Karas tritt nicht bei der Nationalratswahl an, als EU-Kommissar würde er "zur Verfügung stehen"
Die Amtszeit von Othmar Karas als Erster Vizepräsident des EU-Parlaments neigt sich dem Ende zu. "Wir haben Großes vor", kündigt er auf seiner Website an. Was das wohl ist? In der ORF-"Pressestunde" wurde ihm diesbezüglich auf den Zahl gefühlt.
Zuletzt wurde Karas, langjähriger EU-Parlamentarier, von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger als Kandidat für die EU-Kommission ins Spiel gebracht, positiv geäußert haben sich danach auch der Grüne EU-Mandatar Thomas Waitz und SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried.
Darauf angesprochen sagt Karas: "Wenn es zu einem Vorschlag kommt, würde ich zur Verfügung stehen." Die Entscheidung liege aber nicht in seiner Hand, betont er. Zuerst muss sich die Regierung auf eine Nominierung einigen, diese müsse dann im Hauptausschuss des Nationalrats beschlossen werden.
Dass Neos, Grüne und SPÖ ihn nennen, freut ihn, weil es eine "wertschätzende Anerkennung meiner bisherigen Arbeit ist", und auch seinem "ehrlichen Wunsch und Bemühen, parteiübergreifend zu arbeiten" entspreche. Dass ausgerechnet seine eigene Partei, die ÖVP, ihn nicht nennt, will Karas nicht "bewerten".
Gestaltungsmöglichkeiten
Im Herbst steht zudem die Nationalratswahl an. Da will Karas aber nicht antreten, wie er auf Nachfrage in der ORF-"Pressestunde" sagt.
Karas hatte sich immer wieder offen gegen die Parteilinie der ÖVP gestellt und war zuletzt nicht mehr für die EU-Wahl aufgestellt worden. Gerüchte über ein eigenes politisches Projekt des ÖVP-Politikers gab es schon länger. In der "Pressestunde" erklärte er nun, dass er sehr wohl über einen Antritt bei der Nationalratswahl mit einer eigenen Liste nachgedacht habe.
Othmar Karas zog 1999 für die Volkspartei ins EU-Parlament ein. Von 2006 bis 2009 sowie von 2011 bis 2019 leitete der die ÖVP-Delegation.
Im Jänner 2022 wurde der gebürtige Niederösterreicher zum Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gekürt. Dieses Amt bekleidete er zuvor bereits von 2012 bis 2014 sowie von 2019 bis 2022.
Er mache nur Dinge, "die einen Sinn machen" und die "eine Gestaltungsmöglichkeit haben". Ergebnis der Beratungen sei gewesen, dass "zur Stunde diese Gestaltungsmöglichkeit nicht in einem ausreichenden Ausmaß gegeben" sei. "Daher werden ich und mein Team bei der Nationalratswahl nicht antreten", legte sich Karas nun fest. Ein Antreten hätte zu einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft geführt und die Regierungsbildung noch schwieriger gemacht, meinte Karas.
Offen ließ Karas, ob er bei der nächsten Bundespräsidentenwahl antreten will: "Wissen Sie, was in vier Jahren ist?", stellte er die Gegenfrage. "Ich weiß es nicht."
Karas ist bei der ÖVP-Spitze nicht wirklich gut angeschrieben, war er doch in der Vergangenheit immer wieder aus der Parteilinie ausgeschert und übte teils öffentliche Kritik am Kurs der Bundespartei. So bemängelte Karas etwa die Rolle der Volkspartei in Europa oder deren Standpunkt in Sachen Asyl und Migration. Auch kritisierte er diverse "Scheindebatten" wie etwa jene von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer angestoßene, das Recht auf Bargeld in der Verfassung zu verankern.
Dementsprechend ablehnend äußert man sich in der ÖVP hinter vorgehaltener Hand dazu, Karas mit dem Kommissarsposten zu "belohnen". Zuletzt wurde in der Volkspartei immer wieder Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als Favorit für den Kommissarsposten genannt. Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gilt als Kandidatin, genannt wurde auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP).
Unbequem macht die Situation für Kanzler und ÖVP-Chef Nehammer, dass ein Beschluss im Ministerrat notwendig ist, sich der Grüne Koalitionspartner aber nicht mehr an jenen Sideletter gebunden fühlt, der der ÖVP den Kommissar zugesteht. Als Kompromissvariante brachte die Kronen Zeitung (Sonntag-Ausgabe) nun Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft, ins Spiel.
"Kein Zerwürfnis" mit ÖVP
Sein Verhältnis zur ÖVP sieht Karas trotz der Konfliktlinien unterdessen weiter intakt. "Ich sehe kein Zerwürfnis, ich sehe unterschiedliche Meinungen", so Karas, der weiter überzeugter Christdemokrat und Volkspartei-Mitglied sei.
"Mitglied einer Partei zu sein kann doch nicht bedeuten, dass man sein Hirn ausschaltet, keine eigene Meinung bildet, seine überparteiliche Verantwortung als Europaabgeordneter, als Erster Vizepräsident des Parlaments der Parteitaktik unterordnet. Wir müssen aufhören, unterschiedliche Meinungen als Bedrohung anzusehen."
EU-Verteidigungskommissar
Bei der Neutralität Österreichs, um die es seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wieder vermehrt Debatten gibt, sieht Karas keinen Änderungsbedarf, auch wenn Österreich in der EU Teil einer Verteidigungsunion werden soll. Die Neutralität verbiete lediglich die Stationierung ausländischer Truppen im Land und die Mitgliedschaft in einem Militärbündnis.
"Aber wir sind auch aktiver Partner beim Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion und das ist gut so." Um gegen die neuen Bedrohungsfelder vorzugehen, müsse Europa zusammenhalten. Karas plädierte in diesem Zusammenhang einmal mehr für einen EU-Verteidigungskommissar.
Nehammer: "Alles Spekulationen"
ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer wurde am Sonntag am Rande des Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz auf die Aussagen von Karas angesprochen. "Das sind alles Spekulationen", sagte er zu Journalisten. "Alles ist möglich, es gibt mehrere Optionen. Am Ende ist es eine Regierungsentscheidung."
Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Entscheidung für einen Kandidaten oder eine Kandidatin, hieß es zudem aus dem Kanzleramt.