Grasser: "Hochegger ist auf einem opportunistischen Ego-Trip"
Bisher hatte er sich aufmerksam Notizen gemacht oder in Protokollen mitgelesen, während die Richterin die anderen Angeklagten einen nach dem anderen befragte. Heute kam im Buwog-Prozess erstmals der Hauptangeklagte Karl-Heinz selbst zu Wort.
Seine Verteidigungsrede nahm den gesamten Verhandlungstag in Anspruch. Ausführlich ging Grasser dabei auf die turbulenten ersten Monate der Regierung von ÖVP und FPÖ im Jahr 2000 ein. Er habe zu Beginn seiner Tätigkeit als Finanzminister sieben Tage die Woche 16 bis 18 Stunden am Tag gearbeitet, so Grasser. Es gab Ministerrücktritte. In dieser Situation arbeite niemand an Tatplänen, wie es die Staatsanwaltschaft vorwirft, sagte Grasser.
Wenig überraschend betonte Grasser, wie schon die Tage zuvor der zweitangeklagte Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger, dass es eine mediale Hetzjagd gegen ihn gegeben habe. Er sei dadurch auch beruflich blockiert gewesen, da ein Blick in Google gereicht hätte um zu sehen, was hier in Österreich gegen ihn los sei.
"Die Staatsanwaltschaft liegt falsch, die Anklage hat kein Fundament", betonte Grasser heute zu Beginn seiner Rede, in deren Verlauf er sich mit einem Energy Drink und Mineralwasser stärkte.
Geld "stammte von Schwiegermutter"
Punkt für Punkt versuchte Grasser in seiner rhetorisch ausgeklügelten und teils emotional gehaltenen Rede die Vorwürfe der Anklage zu entkräften. Dem sogenannten "Schwiegermuttergeld" räumte er besonders viel Zeit ein. Dabei geht es um 500.000 Euro, die Grasser von seiner Schwiegermutter geschenkt bekommen haben will - wovon allerdings die Schwiegermutter laut einer Erklärung nichts wusste.
Konkret habe die Schwiegermutter das Geld ihm und seiner Frau Fiona aus persönlichen Gründen geschenkt, unter anderem zur Hochzeit. Er habe aber gleich gewusst, dass er das Geschenk nicht annehmen werde. Physisch hatte Grasser das Geld, das ihm die Schwiegermutter in der Schweiz geschenkt haben soll, jedoch angenommen und über die Grenze nach Österreich gebracht. Das sei nicht illegal gewesen, betonte er heute. Er habe sich vorher beim damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums, dem mittlerweile verstorbenen Peter Quantschnigg, erkundigt, der ihm versichert habe, dass der Geldtransport über die Grenze legal sei. Damals war Grasser noch Finanzminister.
Grasser erklärte das Verhalten seiner Schwiegermutter heute damit, dass die damals etwa 70-Jährige nach einer Hausdurchsuchung und einer Steuerprüfung überfordert gewesen sei. Daher habe sie eine notarielle Erklärung abgegeben, dass sie nie die wirtschaftlich Berechtigte des Geldes auf dem Konto - wo Grasser das Geld veranlagt hatte - gewesen sei.
Geschickte Veranlagung
Er verstehe seine Schwiegermutter, sie habe damals nicht einmal mit ihm geredet, schilderte Grasser heute. Richtig sei, dass die Schwiegermutter ihm und seiner Frau 500.000 Euro schenken wollte, was er nicht annehmen wollte. Daher hatte er die 500.000 Euro bei der Meinl-Bank veranlagt - außerhalb der Banköffnungszeiten. Der Schwiegermutter habe er von der Veranlagung nichts erzählt, weil es sie, aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse, gar nicht interessiert habe.
Zuvor sagte Grasser, der als Beschuldigter nicht unter Wahrheitspflicht aussagen muss, dass er bei seinen Einvernahmen durch die Ermittlungsbehörden nicht alles zu den 500.000 Euro offengelegt hat. Dies habe zum Teil damit zu tun gehabt, dass es sich um den höchstpersönlichen Lebensbereich gehandelt habe.
Im Zuge der Finanzkrise habe er dann das Geld von der Meinl Bank auf eine sichere Bank transportieren wollen. Der Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki habe für ihn die St. Gallener Kantonalbank ausgesucht. Dort habe er das Geld, das er inzwischen von 500.000 auf 780.000 Euro vermehrt habe, für seine Kinder veranlagen wollen.
Fionas Kreditkarte
Auch auf laut Anklage verdächtige Bareinzahlungen auf eines seiner Konten ging Grasser ein. Eigentlich habe er nie Bareinzahlungen geleistet, jedenfalls nicht bis zu seiner Hochzeit mit Fiona Swarovski. Das änderte sich, weil die Kreditkarte seiner Ehefrau öfters nicht funktioniert habe und er habe einspringen müssen. Ausgaben für die gemeinsame Hochzeit seien so ein Fall gewesen.
Kritik an Bewegungsprofilen
Grasser, der heute teilweise sehr emotional reagierte, betonte, dass er seine sehr vermögende Frau Fiona aus Liebe zu ihr und nicht aus Liebe zum Geld geheiratet hat. Dass in seinem Ehevertrag eine Klausel stehen würde, wonach er jährlich eine Million Euro für den Lebensunterhalt beizusteuern habe, wie Medien berichteten, sei schlicht falsch.
Grassers Ehefrau hatte eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, dass das Geld von ihrer Mutter stamme und in ihrem Beisein in der Schweiz an Grasser übergeben worden sei. Bewegungsprofile, die die Staatsanwaltschaft erstellt hat, und wonach laut Anklage unmöglich ist, dass er das Geld von seiner Schwiegermutter im Beisein seiner Frau im von ihm angegebenen Zeitraum in der Schweiz erhalten habe, seien ebenfalls falsch, betonte heute Grasser. Wie überhaupt die Staatsanwaltschaft schlampig ermittelt habe, weil sie ihn unbedingt habe anklagen wollen.
Angriff auf Hochegger
Einen großen Teil seiner Rede verwendete Grasser für seine Replik auf das Teilgeständnis Peter Hochegger. Hochegger hatte zu Beginn des Prozesses angegeben, im Jahr 2005 bei einem Treffen mit dem Bankberater in Wien von der Involvierung Grassers erfahren zu haben. Grasser versuchte heute, die Glaubwürdigkeit Hocheggers zu erschüttern.
Er stellte Hochegger als geschickten PR-Mann dar, der nicht mehr ins Gefängnis wolle und daher zu Falschaussagen bereit ist. Er nehme ihm seinen Wandel "kühlen Geschäftsmann" zum spirituellen Yoga-Praktizierenden nicht ab. "Eine Schlange, die sich häutet, bleibt eine Schlange."
Dass er von Bankberater W. von den drei Liechtensteiner Konten erfahren haben will, und eines davon Grasser gehöre, könne nicht stimmen, sagte Grasser. Denn zwei der drei Konten seien zum fraglichen Zeitpunkt Anfang September noch gar nicht eröffnet gewesen.
Grasser monierte auch, dass Hochegger jahrelang bei den Ermittlungen nichts von seinem angeblichen Wissen über Grassers Korruption bei der Privatisierung der Bundeswohnungen preisgegeben habe. Entweder habe Hochegger damals gelogen, oder er lüge jetzt. Grasser sprach in diesem Zusammenhang davon, dass sich Hochegger für den "brasilianischen Weg" entschieden habe - sprich, er wolle alles unternehmen, damit er statt ins Gefängnis zurück in sein Haus nach Brasilien kann.
Treffen mit Meischberger-Anwalt
Zum Schluss rechtfertigte Grasser seine gemeinsamen Treffen beim Anwalt Meischbergers mit den Beschuldigten Meischberger und Ernst Karl Plech. Er habe sich damals mit einer "medialen Welle" konfrontiert gesehen und habe sich informieren müssen, sagte er.
Aus Sicht der Anklage hingegen dienten diese gemeinsamen Treffen beim Anwalt der Verschleierung der Korruptionsgeschäfte und der Geldflüsse. Im Herbst 2009, als die Korruptionsvorwürfe öffentlich aufgekommen waren, hatte Grasser mehrmals an einer "Großen Runde" beim - nun mitangeklagten - Anwalt Gerald Toifl teilgenommen. Später hatte Grasser dann getrennte Termine beim Anwalt.
Als er damals, im Herbst 2009, überhaupt von dem Provisionsgeschäft Meischbergers und Hocheggers mit dem Österreich-Konsortium bei der Buwog-Privatisierung erfahren habe, sei er zunächst "fuchtsteufelswild" auf Meischberger gewesen. Dieser sei nämlich in seiner Zeit als Finanzminister sein politisch-strategischer Berater gewesen und auch ein guter Freund. Die Basis der Freundschaft habe aber auch diese Krise überstanden. "Das war für mich eine Charakterfrage", meinte Grasser. "Ein Freund bleibt ein Freund, auch wenn dieser einen Fehler macht".
Meischberger habe sich in mehreren Aussprachen bei ihm entschuldigt, dass er ihn da hineingezogen habe. Meischberger habe aber auch gesagt, "Was willst du, Karl-Heinz, ich habe ja nur einen privaten Auftrag angenommen, ich kann ja kein Berufsverbot haben".
Im Schlusswort seiner Stellungnahme, die er um 9.30 Uhr begonnen hatte, erklärte Grasser erneut, er habe nie Geld genommen und nie Amtsmissbrauch begangen. Er hätte auch kein Motiv gehabt, sich sein Leben so zu ruinieren, da er "relativ viel" verdient habe. "Mir fehlt jedes Motiv für so ein Verbrechen, das mir vorgeworfen wird."