Edtstadler nach Impfpflicht-Gipfel: "Der Feind ist nicht der Ungeimpfte"
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) haben am Dienstag eine breite Experten-Runde ins Kanzleramt geladen, um die geplante Impfpflicht zu diskutieren. Das Resultat der Gespräche wurde in einer Pressekonferenz am Vormittag präsentiert.
Weitere Details verkündeten die Minister vorerst nicht. Wie der KURIER bereits berichtete, ist eine Altersgrenze von 14 Jahren im Gespräch, da dieses Alter die Schwelle zur Strafmündigkeit darstelle. Offen, so Edtstadler: Wie hoch fällt die Verwaltungsstrafe für Impfverweigerer aus? Handelt es sich um ein Delikt, das mehrfach bestraft wird? Kann man anders als durch eine Zahlung rauskommen?
Dass die Impfpflicht ab 1. Februar komme, sei jedenfalls "fix", so Mückstein. Die Höhe der Inzidenz sei egal. Es gehe darum, weitere Wellen zu verhindern.
Edtstadler: "Der Feind ist das Virus"
Die Gespräche seien jedenfalls sehr fundiert, gut und in die Tiefe gehend gewesen, sagte Edtstadler. "Keiner hat gefragt, dass Demokratie einfach ist", meinte sie. Heute habe man sich darüber unterhalten, was die Voraussetzung sei, dass eine Impfpflicht verfassungsrechtlich hält. "Wir haben uns keine Impfpflicht gewünscht, wir wollten das nicht", so Edtstadler. Aber: Mittlerweile sei sie alternativlos.
Sie sei wirklich dankbar, dass die SPÖ- und Neos-Parteichefinnen Pamela Rendi-Wagner und Beate Meinl-Reisinger beim Gipfel eingebunden waren. "Eine Impfpflicht kann dann gerechtfertigt sein, wenn der Gesundheitsschutz durch diese Maßnahme erwirkt werden kann", so die Verfassungsministerin.
Edtstadler zeigte sich auch selbstkritisch: "Wir haben heute einen offenen Dialog mit vielen Experten und Teilen der Opposition geführt. Natürlich ist nicht alles ideal gelaufen in der Vergangenheit. Sonst hätten wir auch mehr Menschen mit Information, mit Kampagnen erreicht." Und eine Nachricht an die Impfskeptiker: "Ich möchte mich bei denjenigen entschuldigen, die sich bis jetzt nicht angesprochen gefühlt haben." Wenn sich jemand in ein Eck gedrängt fühle, "dann war das nie so gemeint". Diese Menschen müsse man in einer "offenen Gesellschaft wie Österreich" abholen. "Dazu haben wir heute einen wichtigen Schritt gesetzt", meinte Edststadler.
"Der Feind ist nicht der Ungeimpfte, der Feind ist nicht das volle Spital, der Feind ist das Virus", so Edtstadler. Man komme da nur gemeinsam als "Österreich" raus.
Mückstein: Impfquote "reicht nicht"
67 Prozent der Österreicher haben derzeit einen vollständigen Impfschutz. "Aus epidemiologischer Sicht reicht das nicht", sagte Mückstein. Die Entscheidung, jetzt eine allgemeine Impfpflicht einzuführen, sei niemandem leichtgefallen. Er gehe davon aus, dass auch weitere europäische Staaten nachziehen werden. "Österreich geht als eines der ersten Länder hier voran."
Noch diese Woche werden weitere Gespräche mit Opposition und Experten folgen, so der Minister. In der Woche ab 6. Dezember soll das Gesetz in Begutachtung gehen. Ungeimpfte sollten das Inkrafttreten des Gesetzes "bitte nicht" abwarten und sich gleich einen Termin ausmachen, so Mückstein.
SPÖ und Neos: Konstruktiver Austausch
SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sprach im Nachheinein von einem wichtigen Austausch, bei dem Fragen "konstruktiv" erörtert worden seien. Sie sei zuversichtlich, dass diese Fragen rasch geklärt werden können, sagte Rendi-Wagner und betonte: "Die Impfpflicht muss epidemiologisch wirksam sein, um trotz künftiger Wellen weitere überlastete Spitäler und Lockdowns zu verhindern. Das Virus wird bleiben. Darum muss die Impfpflicht zu einer so hohen Durchimpfung führen, dass sie eine Überlastung unseres Gesundheitssystems und damit weitere Lockdowns verhindert."
Auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bezeichnete die erste Diskussionsrunde als "konstruktiv und intensiv". Ihr sei wichtig, "dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir alle unsere Freiheit wieder zurückbekommen - und kein Lockdown mehr notwendig ist", so Meinl-Reisinger. Dafür sei eine "Gesamtanstrengung aller" nötig. "Wie kommen wir da hin - unabhängig von einer Impfpflicht oder nicht", so die NEOS-Chefin.
Wenisch gegen Pocken-Modell
Vor Beginn des Gipfels sprachen sich etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi Wagner, Infektiologe Christoph Wenisch und Medizinrechtsexperte Karl Stöger explizit für die Impfpflicht aus. Sie sei der einzige Weg, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Stöger, Professor für Medizinrecht an der Uni Wien, betonte aber die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeit einer Impfpflicht. Einerseits müsse die Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen, andererseits müsse sie aber auch gewichtig genug sein, um Menschen auch zur Impfung zu motivieren. Eine Impfpflicht für Kinder unter zwölf Jahren wäre seiner Ansicht nach derzeit "nicht unproblematisch". Die Zulassung für den entsprechenden Impfstoff sei erst vor kurzem erfolgt, es fehlten im Unterschied etwa zu älteren Kindern und Jugendlichen daher noch die Erfahrungswerte.
Gegen eine Orientierung an der bis 1981 geltenden Impfpflicht für Pocken sprach sich Wenisch, Leiter der Infektionsabteilung an der Klinik Favoriten, aus. Diese sei eine andere Art der Impfung gewesen - nämlich mit einer höheren und nachhaltigeren Wirkung. Gegen Corona müsse man dagegen immer wieder impfen, auch sei der Schutz vor einer Übertragung nicht vollständig gegeben. Im Endeffekt müsse man sich daran orientieren, wie viele Patienten in Intensiv- bzw. Normalstationen man aushalten wolle - Ziel müsse es sein, dass es von der Belastung in den Spitälern her wie die Grippe werde. Diese höhere Belastung für ein, zwei Monate im Winter halte man aus.
Rendi-Wagner: "sehr sensibles Thema"
Die Impfpflicht sei notwendig, weil es die Regierung nicht geschafft habe, die Impfrate zu erhöhen, hatte Rendi-Wagner vor dem Gipfel gesagt. Zu einer etwaigen Strafhöhe wollte die SPÖ-Chefin nichts sagen, denn dies soll schließlich in dieser Runde diskutiert werden. Sanktionen müsse es aber geben. Geht es nach der SPÖ, müssten diese aber "sozial" gestaffelt sein.
Der weitere Fahrplan
Die türkis-grüne Bundesregierung hatte bereits am Wochenende einen Zeitplan für das Gesetz zur Corona-Impfpflicht skizziert. Der Entwurf soll demnach in der Woche ab 6. Dezember fertig sein. Nach einer Begutachtung von mindestens vier Wochen könnte das Gesetz dann - nach Beschluss von Nationalrat und Bundesrat - Anfang Februar in Kraft treten.
Am Nachmittag tagt zudem um 14.00 Uhr der Hauptausschuss des Nationalrats, um den aktuellen Lockdown wie vorgesehen bis 11. Dezember zu verlängern. Gleichzeitig soll die Ladenöffnungszeit auf 19 Uhr verkürzt werden.