Politik/Inland

Brandstetter: "Große Würfe wird es nicht mehr geben"

Wolfgang Brandstetter will noch schnell ein "Liadl" spielen, ehe es wieder an die Arbeit geht. Und da dringt auch schon Elvis Presleys "Don’t be cruel" aus dem Wurlitzer, der in einem Vorzimmer des Justizministeriums steht. Ob die Botschaft, nicht allzu grausam zu sein, an die zwei Dutzend Journalisten, die der Minister zu sich geladen hat, oder an den Noch-Koalitionspartner gerichtet ist, bleibt offen. Fix ist hingegen, dass der 59-jährige Justizminister seit Mittwochvormittag auch Vizekanzler ist. Und so muss er sich ab sofort nicht nur mit Strafprozessreform und Stiftungsrecht herumschlagen, sondern sich mit praktisch allen Themen befassen, die politisch relevant sind – und das in einer Zeit, in der die Koalition in Auflösung begriffen ist.

Brandstetter hat ja das Vizekanzleramt von Reinhold Mitterlehner übernommen, weil der Neo-ÖVP-Chef Sebastian Kurz selbst nicht "Vize" werden wollte.

Warum tut sich der Justizminister das an? Kurz habe zu ihm, dem parteifreien und stets um einen sachlichen Ton bemühten Ressortchef gesagt, er sei der Richtige in der derzeitigen Situation. Er könne am ehesten dafür sorgen, dass die Emotionen zurückgedrängt werden. "Ich habe gesagt, dass ich das mache, wenn ich noch etwas erledigen kann."

Viel wird das freilich nicht mehr sein, das gesteht der neue Vize-Regierungschef offen ein: "Große Würfe wird es nicht mehr geben können."

Wenige Stunden zuvor formulierte er lyrisch: "Diesem Anfang wohnt kein Zauber inne." Der Anfang ist ja der Anfang vom rot-schwarzen Ende. Und dieses Ende sei unumgänglich. "Es ging so nicht mehr weiter. Es gab auf beiden Seiten einen ziemlich großen Frust" – und etwas wehmütig und pathetisch meint Brandstetter: "Das Potenzial, das die Regierung gehabt hätte, hat sie nie ausgeschöpft. Es tut mir weh, dass wir nicht mehr geschafft haben."

Wichtig sei jetzt zu vermeiden, dass Chaos ausbricht. "Staatspolitische Verantwortung" hat auch der Bundespräsident bei Brandstetters Angelobung eingemahnt.

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Nun werde man sich "jedes Projekt genau ansehen". Dazu habe er auch bereits "ein konstruktives Gespräch" mit Christian Kern gehabt. "Der Bundeskanzler sieht das sehr pragmatisch", auch ihm gehe es darum, dass noch einiges umgesetzt werde. SPÖ und ÖVP haben am Mittwoch sogar vier Punkte vereinbart, die sie realisieren wollen, etwa dass die Studienbeihilfe und die Forschungsprämie erhöht wird (siehe hier).

"Es geht um Quickwins"

Es gehe primär um "Quickwins", also um rasch realisierbare Vorhaben. Das bedeute nicht automatisch, dass etwa Projekte wie die Bildungsreform, abgeschrieben seien. "Aber das ist natürlich von der Aufwendigkeit her etwas komplett anderes", dämpft Brandstetter allzu hohe Erwartungen.

Die gibt es freilich ohnedies nicht. Denn während Rot und Schwarz mit den erwähnten vier Vorhaben den Anschein erweckten, dass man gemeinsam noch ein paar Dinge erledigen wolle, war man bei der Gewerbeordnung bereits wieder uneins . Die fix-fertige Reform wurde, nicht wie ursprünglich geplant, beschlossen. Dass sich die ÖVP Mehrheiten jenseits des Noch-Koalitionspartners sucht, schließt Brandstetter wie sein Parteichef Kurz dennoch aus. So "cruel" wollen die Schwarzen dann doch nicht sein.