Schramböck für Vorverlegung der Sperrstunde in Wien
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) informierte am frühen Vormittag über die wirtschaftliche Situation im Zuge der Corona-Pandemie. Sie sprach im Eingangsstatement von einer "wenig erfreulichen Situation", mit der man konfrontiert sei. Die steigenden Infektionszahlen hätten auch Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft. "Erste Warnsignale gibt es bereits", sagte Schramböck.
Die zuvor sichtbare Verbesserung der Wirtschaft gehe zurück: "Die wirtschaftliche Erholung hat wieder an Schwung verloren, das sieht man am wöchentlichen BIP-Indikator." Der wöchentliche Vergleich würde zeigen, dass der Abstand zum vergangenen Jahr wieder größer wird. Das BIP schrumpfe wieder stärker, so Schramböck.
Immerhin: Am Arbeitsmarkt gebe es leicht positive Entwicklungen. 290.700 Personen seien in Kurzarbeit. Das sind 5.800 weniger als vergangene Woche. Rund 405.000 Österreicher sind aktuell arbeitslos.
Deutschland soll Reisewarnung zurücknehmen
Für die Wintersaison habe sich der Branchenausblick "verdüstert". "Wir befinden uns in einer kritischen Phase, weil die Ansteckungszahlen entsprechend steigen." Reisewarnungen würden die Konsumlust in Österreich reduzieren und Arbeitsplätze vernichten.
"Jede Reisewarnung bringt negative Folgen mit sich, jede Reisewarnung gefährdet Arbeitsplätze." Zudem sei jede Neuinfektion eine potenzielle Bedrohung für den Arbeitsmarkt. Man müsse alles tun, damit die Reisewarnungen von Deutschland un den Niederlanden aufgehoben werden. Es sei das Gebot der Stunde, hier wirtschafts- und gesundheitspolitisch gegenzusteuern.
Vorverlegung der Sperrstunde
Die Reduzierung der Ansteckungen sei hier der wichtigste Faktor, meinte Schramböck. Die meisten würden im privaten Bereich stattfinden, nicht in Betrieben. Die meisten Neuinfektionen gibt es derzeit in Wien. "Die Ansteckungen in Wien und deren Folgen strahlen auf die Wirtschaft im ganzen Land aus“, sagte Schramböck. Deshalb halte sich auch eine Sperrstunde um 22 Uhr in der Bundeshauptstadt für "sinnvoll", wie es sie bereits in den westlichen Bundesländern gibt.
Aus dem oppositionellen Lager regte sich daraufhin Kritik. Vorverlegte Sperrstunden seien keine Lösung, sondern ein weiterer Teil des Problems, hieß es via Aussendung von NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. "Schramböck kann ja nicht ernsthaft glauben, eine Vorverlegung der Sperrstunde in Wien würde die österreichische Wirtschaft retten."
Nicht festlegen wollte sich die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Sie verwies darauf, dass sich die Stadtregierung für einen anderen Weg mit der Gästeregistrierung entschieden habe. Wenn der Bund eine Vorverlegung wolle, könne er diese ja verfügen
Investitionen in Digitalisierung
Um die Wirtschaft wieder zu stärken, sollen jetzt Investitionen in die Digitalisierung erhöht werden. "Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung ein Impfstoff für den Wirtschaftsstandort ist", meinte Schramböck. Die Digitalisierung hätte das Potenzial bis zu 1,9 an zusätzlichem BIP zu erwirtschaften. Ein Drittel aller Investitionen der aktuellen Investitionsprämie fließen bereits in die Digitalisierung. Die Investitionsprämie steht noch bis Ende Februar zur Verfügung. 20 Prozent des Recovery-Plans, laut Schramböck umgerechnet insgesamt 600 Millionen Euro, sollen ebenfalls in die Digitalisierung fließen.
FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer reagierte darauf verstimmt und ließ via Aussendung ausrichten: "Die Wirtschaftsministerin soll einmal schlüssig erklären, wie eine Digitalisierung bei den gefährdeten oder schon verlorenen Arbeitsplätzen, wie etwa bei ATB, MAN Steyr, FACC, Doka, Swarovski oder Casinos Austria helfen soll."
Beim Fixkostenzuschuss gab sich Schramböck zuversichtlich, dass eine Einigung mit der EU-Kommission gelinge. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager habe ihr bereits eine Obergrenze von 2 Mio. Euro zugesagt, Österreich wolle aber weiter 5 Mio. Euro. Ihre Pläne für ein "Österreich-Konsortium" für das MAN-Werk in Steyr wolle sie am Dienstag mit Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) besprechen, kündigte Schramböck an.
Arbeitsmarkt langfristig geschädigt
Die wirtschaftliche Situation ist global, wie auch in Österreich höchst angespannt. Das reale BIP dürfte 2020 laut Prognosen des WIFO und des IHS um 7 bis 7,3 Prozent sinken. Gleichzeitig erlebt Österreich den größten Beschäftigungseinbruch seit den 1950er Jahren. Für 2020 rechnen Wirtschaftsforscher mit einer Arbeitslosenquote von etwa 10 Prozent im Jahresdurchschnitt. Die Werte vor Corona dürften laut aktuellen Prognosen erst 2024 wieder erreicht werden.
Die Corona-Kurzarbeit ist aufgrund der angespannte Lage bereits verlängert worden: "Phase III" läuft seit 1. Oktober bis 31. März. Die Neuregelung sieht allerdings strengere Kriterien wie eine Mindestarbeitszeit von 30 und eine maximale Arbeitszeit von 80 Prozent vor. Laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer wollen 39 Prozent der Unternehmen die neue Kurzarbeit beantragen. Die größte Nachfrage gibt es in der Steiermark, Vorarlberg und Wien - allen voran im Gastgewerbe.
Für Arbeitnehmer besteht eine verpflichtende Weiterbildungsbereitschaft in der Nicht-Arbeitszeit. Die Weiterbildung wird durch das AMS gemeinsam mit dem Betrieb abgewickelt.
Die Staatsverschuldung wird 2020 um fast 15 Prozentpunkte von 70 auf fast 85 Prozent wachsen, vor allem aufgrund der enormen Staatshilfen. Immerhin dürften diese als Armutsprävention wirken. Die niedrigsten Einkommen haben bisher nicht unter der Coronakrise gelitten.