Politik/Inland

Brisantes Urteil könnte Feiertagsregel in Österreich ändern

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht unmittelbar bevor. Am 22. Jänner wird in Luxemburg das Urteil verkündet, ob Österreich einen zusätzlichen allgemeinen Feiertag bekommt - zumindest ökonomisch. Es geht um die Frage, ob nicht-evangelischen Arbeitnehmern am Karfreitag  ein Feiertagszuschlag zusteht.

Der Generalanwalt des Gerichtshofs hat im April 2018  in seiner Stellungnahme gesagt, dass er in der derzeitigen österreichischen Regelung eine Diskriminierung der nicht-evangelischen Arbeitnehmer erblickt.

In ca. 80 Prozent der Fälle folgt der EuGH der Meinung des Generalanwalts. Ob er es auch diesmal tut, erfährt man am 22. Jänner. An diesem Tag steht "Urteil" in der Causa auf dem Gerichtskalender. Das Urteil wird dann zwar nicht unmittelbar rechtskräftig, aber die Richtung ist vorgegeben. Österreich muss dann eine nicht-diskriminierende Feiertags-Neuregelung schaffen.

Parallele zu Jom Kippur

Wird der Karfreitag tatsächlich zum allgemeinen Feiertag, wären die Folgen brisant, sagt Arbeits- und Sozialrechtsprofessor Wolfgang Mazal zum KURIER. "Ich glaube, man ist sich nicht bewusst, um welche hochsensible Frage es hier geht", meint der Professor, der sich den rechtshistorischen Hintergrund der Feiertagstregelungen in Österreich genau angesehen hat.

Demnach sind alle Feiertage, auch die katholischen, staatliche Feiertage. Und zwar die meisten schon seit der Ersten Republik. Die Feiertage mit katholischem Anlass stehen außerdem seit den 1960ern im Konkordat, einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl.

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Es gibt allerdings zwei Feiertage, die keine allgemeinen staatlichen sind, sondern die nur Angehörige bestimmter Religionen genießen - das ist der Karfreitag für evangelische Christen und Jom Kippur für Juden. 

Mazal: "Diese Feiertage wurden eingeführt, um etwas für diese Glaubensgemeinschaften zu tun. Sie haben nichts Diskriminierendes an sich, sondern sind als Förderung gedacht. Der Antrag, den Karfreitag zum evangelischen Feiertag zu machen, wurde vom seinerzeitigen SPÖ-Vorsitzenden Bruno Pittermann im Nationalrat gestellt und unterzeichnet. Da steht als Begründung drinnen, man wolle etwas zugunsten der Evangelischen tun."

Der arbeitsfreie Tag zu Jom Kippur ist in einem Generalkollektivvertrag zwischen Wirtschaftskammer und ÖGB verankert, sagt Mazal. Jom Kippur ist jedes Jahr wechselnd im September oder Oktober, er ist ein Versöhnungsfest, an diesem Tag soll nicht gearbeitet werden, steht im 3. Buch Mose.

Mazal: "Wenn der Karfreitag als diskriminierend gilt, dann ist es auch Jom Kippur, denn diese beiden Feiertage sind rechtlich derselben Kategorie zuzuordnen."

Tausche Montag gegen Freitag?

Zwei Mal Feiertagszuschläge mehr? Das würde die Wirtschaft nicht akzeptieren. Die Wirtschaftskammer argumentiert, mit dreizehn gesetzlichen Feiertagen habe Österreich mehr Feiertage als die meisten anderen Länder. Ein Feiertag würde die Wirtschaft rund 600 Millionen Euro kosten.

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Der evangelische Bischof Michael Bünker schlägt vor, dass im Falle der Aufwertung des Karfreitags zu einem allgemeinen Feiertag stattdessen der Pfingstmontag gestrichen werden soll. Dieser ist nämlich nicht im Konkordat verankert und könnte vom Parlament abgeschafft werden.

Allerdings hängt dann der schulfreie Dienstag nach Pfingsten in der Luft. Über diesen schulfreien Dienstag (auch den nach Ostern) gibt es ohnehin seit Längerem Diskussionen, weil geschlossene Schulen arbeitenden Eltern das Leben erschweren.

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Mazal zum Bünker-Vorschlag: "Der Tausch wäre rechtlich grundsätzlich möglich. Aber das Abschaffen des schulfreien Dienstags müsste man der Lehrergewerkschaft erst schmackhaft machen."

Nicht gelöst wäre das Thema Jom Kippur, was Mazal mit "hochsensibel" meint. Denn Jom Kippur als kollektivvertraglichen Feiertag abzuschaffen, ist politisch wohl nicht möglich. Aber welchen anderen Feiertag könnte man dafür eintauschen? Oder soll man Jom Kippur als 14. allgemeinen Feiertag einführen?