Politik/Inland

Karas: "Bin nicht bereit, Migrationsthema auf einen Zaun zu reduzieren"

Nach dem EU-Gipfel zur Migration war Othmar Karas (ÖVP), Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments am Sonntag in der ORF-Pressestunde zu Gast. 

Er erklärte, er wundere sich, dass die Ergebnisse des Gipfels in Österreich als Asylbremse oder bzw. -stopp debattiert würden. Ihm gehe es viel eher um das Recht auf Asyl. Denn niemand habe noch bis vor einem Jahr geglaubt, dass es eine der größten Fluchtbewegungen wegen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine geben werde. Generell bedauere er die Kommunikation in Österreich über die Ergebnisse des Gipfels.

Falsch sei, Überfremdungsängste zu schüren, statt an einer "europäische koordinierten, besseren Politik" als Prävention und Antwort auf die Krisen zu arbeiten. Denn: "Flucht beginnt und endet nicht erst an der Außengrenze". 

Derzeit würde innerhalb der EU aber das Gesamtkonzept fehlen. Karas schlägt folgende Maßnahmen vor: 

  • legale Fluchtwege - "Sonst verschieben wir das Problem auf jene Grenzelemente, wo die Schlepper am leichtesten Zugang nach Europa finden"
  • besserer Außengrenzschutz, "gemeinsam finanziert, kontrolliert und durchgeführt"
  • Einheitliche Asylverfahren in ganz Europa
  • Gemeinsames Asylrecht und Integrationspolitik

Die Umsetzung all dessen hält er für "sehr realistisch". Denn Politik bedeute, Verantwortung zu übernehmen und nicht mit den Krisen der Menschen zu spielen. Im Moment fehle es aber noch am politischen Willen, an den Kompetenzen in vielen Fragen und dass zu sehr "innenpolitisch gespielt" wird.

Nicht einlassen wollte sich Karas auf eine Debatte über Grenzzäune. "Der Zaun ist eine Einzelmaßnahme, auf die ein Thema reduziert wird, das nicht darauf zu reduzieren ist", hielt er fest. Und noch deutlicher: "Ich bin nicht bereit, das Thema Flucht und Migration auf den Zaun zu reduzieren. Der Zaun ist keine Lösung."

Hinsichtlich des Erdbebens in der Türkei bzw. Syrien forderte Karas eine internationale, von der EU initiierte Hilfskonferenz für die Opfer. Er sprach sich für die unbürokratische, zeitlich begrenzte Aufnahme von Betroffenen in Österreich aus. Er rechne mit neuen Fluchtbewegungen aus der Region nach Europa, sollte es nicht zu sofortiger Hilfe kommen.

Gefragt, ob mit der FPÖ keine Regierung mehr möglich sei, erklärte der Vizepräsident des EU-Parlaments sinngemäß, zumindest mit der aktuellen FPÖ-Besetzung gehe das nicht. "Mit dieser Besetzung hat die FPÖ ihr Recht mitzuregieren verwirkt", da Politiker der FPÖ Aussagen machen würden, die mit den Grund- und Freiheitsrechten und dem EU-Recht nicht vereinbar seien."

Seine Botschaft: "Wir dürfen uns nicht aus Bequemlichkeit dem Populismus anbiedern." 

Die Entscheidung, ob er weiter in der Politik bleiben wolle, oder in Pension gehen, werde er nach Ende der Periode - im Frühjahr 2024 finde die Wahlen zum EU-Parlament statt, treffen. Aber: "Ich verspüre viel Freude und immer mehr Unterstützung für meine politische Arbeit", hielt Karas fest.