Pilnacek zur BVT-Razzia: Daten "nicht punktgenau" sichergestellt
Nach den Befragungen am Dienstag widmet sich der BVT-Untersuchungsausschuss auch am Mittwoch Zeugen aus dem Justizbereich. Zunächst musste Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium, zur umstrittenen Razzia beim Verfassungsschutz Rede und Antwort stehen. Er wurde erst über die Razzia informiert, als diese bereits im Gange war. In einer internen Sitzung soll Pilnacek außerdem das Vorgehen von Innenminister Herbert Kickls Kabinett als "Skandal" bezeichnet haben.
Pilnacek, hat deutlich seinen Unmut über die Vorgangsweise des Innenministeriums und der Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Verfassungsschutz-Affäre erkennen lassen. So hätte er sich erwartet, dass "der Dienstweg eingehalten" werde und sich sein Gegenüber im BMI direkt an ihn wendet.
Dass der Spitzenbeamte von den Vorgängen in der Causa alles andere als begeistert ist, war schon bekannt. So übte er laut einem medial veröffentlichten Sitzungsprotokoll einer am 12. März stattgefundenen Dienstbesprechung im Justizministerium Kritik daran, dass sein Pendant im Innenministerium, Peter Goldgruber, im Jänner direkt mit Staatsanwältin Ursula Schmudermayer Kontakt aufgenommen hatte.
"Wer mich kennt, kennt auch meine Emotionalität"
"Wer mich kennt, kennt auch meine mitunter zutage tretende Emotionalität", erklärte Pilnacek dazu im U-Ausschuss. Er hätte sich erwartet, dass "der Dienstweg eingehalten" werde und der Generalsekretär ihn informiere. "Ich hätte es für angemessen empfunden, dass die Kontaktaufnahme auf der gleichen Hierarchieebene stattfindet." Prinzipiell sei der höchste Beamte eines Ressorts aber verpflichtet, Verdachtsmomenten nachzugehen, wenn er von ihnen erfährt.
Auch die Staatsanwaltschaft selbst informierte den obersten Beamten im Justizministerium erst im Nachhinein über die umstrittene Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Ende Februar. Er habe von der Hausdurchsuchung mit dem Bericht der WKStA erfahren, "der am Tag nach der Durchführung erstattet worden ist", bestätigte Pilnacek. Grundsätzlich sei die Staatsanwaltschaft nicht zur Berichterstattung über einzelne Ermittlungsschritte verpflichtet, dazu komme, dass insbesondere die WKStA von viel Selbstständigkeit und "auch von einem hohen Ausmaß an Selbstbewusstsein geprägt ist", stellte Pilnacek fest. Die WKStA habe offenbar "keinen Anlass gefunden, uns in Kenntnis zu setzen".
Die Frage, ob er statt der Hausdurchsuchung den Weg der Amtshilfe empfohlen hätte, um an die gewünschten Unterlagen zu kommen, wollte Pilnacek nicht direkt beantworten, weil es sich um eine "Was wäre wenn-Frage" handle. Mehrmals, auch in der Frage nach etwaigen Ermittlungsfehlern, verwies er aber auf das Oberlandesgericht Wien, das die Razzia inzwischen größtenteils für unzulässig erklärt hat. Das OLG habe keine Dringlichkeit für eine Hausdurchsuchung erkennen können und die Amtshilfe für den besseren Weg erklärt.
Laut dem Sitzungsprotokoll vom Frühjahr kritisierte Pilnacek auch, mit der Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität (EGS) "einzumarschieren, war wahnsinnig auffällig". Es habe offenbar das Bemühen bestanden, eine Einheit zu suchen, die das notwendige Personal habe und außerdem keine Verbindungen zu den Verdächtigen, meinte Pilnacek dazu nun im U-Ausschuss nüchtern.
Allerlei Fragen der Abgeordneten, ob gewisse Vorgänge üblich seien, kommentierte Pilnacek meist allgemein. "Es ist außergewöhnlich und es ist in diesem Umfang nicht vorgekommen, dass so eine Institution der Republik untersucht wird, insofern ist vieles an dem Fall nicht üblich."
Konsequenzen wurden jedenfalls schon gezogen: Mittlerweile gebe es eine Weisung an die Korruptionsstaatsanwaltschaft, bei Zwangsmaßnahmen künftig Bericht zu erstatten. Es sei auch aufgetragen worden, Ausführungen der WKStA zu Rechtsmitteln und Rechtsbelehrungen vorab zu übermitteln.
Verwundert über Durchsuchung des Extremismusreferats
Pilnacek hat sich auch für unterschiedliche Angaben zur Beschlagnahmung von Daten ausländischer Nachrichtendienste rechtfertigen müssen. Er habe stets seinen aktuellen Kenntnisstand "getreu" wiedergegeben. Pilnacek ist aber auch der Meinung, dass "nicht punktgenau sichergestellt" worden sei. Auch sonst kritisierte er die WKStA. Überhaupt zeigte sich Pilnacek auf Befragen von Peter Pilz von der gleichnamigen Liste etwa einigermaßen verwundert, dass auch das Büro der Leiterin des Extremismusreferats im BVT durchsucht wurde. "Rechtswidrig" und unter der Leitung eines "rechtsextremen" Polizisten, wie Pilz eifrig assistierte - dieser Darstellung wollte Pilnacek allerdings dezidiert nicht folgen.
Mitgenommen wurde etwa eine CD, die mit dem (deutschen) Bundesverfassungsschutz beschriftet war. Pilnacek verwies darauf, bei der Hausdurchsuchung nicht dabei gewesen zu sein, aber nach seiner Auffassung "wurde nicht punktgenau sichergestellt", ließ er Kritik an der Staatsanwaltschaft anklingen. Gegen den Vorhalt von SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer, warum er zunächst öffentlich behauptet habe, es seien gar keine Daten von Partnerdiensten beschlagnahmt worden, wehrte sich der Spitzenbeamte: Er habe immer seinen jeweils aktuellen Kenntnisstand "getreu wiedergegeben". Zur Frage des Imageschadens des BVT sei er u.a. von Behördenleiter Peter Gridling informiert worden, dass es Anfragen von Partnerdiensten gegeben habe.
Nach ihm ist die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ilse Vrabl-Sanda an der Reihe - ihre Behörde ist für die Causa zuständig. Dritter Zeuge am Mittwoch ist Staatsanwalt Robert Jirovsky. Als Leiter der zuständigen Abteilung im Justizministerium nahm er eine Prüfung der Vorgangsweise der WKStA vor.
Seitenhiebe auf WKStA
Deutlich verschnupft ist Pilnacek, weil die Korruptionsstaatsanwaltschaft ihn nicht im Vorhinein über die Hausdurchsuchung beim BVT informiert hat. So konnte er sich im Laufe der Befragung den einen oder anderen Seitenhieb auch nicht verkneifen. Der Spitzenbeamte attestierte der WKStA etwa ein "hohes Ausmaß an Selbstbewusstsein" und merkte auch an, "es zählt zur Philosophie dieser Staatsanwaltschaft, das Ministerium nicht zu informieren". Sehr wohl Kontakt hatte Staatsanwältin Ursula Schmudermayer dagegen mit Pilnaceks Pendant im Innenministerium, Peter Goldgruber - den hat Pilnacek aber dann bei einer Dienstbesprechung untersagt. Seine Philosophie sei, "Einholung von Rat kann nicht schaden", richtete Pilnacek aus. Es gehe ihm dabei nicht um seine Person, versicherte er, sondern es sei mitunter für die Beurteilung einer schwierigen Sachlage gut, jemand außenstehenden zu fragen.
Auch sonst wurde einmal mehr deutlich, dass Pilnacek mit der Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft nicht glücklich ist: So meinte er, es wäre besser gewesen, wenn sich Schmudermayer wegen der Hausdurchsuchungsgenehmigung nicht erst an den Journalrichter in der Nacht gewandt hätte. Er verwies aber auch auf deren gestern im Ausschuss vorgebrachte Angaben, wonach sie mit den schriftlichen Vorarbeiten nicht rechtzeitig fertig geworden sei.
Johanna Jachs von der ÖVP fragte Pilnacek, warum Schmudermayer jenes Urteil des Oberlandesgerichts Linz, wonach die Daten von Anwalt Gabriel Lansky nicht gelöscht werden müssen, zum Zeitpunkt der Razzia nicht kannte. Hintergrund: Dass die entsprechenden Dokumente im BVT nicht gelöscht wurden, war eigentlich einer der Vorwürfe, auf denen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in der Causa beruhten. "Das kann ich mir eigentlich nicht erklären, warum ihr das nicht bekannt sein soll", meinte Pilnacek. Er sagte aber auch, dass bei den Lansky-Daten nicht ausreichend differenziert werde, es gebe nämlich unterschiedliche Themenkomplexe und mehrere Gerichtsentscheidungen dazu.
Auch die Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse Vrabl-Sanda, ließ Pilnacek nicht außen vor. Angesprochen darauf, dass ein Staatsanwalt den Präsidenten des Straflandesgerichts vorab von einer delikaten Aufgabe für den Journalrichter informiert hat, erklärte Pilnacek: "Ich bin vielleicht ein förmlicher Mensch", aber er wäre in Person der WKStA-Leiterin an einen Gerichtspräsidenten herangetreten. Vrabl-Sanda ist ab Mittag die zweite Auskunftsperson im U-Ausschuss heute.
Vrabl-Sanda nimmt ihre Behörde in Schutz
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft bleibt ihrer Linie im BVT-U-Ausschuss treu. Auch Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda sieht kein Versagen ihrer Mitarbeiter und keine Instrumentalisierung durch das Innenministerium.
Vielmehr hob sie hervor, dass es nicht der Job der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sei, in brisanten Fällen wegzuschauen: "Wir wollen keine Staatsanwaltschaft, die ohne Courage von großen Korruptionsverfahren ablässt oder resigniert." Dass nun ihre Behörde in ein ungünstiges Licht gerückt werde, mache sie "sehr betroffen".
Vrabl-Sanda erinnerte daran, dass die Aufhebung der Hausdurchsuchungen durch das Oberlandesgericht eine "diffizile Rechtsfrage" gewesen sei. Das OLG habe dabei aber auch bestätigt, dass ein Tatverdacht gegeben sei. Warum man sich für die Razzia entschieden habe, erklärte sie mit der Gefahr der Selbstbelastung des beschuldigten BVT-Chefs Peter Gridling bzw. mit der Notwendigkeit private Dokumente sicherzustellen, was im Rahmen der Amtshilfe schwierig gewesen wäre.
Sie selbst war eigenen Angaben zu Folge von Beginn an mit den Ermittlungen in der Causa konfrontiert, was in solch heiklen Fällen üblich sei. Von der Hausdurchsuchung im BVT habe sie am Tag vor dieser erfahren. Dass sie von einem Journalrichter außerhalb der regulären Dienstzeit genehmigt wurde, sei ihr im Nachhinein bekannt geworden.
Bei der Razzia war ja nicht wie in solchen Fällen üblich das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung sondern die Einsatzgruppe gegen Straßenkriminalität zum Einsatz gekommen. Begründet wurde dies von Vrabl-Sanda wie von allen anderen Auskunftspersonen damit, dass gegen Spitzenbeamte des BAK im Zuge der Ermittlungen Vorwürfe erhoben worden waren. Die Behördenleiterin betonte freilich, dass es hier um eine Anscheinsproblematik gehe. Man gehe nicht von einer tatsächlichen Befangenheit aus.
So ungewöhnlich findet Vrabl-Sanda es übrigens nicht, dass im BVT eine Hausdurchsuchung stattgefunden hat. Denn selbst der BVT-Leiter habe in einem anderen Fall eine Razzia angeregt und die sei ebenfalls von einem Journalrichter genehmigt worden.
Bestimmt gab sich Vrabl-Sanda, was den Kontakt der Staatsanwaltschaft mit der Polizei angeht. Zwar fand auch sie alles mögliche Gefragte ungewöhnlich, etwa dass Kabinette Zeugen zur Verfügung stellen und als Vertrauenspersonen mitgehen, aber auch notwendig. Jeder, der etwas beizutragen habe, sollte das auch tun und beim Generalsekretär des Innenressorts Peter Goldgruber sei man davon ausgegangen, dass er dazu imstande sei.
Weiter ein Rätsel bleibt, wieso Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einer schriftlichen Anfragebeantwortung behauptet hat, dass die Staatsanwaltschaft vorzeitig darüber informiert war, dass die Zeugen schon vor ihrer Einvernahme vom Ministerkabinett befragt wurden. Vrabl-Sanda bestritt dies wie bisher sämtliche Auskunftspersonen aus ihrer Staatsanwaltschaft.
Goldgrubers Erscheinen laut Jirovsky "auffällig" und "unüblich"
Als dritter Zeuge ist im BVT-Ausschuss am Mittwoch Staatsanwalt Robert Jirovsky befragt worden, der als Leiter der zuständigen Abteilung im Justizministerium eine Prüfung der Vorgangsweise der Korruptionsstaatsanwaltschaft vorgenommen hat. Dass der Innenministeriums-Generalsekretär persönlich an die Staatsanwältin herantrat, um ihr ein Konvolut mit Vorwürfen zu übergeben, sei "auffällig" gewesen.
Üblich wäre gewesen, dass sich der Generalsekretär des einen Ressorts an sein Gegenüber im anderen Ressort, also dieselbe Ebene, wendet, erklärte Jirovsky und bestätigte damit jene Ansicht, die schon Justizministeriums-Generalsekretär Christian Pilnacek Mittwochvormittag im U-Ausschuss kundgetan hatte. Dass der ranghöchste Beamte eines Ministeriums persönlich zur Staatsanwältin kommt und Zeit investiert, um mit der Bitte der strafrechtlichen Prüfung ein Konvolut mit Vorwürfen zu übergeben, sei "absolut unüblich".
Er persönlich hätte sich gewünscht, dass die WKStA hier "ein bisschen sensibler" gewesen wäre, sagte Jirovsky. Gesetzmäßig habe sich die WKStA "völlig korrekt verhalten", betonte der Spitzenjurist, aber er als Staatsanwalt hätte in diesem Fall die Oberbehörde informiert. Immerhin handelte es sich um schwerwiegende Vorwürfe gegen Personen des öffentlichen Lebens, also einen Sachverhalt von öffentlichem Interesse.
Auf den Einwand der FPÖ, dass sich ein Verschlussakt und öffentliches Interesse doch widersprechen, stellte der Zeuge klar, der gesetzliche Ausdruck "öffentliches Interesse" habe nichts mit Medienberichterstattung zu tun, sondern mit einem Anspruch der Öffentlichkeit auf ordentliche Amtsführung. Die Oberbehörde sei außerdem kein Außenstehender, sondern die vorgesetzte Dienststelle und sei daher nicht auszuschließen, "ganz im Gegenteil".
Jirovsky verfasste im März eine Bewertung der umstrittenen Vorgänge. In Bezug auf den Vorwurf der Weitergabe nordkoreanischer Pass-Rohlinge an Südkorea hätte man demnach auf Amtshilfe setzen sollen, im Zusammenhang mit dem Verdacht des Datenmissbrauchs im BVT sei es aber "zumindest vertretbar" gewesen, zum Mittel der Hausdurchsuchung zu greifen. Insgesamt sei man deshalb zum Schluss gekommen, dass die Vorgangsweise der WKStA "vertretbar" gewesen sei - aber "wir hätten es wahrscheinlich trotzdem anders gelöst", sagte Jirovsky. Dass das Oberlandesgericht Wien die Razzia inzwischen für unzulässig erklärt habe, sei zur Kenntnis zu nehmen. Persönlich bleibe er aber auch aus heutiger Sicht dabei, dass die Einschätzung der WKStA vertretbar gewesen sei.