Politik/Inland

Fiedler: "Van der Bellen hätte Regierung entlassen können"

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Franz Fiedler, Ehrenpräsident von Transparency International und Rechnungshofpräsident von 1992 bis 2004, hielt Freitagabend mit seiner Meinung zur aktuellen Justizaffäre nicht zurück. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen den nunmehr suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek sowie gegen den nach wie vor im Amt befindlichen Höchstrichter Wolfgang Brandstetter. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) lud Finanzminister Gernot Blümel am Freitag zur Einvernahme.

Es sei wieder einmal offenkundig geworden, dass "die Verfilzung zwischen Politik und Wirtschaft zu eng ist", konstatierte Fiedler in der ZiB2. Diese Verflechtung gelte es aufzulösen, das sei die erste Konsequenz der Causa.

Ob Österreich allgemein korrupter wird? "Es gibt mehr Grund für Ermittlungen", sagte Fiedler. Er orte einen "vermehrten Aufdeckungsjournalismus" im Land. Deshalb seien die Strafverfolgungsbehörden geradezu dazu gezwungen, Verdachtsmomenten nachzugehen.

"Nachweis außerordentlich schwierig"

Bei Brandstetter und Pilnacek steht im Raum, dass Amtsgeheimnisse verraten wurden. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Fiedler ordnete die Sache ein: "Der Nachweis, dass ein Amtsgeheimnis verraten wurde (…) ist außerordentlich schwierig." Er sei davon überhaupt überzeugt, dass nur ein Bruchteil der Fälle, in denen Amtsmissbrauch begangen wurde, an die Oberfläche dringen.

Es sei jedenfalls einigermaßen überraschend, dass Brandstetter "nicht vom Verfassungsgerichtshof suspendiert wurde", Pilnacek vom Justizministerium aber schon. "Es wird beiden das gleiche vorgeworfen. In einem Fall führt das zur Suspendierung, im anderen nicht", wunderte sich Fiedler.

Kritik an Van der Bellen?

Auch für Blümel gelte – wie Fiedler zurecht betonte – die Unschuldsvermutung. Ob er als Minister noch tragbar sei oder nicht, das könne man faktisch derzeit nicht belegen. Aber: "Was sagt den die wichtigste moralische Autorität, was sagt denn der Bundespräsident dazu?" Bundespräsident Alexander Van der Bellen könnte "Abhilfe" schaffen. Er könne den Bundeskanzler darum bitten, ihm vorzuschlagen, Blümel seines Amtes zu entheben.

Weiter im Text: Falls Kanzler Sebastian Kurz dieser Bitte nicht nachkomme, könnte Van der Bellen ja auch die gesamte Bundesregierung entlassen. "Der Bundespräsident hat das nicht gemacht", schlussfolgerte Fiedler. Van der Bellen halte also nicht die gesamte Regierung für untragbar, weil gegen einen Minister ermittelt werde. Er hat sich grundsätzlich still verhalten. Das könne nur bedeuten: "Er hält diese Regierung, mit einem Mitglied das in ein Strafverfahren verwickelt ist, ohne Weiteres für tragbar."

Dass die ÖVP-Kritik an der WKStA ein „Angriff auf den Rechtsstaat“ sei, diese Argumentation halte er für überzogen. Unklug seien die Angriffe aber auf jeden Fall: "Kritik muss sich jede Behörde gefallen lassen, auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft."

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