Politik/Inland

Heimische Instagram-Politik: Heile Welt statt Bad News

Mittwochvormittag, Kanzleramt, hinter der Absperrung, die die Medienvertreter von den Politikern trennt, wuselt es. Neben Fotografen und Journalisten drängeln junge Smartphone-Träger um die beste Sicht. Was sie hier tun? Sie stellen sicher, dass die Statements der Politiker beim Empfänger landen – und zwar in der richtigen Optik, mit dem richtigen Witz und der richtigen Botschaft: Sie befüllen die Instagram-Accounts der türkis-blauen Regierung.

Instagram ist nicht mehr nur eine Plattform für Essens- und Landschaftsfotos. Die Politik ist dort längst zu Hause. Ungeschlagen ist Ex-US-Präsident Barack Obama mit 17,3 Millionen Abonnenten. Donald Trump folgen dort „nur“ knapp 8,9 Millionen (auf Twitter dafür 52,2).

Instagram ist eine Plattform zur Selbstdarstellung, und Politik ja auch nichts anderes als das“, sagt Yussi Pick, der im Digitalteam von Hillary Clinton gearbeitet hat. Was bei Obama das Foto mit Buben im Spidermankostüm, der ihn im Oval Office erschreckt, ist bei Sebastian Kurz der Auftritt in seiner alten Schule: Ein Foto, das wirkt, als sei es beiläufig aufgenommen, das Einblick in die Hinter-den-Kulissen-Welt gibt. Und das sich in der digitalen Welt verbreiten soll – um bestenfalls auch in traditionellen Medien zu landen.

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Willkommen in der Good-News-Welt

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Politik dort investiert. „Instagram ist keine Plattform, auf der diskutiert wird“, sagt Pick – dort ist man in der Good-News-Welt. Wenn in den Kommentaren „Gratuliere, Sebastian!“ steht, weiß man: Hier ist man per Du, selbst mit dem Kanzler. Und: Man erreicht Wähler, die über traditionelle Kanäle oft unerreichbar sind. „Dort sind viele Menschen in der wichtigen Zielgruppe der ab 14-Jährigen vertreten , die oft keine klassischen Medien wie Zeitungen und TV mehr konsumieren“, sagt Mediencoach Gerald Groß. Zum Vergleich: Das Durchschnittsalter der ZiB- und ZiB2-Zuseher liegt zwischen Mitte 50 und Mitte 60. „Die Chance von Instagram ist, für die junge Generation das Bild eines Politikers zu prägen“, sagt Groß. Wenn Ministerin Elisabeth Köstinger – auf Instagram „Elli“ – Bilder vom Eisessen vor dem Parlament posten lässt und dafür gut 600 Herzen (Likes in der Instagram-Sprache) bekommt, so soll das eines: Ihr ein nahbares, positives Image geben. Köstinger, jemand wie Du und ich, so die Message.

Im Umkehrschluss heißt das: Auf Instagram bringt die Politik Botschaften unter, die sonst kaum Chancen haben. Beispiel: Zur Kassenreform, außerhalb des Instagram-Universums umstritten, postet Kurz eine interaktive „Story“ vom Ministerrat; eine Fotoabfolge mit launigen Stickern und Texten. Die Botschaft: „Wir garantieren mehr Leistungen und nicht wie behauptet Kürzungen.“ Herzen und Zustimmung folgen. Ähnliches macht ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler: Sie war zuletzt im Februar mit einem eigenen Thema in den Medien; auf Instagram hat sie seit Jahresbeginn 89 Beiträge gepostet – vom Erste-Hilfe-Kurs bis zum Besuch beim Ministeriums-Kindergarten.

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Kurz, der Welterklärer

Aber: Kommt das beim Wähler an? Jein – jedenfalls nicht alles, was die Regierung macht. „Das Potenzial von bewegten Bildern, Gifs und Storys wird in Österreich noch nicht ausgeschöpft“, so Groß. Den FPÖ-Accounts mangle es noch Interaktion, so Pick. „Die Heimat von Strache und Hofer ist und bleibt Facebook“.

Kurz mache seine Sache gut, so Pick und Groß unisono – ihm folgen 37.800 Menschen. (zum Vergleich: Angela Merkel 521.000). „Kurz’ Fotos auf Instagram sind immer gut gewählt, er ist stets der Handelnde“, sagt Pick. Egal, ob mit Kanzlerin Merkel, Schwarzenegger oder mit seiner Sitznachbarin in der Economy Class, der Kanzler hält am Foto immer das Heft in der Hand. „So erklärt er sogar dem Papst die Welt. Und das zahlt auf sein staatsmännisches Image ein.“

Aufzupassen gilt es bei Eingriffen in die Wirklichkeit. Dass in ein Kanzler-Foto statt einer Joint-rauchenden Frau eine Landschaft retuschiert wurde, gereichte zur Nachricht. Das ursprüngliche Bild hätte genutzt werden können, so Groß, schließlich biete „Instagram die Möglichkeit der Selbstironisierung, wie Matthias Strolz bewiesen hat“. Die andere Frage ist, ob die Foto-Fans so zu den Urnen zu bewegen sind. „Jung- und Erstwähler lassen sich via Instagram sicher prägen, aber: fun facts sind hier wichtiger als die realpolitischen Botschaften.“