Brisanter Pilnacek-Mitschnitt: Nehammer stellt sich hinter Sobotka
Auch Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hat am Mittwoch auf die Affäre um Christian Pilnacek reagiert. Der Spitzenbeamte hatte im Juli in einem Wiener Innenstadtlokal davon erzählt, unter anderem von Nationalratpräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) unter Druck gesetzt worden zu sein, Verfahren einzustellen. Nehammer stellte sich am Mittwoch öffentlich hinter Sobotka. Dieser "hat mein Vertrauen", betonte der Kanzler am Mittwoch vor Journalisten. Er ortet "einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung".
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"Um Politik zu machen, wird hier die Totenruhe gestört"
"Ich muss ganz offen sagen, dass ich es persönlich mehr als pietätlos finde, was hier gerade passiert", sagte Parteichef Nehammer im Pressefoyer nach dem Ministerrat auf Journalistenfragen. "Um Politik zu machen, wird die Totenruhe gestört." Dies warf der Kanzler auch Journalisten vor: "Sie würden mir die Frage nicht stellen, würden Sie die Totenruhe nicht stören." Pilnacek könne sich nicht mehr dazu äußern. "Wir erleben hier gerade einen Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung", befand Nehammer, dies sei "moralisch nicht vertretbar". Er werde sich daher nicht an dieser Diskussion beteiligen.
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Der zuletzt suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, ist vor wenigen Wochen verstorben. Nun ist eine heimliche Aufnahme eines Gesprächs Pilnaceks bei einer abendlichen Runde mit Bekannten in einem Innenstadtlokal Ende Juli aufgetaucht. Dabei ist Pilnacek zu hören, wie er sagt, die ÖVP habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen abdrehe, was er stets alles abgewehrt habe.
Rücktritt ist kein Thema
Namentlich von Pilnacek genannt wurde der frühere Innenminister und heutige Nationalratspräsident Sobotka. Auf die Rücktrittsaufforderungen der Opposition geht die ÖVP weiterhin nicht ein: "Wolfgang Sobotka hat mein Vertrauen", unterstrich Nehammer auf eine entsprechende Frage. Auch Nehammer verwies wie schon sein Generalsekretär Christian Stocker tags zuvor darauf, dass Pilnacek in Untersuchungsausschüssen unter Wahrheitspflicht klar gesagt habe, dass es keine Interventionen gegeben habe.
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Der Koalitionspartner reagiert verhalten
Die Grünen reagieren weiterhin zurückhaltend. Der im Pressefoyer als Grünen-Vertreter anwesende Gesundheitsminister Johannes Rauch verwies darauf, dass seine Parteikollegin Justizministerin Alma Zadic die "Garantin" dafür sei, dass Dinge aufgeklärt werden - "in aller Ruhe, in aller Sorgfalt, in aller Deutlichkeit". Generalsekretärin Olga Voglauer hatte am Dienstag auch gemeint, sie an Sobotkas Stelle hätte auch angesichts früherer Vorwürfe "schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen".
Rücktrittsforderungen statt Budgetdebatte
Auch bei der Nationalratssitzung überschatteten die Audiomitschnitte die Debatte. Statt übers Budget wurde über die Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gesprochen.Die Opposition forderte geschlossen den Rücktritt des Parlamentschefs, während die ÖVP von einem "unwürdigen Schauspiel" sprach. Sobotka sicherte zu, die von der Opposition gewünschte Sonder-Präsidiale einzuberufen und dort alles "umfänglich" anzusprechen. Ihm gehe es darum, den Rechtsstaat zum Durchbruch zu verhelfen. Konkreter wurde der Präsident nicht.
Opposition fordert Konsequenzen
Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Philip Kucher meinte bei der von ihm gestarteten Geschäftsordnungsdebatte, Sobotka müsste wissen, was zu tun sei, um Schaden von der Republik abzuwenden. Das Amt werde durch ihn beschädigt: "Genug ist genug."Eine längere Rede hatte sich FPÖ-Klubchef Herbert Kickl vorgenommen, in der er diverse Vorwürfe gegen die ÖVP im allgemeinen und Sobotka im speziellen referierte. Kickl sah eine ganze Kette von schwerwiegenden Verfehlungen, die mit dem Nationalratspräsidenten im Zusammenhang stünden. Der zweithöchste Mann der Republik stehe im Verdacht, die Institutionen zum Durchsetzen parteipolitischer Machtinteressen zu missbrauchen und dann fehle ihm noch Horizont und Anstand zu wissen, was notwendig wäre.
NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger war immerhin "irritiert" über die Umstände, wie die neuen Vorwürfe an die Öffentlichkeit gekommen waren. Ebenso irritiert sei sie aber über das, was der vor kurzem aus dem Leben geschiedene Ex-Sektionschef Christian Pilnacek auf dem öffentlich gewordenen Tonband über Sobotka sage. Es sollte nicht der leiseste Verdacht bestehen, dass der Nationalratspräsident nicht die untadelige Person sei, die das Amt brauche: "Ich ersuche sie um ihren Rücktritt." Die Grünen meldeten sich nicht zu Wort.