Politik/Inland

Burschenschafter: Rechte Parallelwelt mit Schmiss

"Ehre, Freiheit, Vaterland": Was für die einen Wahlspruch ist, ist für die anderen Kampfansage: Am Freitag prallen diese Welten beim Akademikerball aufeinander.

Doch wer sind die Menschen, die sich in der Hofburg treffen? Was zeichnet schlagende Verbindungen wie die Vandalia aus, der Vizekanzler Heinz-Christian Strache oder Johann Gudenus angehören? Wie politisch sind Olympia, Albia und Co und was bewegt junge Menschen heute einer Burschen- oder Mädelschaft beizutreten? Der KURIER sprach auf der "Bude" mit Mitgliedern und Kritikern.

Wo Blut Aufnahmekriterium ist

Ob er nochmals eintreten würde, nein, das würde Günter Cerwinka nicht mit Gewissheit sagen. „Ich bin mit einer gewissen Naivität Burschenschafter geworden“, sagt er. 1959 war er als junger Geschichtestudent in die Allemannia Graz eingetreten. Was ihn angezogen hat? „Die Aura des Romantisch-Geheimnisvollen einer Studentenverbindung.“

Mittlerweile ist Cerwinka emeritierter Professor und sein Blick auf Burschenschaften hat sich stark verändert. Fragt man ihn, einen „Alten Herrn“ in der Allemannia, was ihn stört an den Burschenschaften, so ist die Liste lang: Da ist der Umstand, dass der Staat gering geschätzt, das „Volk“ hingegen überhöht wird, sagt er. Da ist die „Germanomanie“ der österreichischen Burschenschafter, also die Devise, dass man sich „deutscher als die Deutschen“ fühle. Und da ist die Sache mit der Abstammung: Dass „Blut“, wie es unter Burschen und Mädeln heißt, das Aufnahmekriterium ist, lässt ihn kopfschütteln: Wer nicht deutschstämmig ist, hat nämlich noch immer bei vielen Burschenschaften keinen Zutritt – im größten und ältesten Dachverband der Männerbünde Österreichs und Deutschlands, der Deutschen Burschenschaft, wurde deshalb vor einigen Jahren über die Einführung eines „Ariernachweises“ diskutiert.

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Schwer wiegt für Cerwinka auch, dass es „keine klare Abgrenzung zu Bewegungen wie den Identitären, PEGIDA oder Ähnlichem gibt“, sagt er. Die Nähe zu rechtsradikalen oder -extremen Gruppen wird oft mit dem Recht auf Meinungsfreiheit legitimiert – ebenso wie „eine revisionistische Geschichts-auffassung“, also Zweifel an Forschungsergebnissen über Kriegsschuld oder den Holocaust, die durchaus in einigen Burschenschaften anzutreffen sind.

Freilich: Nicht in allen Burschenschaften ist das so. „Die Kritik ist keine pauschale“, sagt der Historiker; „ein beträchtlicher Teil denkt ähnlich wie ich.“ In seinem Bund seien es vor allem die Älteren, die eine eher liberale Haltung hätten; allein, die Jüngeren „treten forscher und schärfer auf.“ Kritische Debatten darüber gebe es noch zu wenige, sagt er. Er habe vielmehr den Eindruck, „dass die Burschenschaften den Einfluss, den sie an den Universitäten verloren haben, neuerdings als Führungsreservoir einer politischen Partei wettmachen wollen“, so Cerwinka.

Interne Reformen seien nötig, denn die seien sinnvoller als mediale und „oft undifferenzierte Zurechtweisungen von außen“, wie Cerwinka sagt. Bleibt für ihn zu hoffen, dass die Vorstöße auch andere zur Kritik anregen. Und wenn nicht? „Den allfälligen Vorwurf der Nestbeschmutzung halte ich aus“, sagt er.

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FPÖ-Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller mag als Prototyp eines "Mädels" gelten, mit ihrer recht braven Optik, dem immer um den Hals geschlungenen Tuch.

Gudrun (Name von der Redaktion geändert) passt da weniger ins Bild. "Ich laufe teilweise mit blauen und pinken Haaren herum, mich würde man optisch vermutlich gar nicht so in dieses Eck stellen", sagt sie; und auch die vielen Piercings im Ohr passen kaum zum Bild des Dirndl-tragenden Mädels, das man landläufig im Kopf hat.

"Wenn es von der Ideologie passt ..."

Wie das geht? Ganz gut, offenbar: Denn Optik und Ideologie folgen schon länger nicht mehr den gängigen Stereotypen. Gut beobachten lässt sich das in der neu-rechten Szene, die beinahe Hipster-durchsetzt wirkt.

Die Gründe, warum Gudrun bei einer Mädelschaft ist, sind hingegen ziemlich traditionelle: Ihre Eltern sind bei Verbindungen, und ja, eine gewisse politische Überzeugung ist natürlich auch nicht zu leugnen. "Eine Mädelschaft ist ein Bund, in dem Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund steht. Wir treffen uns, quatschen, politisieren, wir feiern in Kneipen."

Die Familie und die politische Sozialisierung sei meist der Grund, warum junge Menschen Verbindungen beitreten, sagt auch Bernhard Weidinger von Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. "Auf der Straße wird kaum wer angesprochen." Ansprechend seien zudem billige Unterkünfte und soziale Kontakte: In der Wiener Albia zahlt man etwa 70 Euro Mitgliedsbeitrag, die Zimmer kommen auf etwa 250 Euro.

Dazu kommt, dass Burschen- und Mädelschaften – ähnlich wie katholische Verbindungen wie der CV – Netzwerke sind, über die sich Karriere machen lässt. "Natürlich gebe es "keine Verpflichtung, einander zu helfen", sagt Albia-Chef Udo Guggenbichler, aber dass Mitgliedschaften nützlich sind, ist unbestritten – gut beobachtbar ist das ja an der FPÖ.

Zulauf verzeichnen Burschenschaften darum aber nicht, Mädelschaften hingegen schon. In den vergangenen Jahren gab es sogar Neugründungen. Woran das liegt, ist auch für Experten schwer zu sagen: Dass Männer durch den " Schmiss" leichter stigmatisiert sind, Frauen ihre Zugehörigkeit aber nicht angesehen wird, ist zumindest eine Erklärung.

Ein Äquivalent für die blutige und umstrittene Mensur – den Fechtkampf, der für den Aufstieg nötig ist –, gibt es bei den Frauen keines. Dort wird man durch den Studienerfolg und die Prüfungen von der Fäh zum Mädel und zur Hohen Dame. Nur Kneipen gehören zum Repertoire, wie bei den Männern, sagt Gudrun: "Ja, trinken gehört manchmal auch dazu."

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