Politik/Inland

Heldenplatz: Umbenennung "pervers" oder "interessant"

Die wiederbelebte Idee der Umbenennung des Wiener Heldenplatzes zieht weiter politische Reaktionen nach sich. Am Montag steigen Politiker in die Diskussion ein, die die Aufregung auf Twitter am Wochenende verpasst hatten. Losgetreten hatte die bereits in der Vergangenheit aufgetauchte Debatte Kulturminister Thomas Drozda.

Den Anfang machte auf Anfrage der APA Kultur-Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ), der dem Vorschlag einiges abgewinnen konnte. Zum Jubiläum der Republik im Jahr 2018 könnte man ihr den Namen des Platzes widmen, das sei "interessant und diskussionswürdig".

ÖVP und FPÖ übten sich in Kopfschütteln. "Pervers" fand der Wiener FPÖ-Landessprecher Anton Mahdalik den Vorschlag. Es gebe andere Themen zu behandeln, als "verschwitzte Alt-68er-Fantasien". Der Wiener ÖVP-Landesparteiobman Gernot Blümel empfahl den Platz als Demozone zu nutzen, statt "plötzlich" per Umbenennung "unnötige Geschichtsanpassung" zu betreiben.

Der Vorschlag von Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ), den Wiener Heldenplatz - Ort der Rede Adolf Hitlers anlässlich des "Anschlusses" Österreichs an Nazi-Deutschland - umzubenennen, stößt auf Widerstand des Koalitionspartners. "Der #Heldenplatz gehört zu Österreich", ließ ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner am Sonntag via Social Media wissen.

"Der #Heldenplatz hat gute und schlechte Zeiten erlebt, aber ist fixer Bestandteil der österreichischen Geschichte", meinte Mitterlehner. "Dabei soll es bleiben, ich sehe keinen Grund für eine Umbenennung."

Drozda hatte im Interview mit der Presse "Platz der Republik" oder "Platz der Demokratie" vorgeschlagen.

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Der SPÖ-Minister reagierte noch am Sonntag. "1. Ja, wir haben Wichtigeres zu tun", schrieb Drozda auf Twitter. "2. Als Kultusminister will und werde ich diese Diskussion führen." Drozda gehe es dabei nicht darum, Reflexe zu testen. "Aber eine interessante Versuchsanordnung ist es dennoch?"

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Das Thema ist ein Aufreger. Auf Twitter schaffte es #Heldenplatz am Sonntag tatsächlich auf Platz eins der Trending Topics in Östereich. Der kleine Schlagabtausch wurde dort vor allem amüsiert bis verwundert kommentiert.

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Thomas Mayer vom Standard sieht schon das nächste Wahlkampfthema heraufdräuen.

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Ähnlich sieht's auch Claus Pándi von der Kronen Zeitung.

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Andere fühlten sich ob des Vorschlags von Kulturminister Drozda an DDR-Zeiten erinnert. Der "Platz der Republik" vor dem Reichstagsgebäude in Berlin hieß dort allerdings auch während der Weimarer Republik schon so.

"Platz der Republik" - noch DDR'esker geht's nicht? #heldenplatz

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Und - ungewöhnlich für Twitter - es wurde sogar ein konstruktiver Kompromissvorschlag nach dem Vorbild Straßburgs unterbreitet.

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Drozda hatte sich in einem Interview mit der Presse am Sonntag für die Umbenennnung des Heldenplatzes eingesetzt. Ihm schwebe "Platz der Republik" oder "Platz der Demokratie" vor, "was mir ehrlich gesagt adäquater erschiene als die historisch doch einigermaßen belastete aktuelle Variante", sagte Drozda.

Er erwähnte dies in Zusammenhang mit der Standortdebatte für das Haus der Geschichte in der Neuen Burg. Die Denkmäler für Prinz Eugen und Erzherzog Karl stellte er nicht infrage. "Da würde wohl das Bundesdenkmalamt eine klare Position einnehmen", meinte er. Die Idee einer Umbenennung war erst kürzlich ventiliert worden. Der KURIER zitierte im Jänner den Kurator und Publizisten Martin Fritz, nun Rektor der Merz Akademie in Stuttgart, mit einem Plädoyer für "Platz der Republik". Für einen "Platz der Demokratie" sei - in Hinblick auf die geplanten neuen Institutionen - der Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb, hieß es (mehr dazu lesen Sie hier).

Das Landesmuseum in St. Pölten wurde umbenannt – in Museum Niederösterreich. Denn die Kunst hatte sich gegen die Erlebnislandschaft Naturgeschichte nicht zu behaupten vermocht. Erwin Pröll ließ daher über attraktivere Inhalte für das Gebäude mit der sogenannten Shedhalle nachdenken – und kam auf ein Haus der Geschichte.

Die Bundesregierungen debattierten nur über ein solches; der Landeshauptmann hingegen ordnete eines an. So kommt die Kunst nach Krems, und am 10. September wird das Haus der Geschichte eröffnet – mit einer Dauerausstellung, in der man einen tschechoslowakischen Wachturm bestaunen können wird, und der ersten Sonderausstellung "Die umkämpfte Republik".

Kleiner und ohne Sonderschau soll mehr als ein Jahr später auch das umkämpfte Haus der Geschichte (der Republik) als Abteilung der Nationalbibliothek eröffnet werden – in der Neuen Burg am Heldenplatz. Wer es leiten wird, will ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger dieser Tage bekannt geben. Als Kandidaten genannt wurden u. a. Werner Hanak vom Jüdischen Museum Wien und Niko Wahl, ein freier Historiker und Ausstellungsmacher. Die Kommission soll aber Otto Hochreiter auf Platz 1 gereiht haben – zusammen mit Monika Sommer.

Hochreiter war u. a. Berater von Ex-SPÖ-Kunstminister Rudolf Scholten. 1999 wurde Thomas Drozda, gegenwärtig SPÖ-Kulturminister, zum Geschäftsführer des Burgtheaters bestellt – und Hochreiter zum Vizedirektor der Volksoper. Seit 2005 leitet der Tiroler erfolgreich das Stadtmuseum in Graz.

Die Ausschreibung sieht aber vor, dass bei gleicher Qualifikation die Frau vorzuziehen sei. So gesehen müsste Rachinger eigentlich die Historikerin Sommer bestellen. Die Linzerin, 1974 geboren, war Kuratorin am Wien Museum und Assistentin des ehemaligen Direktors Wolfgang Kos. Zusammen mit Heidemarie Uhl realisierte sie letztes Jahr am Heldenplatz die Ausstellung "41 Tage" über die Verdichtung der Gewalt in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs.

Doch nicht nur das Haus der Geschichte, auch jenes der Zukunft wird konkreter. ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer hatte es eingefordert – für seine Zustimmung zum Haus der Geschichte, das Drozdas Vorgänger Josef Ostermayer umgesetzt wissen wollte. Bisher war das Haus der Zukunft nicht viel mehr als eine Hülle; aber nun arbeitet angeblich der Soziologe und Philosoph Harald Katzmair an einem Konzept. Es dürfte im März vorliegen.

Als Standort schwebt Mahrer der Heldenplatz vor – ungefähr dort, wo jetzt die Containerburg für die Parlamentsmitarbeiter errichtet wird. An eine Realisierung kann also erst nach 2020 gedacht werden. Dann steht eine gröbere Neugestaltung des Heldenplatzes an. Und dann wäre auch der Zeitpunkt für eine Umbenennung gekommen. Der Kurator und Publizist Martin Fritz, nun Rektor der Merz Akademie in Stuttgart, plädierte für "Platz der Republik". Der Zeitgeschichtler Oliver Rathkolb geht einen Schritt weiter: Da sowohl das Haus der Geschichte als auch jenes der Zukunft die Demokratie ins Zentrum stellen, wäre es richtig, den Heldenplatz in "Platz der Demokratie" umzubenennen. Klingt gut. Falls wir dann noch eine Demokratie haben.