Rauch tritt nach 24 Jahren als Vorarlberger Grünen-Chef ab
Nach mehr als 24 Jahren an der Spitze der Vorarlberger Grünen gibt Johannes Rauch den Parteivorsitz ab. Im Rahmen einer Landesversammlung am 26. Juni in Feldkirch wird seine Nachfolge geregelt. Ob der 62-jährige Rauch bis Herbst 2024 - dem Ende der Legislaturperiode - Landesrat bleibt, ließ er im Interview mit der APA-Austria Presse Agentur vorerst offen. "Das überlege ich mir noch, tendenziell Ja", sagte er. Den Zeitpunkt seines Abgangs werde er selbst bestimmen.
Geplant war die Übergabe des Parteivorsitzes bereits für das Frühjahr 2020, nach den Vorarlberger Kommunalwahlen. Aufgrund der Corona-Pandemie kam es aber weder zum einen noch zum anderen. Bei seiner letzten Kür zum Landessprecher im Jänner 2017 bekannte Rauch mit einem Blick aufs Jahr 1997, als er in einer Kampfabstimmung gegen Grünen-Urgestein Kaspanaze Simma erstmals zum Parteichef gewählt wurde: "Ich habe nicht gewusst, was ich tue." Damit spielte Rauch auch auf den Umstand an, dass er ins Amt gehievt worden war, um die zerstrittenen Parteiflügel der Vorarlberger Grünen zu einen. "Ich habe dann einen Programmprozess initiiert, um die Unversöhnlichkeit zu beenden, das hat auch funktioniert", so der scheidende Parteichef.
Nach einer für die Grünen desaströsen Landtagswahl 1999 (zwei Mandate, Verlust des Klubstatus) ging es laut Rauch ab dem Jahr 2000 darum, "den Scherbenhaufen aufzuräumen". Seit damals steigerte sich die Partei auf Landesebene auf zuletzt (2019) 18,9 Prozent Stimmenanteil und sieben Mandate. Als Spitzenkandidat der Grünen schaffte Rauch bei vier Landtagswahlen in Folge Zuwächse. Seit der Wahl 2014 gehören die Grünen der Landesregierung an - Rauch hat einen der beiden grünen Landesratsposten inne.
Seine "Highlights"
Als "Highlights" seiner langen politischen Karriere bezeichnete Rauch etwa die Angelobung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ("nach diesem Wahlkampf, dieser Polarisierung") und die Wahl "meines Freundes Winfried Kretschmann" zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Im deutschen Bundesland zeige sich auch das Potenzial der Grünen. Ebenfalls genannt wurde von Rauch die Regierungsbeteiligung auf Landes- und Bundesebene. Dass die Grünen nicht bereits 2003 mit dem damaligen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel koaliert haben, hält Rauch bis heute für richtig: "Wir waren noch nicht so weit." Ebenso richtig findet er die aktuelle Zusammenarbeit mit der ÖVP unter Sebastian Kurz, auch wenn jetzt die Konstellation ungleich schwieriger sei. Er verwies etwa auf Alma Zadic als Justizministerin oder auf Leonore Gewessler, die als Ministerin Milliarden-Pakete in Sachen Klimaschutz auf den Weg bringe.
"Ja, ich ärgere mich über die Flüchtlingspolitik der ÖVP, das ist so", bekannte Rauch weiters. Er zitierte aber auch den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt, wonach die Demokratie vom Kompromiss lebe. "Das ist meine politische Erfahrung, die ich teile." Dass man einen Kompromiss als "Verrat" hinstelle, bezeichnete Rauch als "jenseitig". Er merkte auch an, dass in fünf Jahren Regierungsverantwortung mehr zu erreichen sei als in 15 Jahren als Oppositionspartei. Seine eigene Oppositionsarbeit im Landtag von 2004 bis 2014 bezeichnete er als "kantig, aber lösungsorientiert".
Politik bedeute Arbeit in dem Sinn, dass man sich in eine Materie vertiefen und auch die Details verstehen müsse. Politik sei aber auch ein Handwerk und verlange Haltung. Am Wesen des Politik-Betreibens habe sich in den vergangenen mehr als 30 Jahren nicht viel verändert. "Es geht um das Finden von Mehrheiten, um Gesetze, um Geld", sagte Rauch. Allerdings komme heute vielfach das Vertiefen in die Materie zu kurz. Gesprächsbereitschaft müsse es immer mit allen geben, auch wenn es manchmal vielleicht Überwindung koste.
Einstieg als Sozialarbeiter
1987 in die Kommunalpolitik ("das ist die politische Gehschule") eingestiegen ist der damalige Sozialarbeiter, weil er die Rahmenbedingungen für seine Arbeit verbessern wollte. Auf seinem politischen Weg sehr geprägt wurde er von ÖVP-Politiker Günter Lampert. Dieser hielt 1997 als Landtagsvizepräsident und Obmann der Arbeitsinitiative für den Bezirk Feldkirch an Rauch als Geschäftsführer der Arbeitsinitiative fest, obwohl er Grünen-Landessprecher wurde. "Das ist mir wurscht, du bleibst das", habe der "Kern-Schwarze" Lampert gesagt. Als "guten Freund", mit dem er durch dick und dünn gegangen sei, bezeichnete Rauch auch den aktuellen Grünen-Bundessprecher Werner Kogler. Den Absturz der Grünen 2017 - sie flogen aus dem Parlament - führte der 62-Jährige als einen seiner politischen Tiefpunkte an. Anschließend sei es ans Aufräumen und den Wiederaufbau gegangen.
Obwohl Rauch nach eigenen Angaben auch auf Bundesebene "alles" hätte werden können, scheute er den Gang nach Wien. Zum einen gehöre er nicht zu denen, die von sich selbst glaubten, alles zu können, sagte Rauch: "Die Liga in Wien ist eine andere." Zum anderen habe er gesehen, welchen Preis - auch gesundheitlich - man in der Bundespolitik bezahlen müsse. Das sei nach seiner Darmkrebserkrankung 2005 kein Thema mehr gewesen.
Vorarlberg für Rauch auf gutem Weg
Vorarlberg sieht Rauch auf gutem Weg, er sprach von einer "guten Substanz" wie etwa einer intakten Wirtschaft oder einer wunderbaren Landschaft. Allerdings gelte es verstärkt Allianzen mit den Nachbarländern St. Gallen und Baden-Württemberg zu schmieden. Speziell im Bereich der Bildung (Hochschulen) und der Innovation (auch gesellschaftlich) müsse man den Anschluss halten. Pandemie-Bekämpfung und Klimaschutz hingen wiederum zentral an Europa. Der Klimawandel bedeute eine Herausforderung, die nicht mit "mehr vom selben" bewältigt werden könne. "Es wird nicht reichen, die Benzinkutsche durch das E-Auto zu ersetzen", sagte Rauch. Obwohl es auf europäischer Ebene weiter viel zu verbessern und entwickeln gebe, "geht es mir unfassbar auf die Nerven, wenn immer auf Europa hingedroschen wird".
Für Parteien als solche brach Rauch eine Lanze: "Wer Parteien verachtet, bei dem ist es mit der Demokratie nicht weit her", stellte der langjährige Parteichef fest. Wer die Vorarlberger Grünen in die Zukunft führen soll, sagte er aber nicht. Er habe immer darauf geachtet, dass es politischen Nachwuchs in der Partei gebe, "auf den wir bauen können". Er werde sein Amt jedenfalls "gut übergeben können".