Politik/Inland

Kickls Kabinettschef soll "intensiven" Kontakt zu Sellner gepflegt haben

Montag, 25. März 2019: Sieben Beamte des Bundesamtes für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung klingeln um 13:12 Uhr an Martin Sellners Tür. Der Chef der Identitären Bewegung Österreichs hatte zuvor vom rechtsextremen Christchurch-Attentäter, der Mitte März bei einem Amoklauf in zwei neuseeländischen Moscheen über 50 Menschen getötet hatte, eine Spende über 1.500 Euro erhalten. "Wenn Du mal nach Wien kommst, müssen wir einen Kaffee oder ein Bier trinken gehen", schreibt Sellner in einer Dankesmail.

Eben dieses Mail zwischen ihm und dem Christchurch-Attentäter löscht Sellner 40 Minuten vor der Hausdurchsuchung. Geschlagene zwölf Minuten müssen die Beamten vor der Eingangstür ausharren, ehe sie endlich Zutritt zu Sellners Wohnung bekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser längst sein Handy in einem Blumentopf versteckt.

Ein Zufall? Daran glaubt die Staatsanwaltschaft Wien nicht, die Justiz ermittelt. Es steht der Verdacht im Raum, Sellner könnte vor der Razzia gewarnt worden sein. Wie der KURIER bereits berichtet hat, geriet dabei vor allem Herbert Kickls ehemaliger Kabinettschef Reinhard Teufel, ins Visier. Dass Teufel dem Identitären vor der Hausdurchsuchung Bescheid gegeben habe, bestritt der Freiheitliche stets.

Wie die Tageszeitung Österreich nun aus einem nicht veröffentlichtem Zwischenbericht des BVT zitiert, soll die Auswertung der beiden Handys von Martin Sellner gezeigt haben, dass Sellner "intensiven Kontakt" mit Teufel gepflegt haben soll. Bis mindestens Ende 2017 habe es "regelmäßigen" Austausch zwischen den beiden gegeben.

Im August behauptete Teufel, den Rechtsextremen in seiner Zeit als Büroleiter von Ex-Sportminister und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einmal getroffen zu haben. "Ich habe bereits am 2. August in einem Telefonat mit der Zeitung Österreich dazu alles gesagt“, so Teufel via Aussendung, "nämlich, dass ich in meiner Zeit als Büroleiter von FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache Kontakt mit verschiedensten Bürgerbewegungen und Gruppierungen hatte, darunter auch ein persönliches Treffen mit Herrn Sellner im Jahr 2015. Danach hat er mir hin und wieder Nachrichten auf mein Handy geschickt, die ich fallweise auch beantwortet habe.“

Teufel bestreitet die Vorwürfe und sieht in dem Bericht einen "Skandalisierungsversuch ohne neue Erkenntnisse" und geht gar zum Gegenangriff über, nämlich contra BVT. Einmal mehr offenbare sich das Grundproblem des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, das darin bestehe, dass vertrauliche Informationen regelmäßig Medien zugespielt würden.

Am Samtag erst berichteten das Nachrichtenmagazin profil und das Ö1-Mittagsjournal, dass Kickl seinem Kabinettschef genehmigt haben soll, ausgiebig mit einem Dienstwagen unterwegs sein zu können.

Phalanx Europa-Shirt für Jenewein

Eine weitere Verbindung zwischen den Identitären und den Freiheitlichen erwähnt der Österreich-Artikel. So soll der Verfassungsschutz geklärt haben, dass der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Hans-Jörg Jenewein in Sellners Daten als Käufer eines "Phalanx Europa"-T-Shirts gelistet ist, auf dem das Symbol der Identitären abgebildet ist.

Jenewein hat am Sonntag per Aussendung bestätigt, dass er ein T-Shirt der Marke "Phalanx Europa" bestellt hat, die den Identitären zugeordnet wird. Dies sei entweder 2015 oder 2016 und damit zu einem Zeitpunkt geschehen, als die Identitären noch von keiner Seite als problematisch eingestuft worden seien. Auch zeige das T-Shirt, das Jenewein auf Social Media postete, kein Symbol der Identitären sondern "das Siegel der ersten deutschsprachigen Freiheitsbewegung aus dem Jahr 1815".

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ÖVP: Identitäre verbieten

Nach Berichten ist ein türkis-blauer Schlagabtausch entbrannt. VP-Generalsekretär Karl Nehammer fordert von FP-Obmann Norbert Hofer Taten. Sein freiheitliches Pendant Christian Hafenecker empfahl der Volkspartei, vor der eigenen Tür zu kehren.

Hofer müsse zeigen, wie ernst es ihm mit seinen Ankündigungen sei. Denn dieser habe vor einiger Zeit gemeint, dass eine Verbindung zu den Identitären und eine Aktivität in der FPÖ unvereinbar seien. Nun brauche es Konsequenzen für Teufel und Wiens nicht amtsführende Stadträtin Ursula Stenzel, die bei einer Identitären-Demonstration als Rednerin aufgetreten war.

Scharf reagierte darauf Hafenecker: Er fühlte sich an die "Auswirkungen der Karlsbader Beschlüsse" erinnert, die in der sogenannten "Demagogenverfolgung" geendet hätten. Die Freiheitliche Partei und ihr Obmann benötigten sicherlich keine Zurufe von außen, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Dies gelte umso mehr, wenn es sich wie im Fall Teufel um einen Mitarbeiter handle, dessen Aufgabe es gewesen sei, sich um Bürgeranfragen, somit auch um die des Identitären-Chefs Martin Sellner, an den ehemaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu kümmern. Hafenecker empfiehlt Nehammer, dass dieser sich lieber um die Buchhaltung seiner Partei kümmern solle.

Die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz kritisierte, dass der regelmäßige Austausch zwischen FPÖ und Identitären zeige, dass die immer wieder beteuerte Distanzierung der Freiheitlichen von der rechtsextremen Gruppe mehr als unglaubwürdig sei. Die ÖVP müsse nun endlich Farbe bekennen und eine Neuauflage einer Koalition mit den Freiheitlichen ausschließen: "Ansonsten ist sie in ihren Schnellschuss-Initiativen gegen die Identitären unglaubwürdig", findet Schatz. Nehammer hatte davor neuerlich für ein Verbot der Identitären geworben.