Laut, links, sozialdemokratisch: Wo sind Österreichs Kühnerts?
In Deutschland hat Kevin Kühnert den linken Flügel der Sozialdemokratie jüngst wieder prominent in die öffentliche Debatte gehoben. Seine Forderung nach einer Kollektivierung großer Unternehmen wie BMW „auf demokratischem Wege“, die er in der Zeit erhob, garantierte ihm Aufmerksamkeit sowohl von Parteifreunden als auch von politischen Gegnern.
Weswegen sich die Frage stellt: Wo sind hierzulande die linken und lauten Sozialdemokraten?
Ein Name drängt sich im Zuge der Kühnert-Debatte sogleich auf: Julia Herr. Die 26-jährige Chefin der Sozialistischen Jugend sagte im KURIER-Interview ebenfalls, „dass wir derzeit in einem Wirtschaftssystem leben, das nicht demokratisch funktioniert“. Konkret wünscht sich Herr neben einem staatlichen Rückkaufsrecht für privatisierte Unternehmen etwa staatliches Mehrheitseigentum an kritischer Infrastruktur (Strom- und Wasserversorgung, Telekommunikation) und Investitionen in den „Aufbau einer grünen Industrie“.
Von einem anderen hört man momentan weniger. Max Lercher war unter Kanzler Christian Kern SPÖ-Bundesgeschäftsführer, musste aber im September 2018 Thomas Drozda weichen. Mittlerweile leitet der 32-Jährige die im SPÖ-Besitz befindliche Leykam Medien AG – und meint im KURIER-Gespräch auch, Kühnert habe „einen Punkt getroffen“. Zwar will Lecher wie Herr nicht von Verstaatlichungen reden. Sehr wohl aber darüber, „in welchen Bereichen es keine Privatisierung braucht“ – etwa Wasser, öffentliches Wohneigentum oder Daseinsvorsorge.
Verteilungskampf
Generell müsse der „große Anspruch der modernen Linken“ sein, die Frage der Verteilungsgerechtigkeit an die erste Stelle zu rücken. Lercher tut das im Lokalen: Beim politischen Aschermittwoch seiner SPÖ Obersteiermark West plädierte er für eine kämpferische SPÖ und eine Arbeiterquote in den Parteistrukturen. Im Publikum: Julia Herr.
Für viel Aufmerksamkeit sorgt derzeit wiederum Erich Fenninger, Volkshilfe-Direktor und früherer Leiter des SPÖ-„Freundeskreises“ im ORF-Stiftungsrat. Im April zeltete er in allen Landeshauptstädten, um gegen die neue Sozialhilfe zu protestieren, dieses Wochenende diskutiert er auf dem „Marx is Muss“-Kongress der Linkswende über das Thema „Radikal links auf der Straße und im Parlament“.
Das Thema Mindestsicherung ist eines, das auch Peter Hacker auf Touren bringt. Der Wiener Sozialstadtrat kämpft unermüdlich gegen die neue Sozialhilfe („echter Wahnwitz“) und erneuerte erst vor zwei Wochen am Landesparteitag seine Ankündigung, das Gesetz in der bestehenden Form nicht umsetzen zu wollen.
Die Migrationspolitik ist ein Spezialgebiet des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler. Im Flüchtlingsjahr 2015 prangerte er die massive Überbelegung des nunmehrigen „Ausreisezentrums“ in seiner Stadt an, und kritisierte seinen damaligen Parteichef Werner Faymann, dass die SPÖ unter ihm den Kontakt zur Basis verloren habe. Heute, ohne Faymann und Überbelegung, lässt er es medial ruhiger angehen.