Politik/Inland

Karfreitagsregelung diskriminierend, sagen EU-Richter

Es war eine erwartete, aber dennoch nicht weniger brisante Entscheidung: Der Europäische Gerichtshof entschied am Dienstag, dass die österreichische Karfreitags-Regelung eine diskriminierende ist und repariert werden muss.

Wie kam es dazu?

Nach momentanem Stand ist der Karfreitag für die Mehrheit ein regulärer Arbeitstag. Nur „für die Angehörigen der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Methodistenkirche“ gilt er als Feiertag – inklusive Anspruch auf entsprechende Vergütung, wenn doch gearbeitet werden muss. So sieht es das Feiertagsruhegesetz vor.

Ein Angestellter einer Wiener Detektei ortete darin eine Diskriminierung aller anderen Arbeitnehmer inklusive seiner selbst und reichte darum 2015 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien Klage ein. Nach dem Zug durch die Instanzen landete der Fall im März 2017 beim Obersten Gerichtshof (OGH). Dieser beschloss, sich abzusichern, und schickte den Fall zur Vorabentscheidung nach Luxemburg.

Und die EU-Richter entschieden im Sinne des Klägers: Die Regelung stelle eine "Diskriminierung der Religion wegen" dar. Und weiter: "Eine solche Regelung kann weder mit der Berufung auf zur Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer notwendige Maßnahmen noch mit der Berufung auf spezifische Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen wegen der Religion gerechtfertigt werden", heißt es im Urteil.

Es könne nicht angenommen werden, dass die Karfreitagsregelung "zum Schutz der Religionsfreiheit notwendig" sei.

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Was bedeutet das jetzt?

Kurz gesagt muss Österreich das Gesetz "zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung" ändern. Solange das nicht geschieht, ist ein privater Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet, allen Angestellten einen freien Karfreitag zu gewähren - oder ihnen das anfallende Feiertags-Zusatzentgelt auszuzahlen, wenn sie doch arbeiten müssen.

Denn: Die Angehörigen aller anderen Kirchen hätten auch nicht das Recht, für einen religiösen Feiertag, der nicht mit einem der allgemeinen Feiertage in Österreich zusammenfällt, einen zusätzlichen freien Tag zu erhalten. Dafür würde das Gesetz die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber gegenüber ihren Angestellten vorsehen, demgemäß diese das Recht erhalten können, sich zur Befolgung bestimmter religiöser Riten von der Arbeit zu entfernen.

„Hochsensible Frage“

Arbeits- und Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal hatte bereits im Vorfeld auf die potenziell weitreichenden Konsequenzen des Urteils für viele Österreicherinnen und Österreicher hingewiesen. „Ich glaube, man ist sich nicht bewusst, um welche hochsensible Frage es hier geht“, sagte er bereits Anfang Jänner zum KURIER.

Es sah nämlich bereits im Vorfeld danach aus, dass die EU-Richter – darunter die frühere SPÖ-Justizministerin und EU-Abgeordnete Maria Berger – die bestehende österreichische Regelung kippen werden. Denn bereits im vergangenen Juli hatte der Generalanwalt des EuGH, der Tscheche Michal Bobek, die Empfehlung abgegeben, die österreichische Regelung wegen Diskriminierung aufzuheben.

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Natürlich müssen die Richter der Empfehlung des Generalanwalts nicht folgen. In vier von fünf Fällen tun sie das aber. Dementsprechend war auch Alois Obereder, der Rechtsvertreter des Klägers, bereits im Vorfeld äußerst optimistisch. Seiner Ansicht nach „ist ganz klar, dass die österreichische Regelung eine diskriminierende ist", sagte Obereder zum KURIER – und ging davon aus, dass ein entsprechendes Urteil gefällt wird.

Besonders brisant: Das Kippen der bestehenden Karfreitags-Regelung könnte auch Konsequenzen für einen weiteren Feiertag haben.

Denn es gibt in Österreich einen zweiten Feiertag, der nach geltendem Recht nur für Angehörige einer bestimmten Religion gilt: das jüdische Versöhnungsfest Jom Kippur. „Diese Feiertage wurden eingeführt, um etwas für diese Glaubensgemeinschaften zu tun. Sie haben nichts Diskriminierendes an sich, sondern sind als Förderung gedacht“, sagt Mazal.

Selbe Kategorie

Würde der EuGH nun aber den Karfreitag als diskriminierend erkennen, „dann ist es auch Jom Kippur, denn diese beiden Feiertage sind rechtlich derselben Kategorie zuzuordnen“, sagt Mazal.

Zwei Mal Feiertagszuschläge mehr? Das würde die Wirtschaft nicht akzeptieren. Denn die gesamten Kosten für einen Urlaubstag belaufen sich nach Angaben der Wirtschaftskammer auf 600 Millionen Euro. Und: ohnehin habe Österreich mit dreizehn gesetzlichen Feiertagen bereits mehr als die meisten anderen Länder.

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Der evangelische Bischof Michael Bünker schlägt als Ausweg vor, dass im Falle der Aufwertung des Karfreitags zu einem allgemeinen Feiertag stattdessen der Pfingstmontag gestrichen werden soll. Dieser ist nämlich nicht im Konkordat verankert und könnte vom Parlament abgeschafft werden.

Allerdings hängt dann der schulfreie Dienstag nach Pfingsten in der Luft. Über diesen schulfreien Dienstag (auch den nach Ostern) gibt es ohnehin seit Längerem Diskussionen, weil geschlossene Schulen arbeitenden Eltern das Leben erschweren.

Mazal zum Bünker-Vorschlag: „Der Tausch wäre rechtlich grundsätzlich möglich. Aber das Abschaffen des schulfreien Dienstags müsste man der Lehrergewerkschaft erst schmackhaft machen."

Nicht gelöst wäre damit freilich das Thema Jom Kippur, was Mazal mit „hochsensibel" meint. Denn Jom Kippur als kollektivvertraglichen Feiertag abzuschaffen, ist politisch wohl nicht möglich.

ÖGB: Freier Karfreitag für alle

Der ÖGB hat indes bereits seinen Wunsch geäußert: "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um den Karfreitag zum gesetzlichen Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen zu machen“, sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des Gewerkschaftsbundes, in einer ersten Reaktion auf das Urteil. Die Wochenarbeitszeit in Österreich liege im europäischen Spitzenfeld, immer Arbeitnehmer müssten auch am Wochenende erreichbar sein.

Die Einwände der Wirtschaft wischt Achitz vom Tisch: "Immer wieder" werde behauptet, es gebe zu viele Feiertage. "Dabei verschweigen die Arbeitgeber aber, dass manche davon ohnehin jedes Jahr auf einen Sonntag fallen, nämlich Oster- und Pfingstsonntag“, so Achitz.