Justizministerium befasst sich mit Diskriminierung Homosexueller
Das Justizministerium will die rechtliche Diskriminierung von LGBTIQ-Personen aufarbeiten. Eine rechtshistorische Analyse soll die gesamte österreichische Rechtslage nach 1945 unter die Lupe nehmen. Das Ende des Totalverbotes von Homosexualität ist etwa 50 Jahre her. "Die Ausgrenzung von LGBTIQ-Personen ist aber kein Phänomen der Vergangenheit", sagte Justizministerin Alma Zadić am Mittwoch. Die Analyse soll daher auch Handlungsempfehlungen für die heutige Politik ergeben.
Erste Entschuldigung
Zadić entschuldigte sich im Juni vergangenen Jahres als erste Justizministerin für die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen. Bis ins Jahr 1971 standen sexuelle Handlungen unter gleichgeschlechtlichen Partnern und Partnerinnen unter Strafe. Zwischen 1955 und 1971 kam es zu über 25.000 solchen Verurteilungen. "Nur wer die Geschichte kennt, kann auch aus ihr lernen", sagte Zadić bei einer Pressekonferenz. Mit dem Projekt "Vor dem Gesetz sind alle gleich?", will die österreichische Justiz aus ihrer Vergangenheit lernen. "Denn eines ist klar: Das österreichische Recht muss ein Recht für alle hier lebenden Menschen sein, und zwar vollkommen unabhängig von sexuellen Orientierungen, Geschlechtsmerkmalen oder Geschlechteridentitäten", sagte Zadić.
Untersucht werden soll die österreichische Rechtslage im Bereich des Strafrechts, Ehe- und Partnerschaftsrecht sowie Kindschafts- und Fortpflanzungsrecht seit 1945. Der Fokus soll auf Reformen im Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums liegen, die Auswirkungen auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans, nichtbinäre, intersexuelle und queere Personen hatten und haben. Daraus sollen Handlungsempfehlungen für die heutige Politik abgeleitet und Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden. Das Projekt soll im Oktober starten, die Veröffentlichung eines Projektberichts ist im Sommer 2023 vorgesehen.
Österreich als Schlusslicht
Als "Meilenstein" bezeichnete Hannes Sulzenbacher, Co-Leiter des Zentrums für queere Geschichte (QWIEN) das Vorhaben. Die Grundlage für die juristische Diskriminierung von LGBTIQ-Personen gab es schon 1852, während des Nationalsozialismus erreichte sie mit "Entmannungen", medizinischen Versuchen und Einweisungen in "Heilanstalten" ihren Höhepunkt. "Nach dem Nationalsozialismus wurden diese Menschen nicht als Opfer angesehen, sondern weiterhin eingesperrt", so Sulzenbacher. Der Paragraf der jegliche homosexuellen Handlungen unter Strafe stellte, fiel zwar 1971, wurde aber durch andere Diskriminierungen wie dem Verbot von männlicher Diskriminierung und dem Verbot von "Werbung für gleichgeschlechtliche Unzucht" ersetzt. Das höhere Schutzalter von 18 Jahren bei männlichen Homosexuellen fiel erst 2002. Österreich habe im EU-Vergleich lange hinterhergehinkt, so Sulzenbacher. Eheschließungen unter gleichgeschlechtlichen Paaren sind in Österreich erst seit 2017 möglich.
QWIEN, eine außeruniversitäre Forschungsstelle für die Geschichte von LGBTIQ-Personen, ist Projektträger der Studie und hat die Historiker Hans-Peter Weingang und Sebastian Pay beauftragt. Unterstützt wird das Projekt auch von Michael Schwanda, dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz. "Wenn sich das offizielle Österreich zu Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit bekennt, ist das ein wichtiger Schritt um die Aufarbeitung zu ermöglichen", so Schwanda.
"Nach wie vor gibt es in Europa und auch in Österreich Diskriminierung homosexueller Menschen", kritisierte die Justizministerin. Erst vor wenigen Tagen richtete sich eine Störaktion gegen eine Lesung einer Wiener Drag-Queen.