Vorteilen für naturwissenschaftliche Fächer. Die SPÖ verabschiede sich damit "de facto vom freien Hochschulzugang", schrieb der VSStÖ in einer Aussendung, die noch während des knapp zweistündigen Auftritts des SPÖ-Chefs veröffentlicht wurde. Der freie Hochschulzugang stelle eine "Errungenschaft der Kreisky Ära" dar, "von der auch Kern selbst noch als Student profitiert hat und diese nun mit Füßen tritt", so die Kritik. Erfreulich sei indes, dass viele langjährige VSStÖ-Forderungen "endlich in der SPÖ Beachtung finden", etwa ein verstärktes digitales Orientierungsangebot während der Schulzeit und Bestrebungen, den Hochschulzugang für Lehrlinge zu erleichtern.

Es ist eine Art "Fern-Duell" mit dem die Regierungsspitze das politische neue Jahr so richtig eröffnet. Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) traten heute öffentlich an, um den ein oder anderen Pflock einzuschlagen.

Mitterlehner legte am Vormittag bei der ÖVP-Klubklausur im steirischen Pöllauberg vor. Durchaus überraschend forderte der ÖVP-Chef eine Halbierung der Obergrenze für Asylwerber auf heuer 17.500. Der Auftritt des von SPÖ-Chef Christian Kern wurde sogar im Fernsehen live übertragen (auf Puls 4).

Auffällige Inszenierung

Auffällig war jedenfalls die Inszenierung der heutigen Veranstaltung, zu der immerhin 1.500 Interessierte - vor allem eigene Funktionäre, aber auch Welser Bürger - erwartet werden. Das begann schon bei der Auswahl des Tagsungsorts. Wels, die einstige rote Hochburg, war ja bei den vergangenen Gemeinderatswahlen der FPÖ zugefallen. Dass sich Kern nun für seine Grundsatz-Rede die zweit größte oberösterreichische Stadt aussucht, ist also kein Zufall. Ebenso als Signal, Wels zurückzuerobern gilt, dass per Postwurf alle Bürger der Stadt zu dem Event in der Messe eingeladen wurden. Dass derzeit in der SPÖ einer Art Personenkult gehuldigt wird, zeigt sich auch daran, dass außer Kern niemand auf die Bühne gelassen wird, weder Vorredner noch Moderator. Gerade einmal ein Video bildet den Rahmen. Immerhin: im Anschluss wird das Parteivolk noch die Gelegenheit haben, sich mit dem Chef auszutauschen.

Bei einem vom Parlamentsklub gegebenen Empfang wird Kern Interessierten für Gespräche zur Verfügung stehen - so lange, bis er mit einem Auftritt in der "Zeit im Bild 2" eine einige Tage andauernde Medien-Offensive beginnt.