Othmar Karas in der ZiB2: "Ich war nie ein Parteisoldat, bin keine Sprechpuppe"
Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft ist noch keine zweieinhalb Wochen alt. Doch schon jetzt wird angesichts der außenpolitischen Alleingänge von Ministerpräsident Viktor Orbán europaweit über den weiteren Umgang mit der nationalkonservativen Fidesz-Regierung in Budapest diskutiert.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nach Orbáns "Friedensmissionen", die ihn zuletzt zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Chinas Staatschef Xi Jinping und Ex-US-Präsident Donald Trump führten, zum Boykott der ungarischen Ratspräsidentschaft aufgerufen. An künftigen informellen Ministertreffen sollen keine Kommissare mehr teilnehmen, sondern nur ranghohe Beamte.
In der heimischen Bundesregierung ist man sich darüber uneinig. Während sich Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) gegen einen Boykott aussprechen und ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner sowie Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher ihre Teilnahme an den EU-Ratssitzungen offen halten, heißt es von Seiten des Koalitionspartners: "Die Grünen Ministerinnen und Minister werden die informellen Treffen in Ungarn nicht wahrnehmen."
Karas verurteilt Orbáns Alleingang
Der scheidende Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), verurteilt das Handeln Orbáns in der Ukrainepolitik. Der ungarische Premier torpediere die Europäische Union, gefährde ihre Einheit und spiele sich als Friedensengel auf. "Als wäre er der einzige Mensch, der für Frieden ist. Ich kenne keinen Menschen in Europa, der nicht für Frieden wirbt", so Karas am Dienstagabend in der ZIB2.
Er habe Verständnis dafür, dass die Europäische Union Konsequenzen fordere: "Auch ein Viktor Orbán kann nicht tun und lassen, was er will." Von einem Boykott will Karas aber nicht sprechen. "Orbán wird im September in der Plenartagung im Europäischen Parlament konfrontiert, wenn er sein Programm präsentiert. Hier wird die Auseinandersetzung stattfinden. Es wird niemand boykottiert, es werden Gespräche miteinander geführt, auf der Ebene wie es der Sache entspricht."
Dem Vorschlag, Ungarn den Ratsvorsitz wieder zu entziehen, erteilt Karas eine Absage. "Das ist rechtlich nicht möglich, das wurde von den Mitgliedsstaaten bereits geprüft."
Nächster EU-Kommissar?
Zu einer möglichen Nominierung als österreichischer EU-Kommissar hält sich Karas bedeckt. Er freue sich über die breite überparteiliche Unterstützung von Neos und Grünen. Dass ausgerechnet die Partei, der Karas angehört, das verhindern will, kommentiert er so: "Wenn man einen Parteisoldaten sucht, bin ich der Falsche." Er sei nie ein Parteisoldat gewesen, "ich war nie eine Sprechpuppe".
Allerdings: "Wenn ich nominiert werde, stehe ich zur Verfügung."