Rot-Schwarz Neu: Wer in, wer out ist
In der ersten Dezember-Woche soll er besiegelt werden – der neue rot-schwarze Pakt. Sieben Wochen haben die Frontmänner Werner Faymann und Michael Spindelegger Zeit, ihren Bund inhaltlich und personell zu liften. Acht Verhandlungsgruppen haben die beiden zusammengestellt. Am Dienstag präsentierten sie den Fahrplan zur Koalition neuen Stils, in der es – wie bereits beschlossen – je einen Posten weniger geben wird.
"Ich bleibe dabei, dass ich gerne Gesundheitsminister bleiben würde." - Alois Stöger SPÖ-Ressortchef
Wer verhandelt, gibt Aufschluss darüber, welche Rolle er fortan spielen könnte. Von der SPÖ sind alle Minister mit von der Partie (außer Claudia Schmied, die aufhört). Sie dürften erneut mitregieren – in teils anderen Funktionen. So soll Medienstaatssekretär Josef Ostermayer zum Kanzleramtsminister aufsteigen, und die Beamten-Agenden von Gabriele Heinisch-Hosek übernehmen. Diese soll weiterhin für Frauenbelange und künftig auch für Bildung zuständig sein. Der als Ablöse-Kandidat gehandelte Gesundheitsminister Alois Stöger könnte das Amt behalten, weil es doch nicht dem Sozialressort zugeschlagen wird. Vielmehr wird sich bei der ÖVP tun. Als fix gilt, dass Beatrix Karl (Justiz) und Nikolaus Berlakovich (Umwelt, Landwirtschaft) Minister-Geschichte sind. Dass Karlheinz Töchterle Wissenschaftsminister bleibt, ist unwahrscheinlich. Alle drei sind auch nicht im 13-köpfigen ÖVP-Verhandlungsteam.
In dem sitzt zwar Finanzministerin Maria Fekter. Sie leitet aber keine der acht Arbeitsgruppen. Jene für Finanzen führt von schwarzer Seite Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer an. Ressortchefin Fekter darf ihm assistieren. Ein Signal, dass die streitbare Ministerin aus dem Finanzressort abgezogen wird? Spindelegger bestreitet das: „Aus dem kann man nichts ableiten.“ Ein Pflicht-Dementi. Faktum ist: Spindelegger liebäugelt (wie berichtet) damit, vom Außen- in das Finanzministerium zu übersiedeln. Fekter, ansonsten nicht mundfaul, schwieg gestern.
Ein anderes Ressort könnte ebenfalls neu besetzt werden. Nicht der jetzt zuständige Minister Reinhold Mitterlehner darf die Bereiche Wirtschaft und Arbeitsmarkt (mit seinem bewährten SP-Gegenüber Rudolf Hundstorfer) verhandeln, das hat Spindelegger Wirtschaftskammerboss Christoph Leitl übertragen. Ihm werden jedenfalls Minister-Ambitionen nachgesagt (Wirtschaft oder Außenpolitik). Mitterlehner ist auch bei anderen Themen seines Ressorts außen vor. In Sachen Jugend, Familie verhandelt Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz, der bald Minister sein wird. Mitterlehner selbst muss sich – mit Hundstorfer als Vis-a-vis – mit „Länger gesund leben“ (Soziales, Pensionen, Gesundheit, Pflege) beschäftigen; Themen, die zu SPÖ-Ministerien gehören. Entsprechend übellaunig wirkte Mitterlehner vor der gestrigen Regierungssitzung.
Nicht auf ein Ministeramt spitzen die Landeshauptleute Pühringer (Oberösterreich) und Wilfried Haslauer (Salzburg). In der ÖVP heißt es, dass ihre Nominierung mehrere Gründe habe: Pühringer müsse sich nun um die Bundesfinanzen kümmern, könne damit nicht nur auf die Länderinteressen schauen.
Dass Haslauer die Bildung verhandelt, soll zeigen, dass die ÖVP vom Blockierer-Image weg will. Es hat aber noch einen anderen Zweck: Haslauer solle sehen, wie schwierig es ist, die eigenen Leute von Gesamtschule & Co zu überzeugen (siehe rechts).
Im Übrigen gilt für Pühringer, Haslauer und Leitl: Man binde sie ein, damit sie nicht von außen keppeln. Sie sollten nicht reden, sondern tun.
Viel geredet wurde in den vergangenen Jahren über eine Verwaltungsreform. Die wird auch jetzt avisiert. Betraut damit – „Direkte Demokratie“ inklusive – sind der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl und ÖVP-Seniorenbund-Chef Andreas Khol.
Faymann und Spindelegger hatten schon vor der Wahl ein Demokratiepaket (mehr Mitsprache der Bürger) abschicken wollen. Sie scheiterten am breiten Widerstand. Einer der erbittertsten Gegner war Andreas Khol.
Es lasse sich nichts daraus ableiten, welcher Politiker welche Themen verhandle, betonte ÖVP-Chef Michael Spindelegger. Dennoch: Ein Verhandler aus den Reihen der Volkspartei sticht hervor: Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer.
Haslauer muss das ideologisch giftigste Thema für die alte und neue Koalition, die Bildungsreform verhandeln. Also über die gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen, Ganztagsschule – und Lehrerdienstrecht.
Haslauer Nominierung wird positiv gesehen, er gilt in Bildungsfragen als eher progressiv. Und damit steht er oft im Widerspruch zur Position der Bundespartei: Die achtjährige Langform des Gymnasiums solle etwa nur „für spezielle Bildungsbiografien“ bleiben, hatte er bereits erklärt, generell bräuchten Gymnasien keine Unterstufe, „dort reicht die Neue Mittelschule aus“. Und im Salzburger Koalitionsabkommen will er eine „Verbesserung des flächendeckenden Angebots der Ganztagsschulen“ ebenso wie ein „flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuung“.
Der Salzburger Landeschef ist aber auch Teil der neuen schwarzen „Westachse“, gemeinsam mit den ÖVP-Landeshauptleuten Platter (Tirol) und Wallner (Vorarlberg). „Zusammen haben wir mehr Einwohner als Niederösterreich“, erklärte Haslauer dazu im Juli. Der Seitenhieb auf den besonderen Einfluss von Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll auf die Bundespartei war deutlich herauszuhören.
Aus der ÖVP ist aber auch zu hören, dass Haslauer mit Absicht für das schwierige Thema verantwortlich gemacht wird. Denn er muss nicht nur eine Einigung mit seinem SPÖ-Pendant Gabriele Heinisch-Hosek erzielen, sondern auch die Zustimmung in seiner eigenen Partei – und vor allem von der Lehrergewerkschaft – bekommen. Scheitert er, wäre das wohl auch zum Schaden der noch jungen „Westachse“.
Offen ist, was bei den Budgetchefverhandlern Andreas Schieder (SPÖ) und Josef Pühringer (ÖVP) zu erwarten ist. Viel Spielraum haben sie nicht, ab 2016 soll ein ausgeglichenes Budget erreicht werden. Neue Steuern hat die ÖVP bisher ausgeschlossen, die SPÖ will eine Steuerentlastung schon 2015. Einig ist man sich, dass das Budget 2014 „zügig“ verhandelt werden soll. Von drohender Zahlungsunfähigkeit wie in den USA ist keine Rede mehr – solche Schreckensmeldungen waren Maria Fekter vorbehalten .
Der eine gelobte: „Kleinkarierte Streitereien werden in den Hintergrund treten“ – zugunsten „spürbaren Einsatzes für Rot-Weiß-Rot“. Der andere versprach, „nicht auf Konfrontation und Abgrenzung zu setzen, sondern auf Gemeinsamkeit“. Werner Faymann und Michael Spindelegger steuern zwei Wochen nach dem schlechtesten Wahlergebnis aller Zeiten für Rot-Schwarz auf eine Neuauflage von Rot-Schwarz zu.
Das Revival einer Polit-Ehe, in der sich am Ende bald keiner mehr riechen konnte, ist alternativlos. Alle anderen Paarungen (Rot-Blau) oder Dreier-Varianten (Schwarz-Blau-Stronach) wären Harakiri mit Anlauf. Ein No-Go für beide bleibt eine Vernunftehe zu dritt mit Grün oder den Neos. Das Neue an der kleinsten Großen Koalition muss man daher weiter mit der Lupe suchen.
Es findet sich bis jetzt nur im Kleingedruckten. Diesmal müssen schon am Verhandlungstisch jene mitreden, die in beiden Koalitionsparteien als lästige Zurufer von außen verschrien sind: Auf ÖVP-Seite zuvorderst Wirtschaftskammerchef und „Mister Abgesandelt“ Christoph Leitl; auf SPÖ-Seite deren pragmatisiertes „linkes Gewissen“, Oberösterreichs Noch-Parteichef Josef Ackerl.
Überraschend neue Signale kommen auch aus der Gewerkschaft. Er wolle den Verhandlern „keine Betonpatscherln“ verpassen, proklamiert Wolfgang Katzian, Fraktionschef der mächtigen Sozialistischen Gewerkschafter. Das ist doppelt bemerkenswert. Von sich selber als „Betonierer“ sprach bislang nur Beamtenboss Fritz Neugebauer, allerdings nur, um es empört von sich zu weisen. Der Beton, den Katzian & Co (noch) nicht anrühren wollen, kann nur sein: Ohne Vermögenssteuern ist mit uns keine neue Koalition zu machen. Betonierer gehen auf Pause; und Muppets steigen herab vom Balkon, um eine tragende Rolle auf der Bühne zu spielen – das ist noch lange keine Koalition neu, aber ein erster Lichtblick.