Politik/Inland

Kurz über "Oarsch" Mitterlehner, "Hirtenhund" Strache, Chats und Peking-Enten

Ein Jahr nach seinem Polit-Rückzug meldet sich Sebastian Kurz zurück. Diesmal nicht mit seinen Beteiligungen als Unternehmer, sondern in Buchform.

Entstanden ist das Buch zwischen 6. März und 18. August 2022, wie Krone-Kolumnistin und Buch-Autorin Conny Bischofberger im Vorwort schreibt.

24 Treffen mit Sebastian Kurz habe es gegeben, wenn nicht persönlich im Wiener Hotel Meridien, dann telefonisch. 24 Kapitel sind daraus geworden, deren Inhalte Polit-Interessierten mehr oder minder bekannt vorkommen dürften - schließlich war der erste Integrationsstaatssekretär der II. Republik,  jüngste Außenminister der Welt und Kanzler der türkis-blauen und türkis-grünen Koalition über zehn Jahre in der Politik.

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Das Buch des Message-Control-Erfinders der türkisen Volkspartei kommt ohne Fotos aus. Die sollen womöglich bei der Lektüre der 240 in Ich-Form gehaltenen Seiten entstehen.

Wenn seine Kindheit geschildert wird und seine jetzige Vaterschaft ("... ich denke mir manchmal, mich würde der Schlag treffen, wenn Konstantin sich an einen Schäferhund dranhängt und sich von ihm durch den Garten schleifen lässt, so wie ich es als Kind geliebt habe").

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Und wenn es um seinen ersten Wahlerfolg 2017 (31,5 Prozent der Stimmen, + 7,5 Prozentpunkte) als Chef der ÖVP geht ("Dann umarmten wir uns alle. Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich alle aus meinem Team umarmt habe.").

Bis dato unbekannte Einblicke oder persönliche Sichtweisen auf seine Person und Politik? Kaum und wenn, dann sehr gewollt wirkend platziert.

Studienabbrecher Kurz fehlen noch drei Prüfungen für sein Jus-Studium, doch er gedenkt nicht, es abzuschließen. Die beste Peking-Ente esse man in New York City, und neben dem Kreisky-Zimmer im Bundeskanzleramt habe er in einem kleinen Raum manchmal ein paar Stunden geschlafen.

Selbstreflexion oder gar -kritik? Fehlanzeige.

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Der heute 36-Jährige wollte nie in die Politik gehen und schließt ein Comeback dezidiert aus. "Mein Rückzug aus der Politik ist endgültig. Für mich spielt Innenpolitik kaum mehr eine Rolle." Dafür immer noch das Arbeiten in Teams. Bis heute sei er, das Einzelkind, "keiner, der für Einsamkeit geschaffen ist" und "jemand, der nur in Teams funktioniert und das Schlimmste wäre, wenn ich mich als Einzelkämpfer durchs Leben schlagen müsste".

Kurz arbeitet heute mit Ex-ÖVP-Spender und Investor Alexander Schütz oder dem Ex-Chef des Technologieunternehmens NSO Shalev Hulio sowie für Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer Peter Thiel. ("Thiel ist überzeugter Republikaner, ein sehr meinungsstarker Libertärer. Ich mag Menschen mit klaren Überzeugungen, vielleicht verbindet uns das. Außerdem genieße ich es, verschiedene Meinungen und Blickwinkel auf die Welt zu diskutieren.")

Bemerkenswert: In "Reden wir über Politik" räumen Kurz und Bischofberger dem Ex-Formel-1-Weltmeister und Airline-Gründer Niki Lauda ebenso viel Platz ein wie "Ibiza" oder der "Message Control".

Dass Kurz' Treffen mit den Staatspräsidenten der USA, Chinas oder Russlands eigene Kapitel gewidmet sind, passt ins Bild des Unternehmers Sebastian Kurz, der seine internationale Geschäftstätigkeit forcieren will.

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Man liest darin viel bereits Bekanntes über seine Begegnungen mit und Haltungen zu Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping oder Angela Merkel ("Sie hätte es aber vielleicht lieber gehabt, wenn wir noch öfter einer Meinung gewesen wären. Ich habe den Austausch mit ihr sehr geschätzt.").

Über die Gründe, warum Sebastian Kurz nicht mehr in der Politik ist, wie er en detail die Chat-Affäre erlebt (hat) und welche Schlüsse er daraus zieht, erfährt man nichts, was Kurz nicht bereits in Interviews erzählt hätte. Die Meinungsforscherinnen Sophie Karmasin und Sabine Beinschab kommen auf den über 200 Seiten gar nicht erst vor. Dafür seine Vorgänger, Konkurrenten und Koalitionspartner.

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Sebastian Kurz über Ex-Vizekanzler und Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und die Chats:

"Bei all dem, was auch ich in den Chats geschrieben habe, gibt es in meinen Augen eigentlich nur eine einzige Nachricht, die man mir vorwerfen kann. Und zwar, dass ich über meinen Vorgänger Reinhold Mitterlehner bestätigend geschrieben habe, er sei ein 'Oarsch'."

... über seine Vorgänger in der ÖVP:

"Mit allen vorherigen Parteichefs - Michael Spindelegger, Sepp Pröll, Willi Molterer, Wolfgang Schüssel - hatte ich immer ein exzellentes Verhältnis. Nicht so mit Reinhold Mitterlehner. Für mich war das kein großes Thema. Ich wünsche ihm bis heute nichts Schlechtes, sondern alles Gute und daher finde ich es ein bisschen schade, dass er anscheinend über manches noch immer nicht hinweggekommen ist."

... über Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und die türkis-blaue Koalition:

"Über Heinz-Christian Strache und das FPÖ-Regierungsteam werde ich nichts Schlechtes sagen. Wir sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, kommen aus sehr unterschiedlichen Parteien, wir haben weder dieselbe Prägung noch dieselben Überzeugungen, aber wir haben über einen bestimmten Zeitraum hinweg gut zusammengearbeitet. Auf das, was in dieser Zeit erreicht wurde und in dieser Regierung gelungen ist, bin ich sehr stolz. Und das kann auch Heinz-Christian Strache sein."

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... über Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler nach Kurz' Rücktritt:

"Ich habe Werner Kogler später noch einmal im Parlament getroffen und wir haben ein längeres Gespräch geführt. Dabei hatte ich den Eindruck, dass ihm die Situation fast ein bisschen unangenehm war. Bei Werner Kogler war das immer an dem dann eintretenden leichten Tänzeln erkennbar. Er hatte mir ja von heute auf morgen über die Medien ausgerichtet, dass ich nicht mehr amtsfähig sei."

... über die "Message Control" der türkisen Volkspartei:

"Es gab immer wieder den Vorwurf, wir würden die mediale Berichterstattung kontrollieren wollen. Das war so nicht richtig. Es ging schlicht und ergreifend um den Versuch, Widersprüche, die es naturgemäß ständig gibt - nicht nur zwischen verschiedenen Parteien, sondern auch zwischen verschiedenen Fachgebieten -, zunächst intern zu klären, dann eine gemeinsame Linie zu finden und diese erst danach öffentlich zu kommunizieren."

... über die Sideletters:

"Alle, die schon einmal politische Verantwortung übernommen haben, wissen sehr wohl, dass es notwendig ist, Vereinbarungen zu treffen, weil es in der Zusammenarbeit sonst ständig zu Streit käme. Genauso, wie man einen Kaufvertrag nicht abschließen kann, ohne den Preis zu vereinbaren, genauso kann man auch keine Koalition vereinbaren."

... über Strache bei Verhandlungen:

"Heinz-Christian Strache umkreiste seine Herde stets wie ein Hirtenhund."

... über die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft:

"Rückblickend gesehen war es wahrscheinlich ein Fehler, sich mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anzulegen, zumindest für mich persönlich. Auf der anderen Seite bereue ich es auch nicht, gewisse Aussagen getätigt zu haben."