Politik/Inland

Geldgeber will Zuwachs sehen: Pinke unter Erfolgsdruck

Alte Reden von Matthias Strolz anzuhören, ist wie Lieblings-Songs auf YouTube abzuspielen: man könnte einen Nachmittag damit vertrödeln. „Wir sind nur ein Tropfen Zeit.“ „Politik ist der Ort, wo wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben.“ „Fuck the system.“ Sätze wie diese, blumig, tiefsinnig oder cool sind selten in Politikerreden zu finden.

Mit dem Esoteriker Strolz haben die Neos eine Einzigartigkeit verloren. Dennoch meinen Experten, dass der Wechsel zu Beate Meinl-Reisinger richtig war.

Die Situation der Neos ist nämlich nicht berauschend. Bei dieser Nationalratswahl sind die Grünen die angesagte Trendpartei. Auch die EU-Wahl hat gezeigt, die Neos kommen nicht recht vom Fleck. Die Grünen sind mit 14 Prozent am 26. Mai an ihnen vorbei gerauscht.

Für die Nationalratswahl hätten sich die Pinken aber nun richtig aufgestellt, meint OGM-Chef Wolfgang Bachmayer: „Meinl-Reisinger fährt einen Konfrontationskurs gegen Türkis. Das ist die richtige Strategie. Es geht darum, Aufmerksamkeit zu bekommen.“

Klein, aber prompt

Das unterstreicht auch die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. „Eine Partei wie die Neos wird nie 25 Prozent bekommen. Der Platz für Liberale ist in Österreich traditionell sehr klein.“

Daher müssten die Neos nach Aufmerksamkeit trachten. Und das gelinge ihnen eigentlich gut. Stainer-Hämmerle: „Neos sind mit Meinl-Reisinger strukturierter und schlagkräftiger geworden. Ich bewundere manchmal, wie so eine kleine Partei so prompt inhaltliche Forderungskataloge und Konzepte bei der Hand hat, während die große SPÖ dafür oft Wochen braucht und Konzepte nur ankündigt.“

Den Neuzugang auf der Neos-Kandidatenliste für die Nationalratswahl, Ex-KURIER-Chef Helmut Brandstätter, beurteilt Bachmayer so: „Bei älteren Christlichsozialen sind die Neos nicht so gut aufgestellt. Brandstätter ist bekannt, kompetent und fesch, in dem Wählersegment der älteren Christlichsozialen kann er schon etwas bringen.“ Ob es so viel sein wird wie Irmgard Griss – „den berühmten halben bis einen Prozentpunkt“ –, werde man sehen, meint Bachmayer.

Stainer-Hämmerle sagt, Brandstätter bringe Aufmerksamkeit, es gebe aber auch Risikofaktoren: „Ob Neos und Brandstätter lange miteinander glücklich werden, wird sich erst herausstellen, wenn einmal die Parteilinie einzuhalten ist.“

Nicht nur Freunde

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Brandstätter bei den Neos nicht die Medienkompetenzen bekommt. Die behält Meinl-Reisinger („Chefinnen-Sache“). Dahinter dürfte stecken, dass „Brandstätter nicht nur Freunde in der Medienbranche hat“, meint Bachmayer. Dazu habe er auch selbst beigetragen.

Meinl-Reisinger hat sich ihrerseits auf Krone TV einen Lapsus geleistet, indem sie über „kinderlose Karrieristen“ herzog, von denen sie „nicht regiert werden“ wolle. „Das war ungeschickt formuliert“, befundet Stainer-Hämmerle. Allerdings sei das aus der Situation heraus entstanden, dass Meinl-Reisinger ständig damit konfrontiert werde, dass sie ein drei Monate altes Baby habe, und wie das Baby mit dem Wahlkampf vereinbar sei. „Ein Mann wurde noch nie gefragt, wie er sein drei Monate altes Baby mit dem Wahlkampf vereinbaren kann“, sagt Stainer-Hämmerle.

Der Erfolgsdruck bei Neos ist jedenfalls groß. Die Partei tritt seit 2013 auf der Stelle. Ihr Big Spender, der Bautycoon Hans Peter Haselsteiner, hat am vergangenen Sonntag im KURIER das Abschneiden der Neos bei der Nationalratswahl 2017 als „Katastrophe“ und „krachende Niederlage“ bezeichnet, weil die Neos von den zwölf Prozent Grün-Stimmen, die auf dem Markt waren, „null“ gewonnen hätten.

 

Alle Inhalte anzeigen

Licht in Strolz-Rückzug

Damit kommt Licht in die Hintergründe des überraschenden Strolz-Rückzugs im Vorjahr. Haselsteiner hat dem damaligen Neos-Chef das schlechte Abschneiden bei der Wahl vorgehalten. In seiner bemerkenswerten Abschiedsrede sagte Strolz denn auch: „Ich will kein Sesselkleber werden. Vorwärts im Fluss des Lebens!“