Asyl-Beratung: Massive Kritik an Kickl-Plan
Er habe in seinem Ressort noch „einiges zusammenzuräumen“, hatte Innenminister Herbert Kickl ( FPÖ) am Vizekanzlerfest vor knapp zwei Wochen angekündigt. Und lässt diesen Worten nun Taten folgen: 2019 soll die Rechtsberatung in Asylverfahren neu aufgesetzt werden. Dazu wird die „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen“ (BBU) gegründet, wie im Ministerium bestätigt wurde.
Neu ist diese Idee nicht. Die BBU ist bereits im Regierungsprogramm vorgesehen. Demnach soll sie „unabhängige und objektive Rechtsberatung und qualitativ hochwertige Rückkehrberatung“ anbieten. Genau diese – gesetzlich vorgeschriebene – Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit zweifeln aber NGOs und Juristen wie der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk an.
Denn nach EU-Recht darf die Beratung „nicht in der Abhängigkeit der Behörde“, sprich des Ministeriums, stehen. Wobei es um eine „substanzielle Unabhängigkeit“ gehe, betont Funk: Konstruktionen, die nur zu einer formalen Unabhängigkeit führen, seien „nicht zulässig“.
„Haben Ablaufdatum“
Momentan teilen sich die aus Diakonie und Volkshilfe bestehende ARGE Rechtsberatung und der Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) die Asyl-Rechtsberatung auf. VMÖ-Geschäftsführer Günter Ecker bleibt gelassen, wisse man doch seit elf Monaten, „dass es mit 1. 1. 2020 zu einer Strukturreform kommen wird“. „Wir haben ein Ablaufdatum“, sagt Ecker und kündigt zugleich an, an dem Wechsel zur BBU „professionell“ und „konstruktiv“ mitarbeiten zu wollen. Darüber hinaus gehe er davon aus, dass die Weisungsfreiheit auch in der BBU „gelebt wird“.
So optimistisch ist Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser nicht, ganz im Gegenteil. „Hier geht es nicht nur um die Beratung im Asylverfahren, sondern um den Rechtsstaat an sich, der das Recht auf faire Verfahren durch rechtliche Vertretung sicherstellt“, warnt Moser.
Wie sie sieht auch Anny Knapp von der Asylkoordination den Rechtsstaat in Gefahr. Dass auch die BBU unparteiisch und objektiv beraten werde, glaubt sie nicht. Die Rechtsberatung sei wie eine anwaltliche Vertretung zu betrachten. Dass nun die eine Partei, also der Staat, auch die Beratung für die andere Partei übernehmen solle, sei „einfach absurd“, so Anny Knapp
Und auch, wenn die BBU nicht vor 2020 starten wird, denken die NGOs bereits an mögliche rechtliche Schritte. So will Knapp wie auch alle anderen Betroffenen auf die Ausgestaltung warten, vermutet aber, dass die Neuregelung wohl kaum mit der EU-Grundrechte-Charta konform sein wird.
Christoph Riedl von der Diakonie meint hingegen, dass der Gang zum Europäischen Gerichtshof gar nicht nötig sein werde. „Ich nehme an, dass das der Verfassungsgerichtshof in so einer klaren Sache selbst erledigen wird“, meint der Asylrechtsexperte.
An Unterstützung würde es nicht mangeln: Bereits im Frühjahr wurde in Sachen BBU ein offener Brief mit dem Appell an die Regierung gerichtet, den Rechtsstaat nicht in Gefahr zu bringen. Unterzeichnet haben ihn unter anderem alle heimischen Verfassungsrechtler von Rang und Namen.
„Verleumdung“ von Kurz
„Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) kämpft hingegen bereits – und zwar gegen Vorwürfe, im Mittelmeer mit Schleppern zusammenzuarbeiten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte in einem Interview behauptet, die im Mittelmeer aktiven NGOs würden nicht nur Menschen vor dem Ertrinken retten, sondern bewusst Migranten nach Europa bringen. Indirekt angesprochen wurden damit auch „Ärzte ohne Grenzen“, die mit dem Schiff „Aquarius“ vor Ort sind. Kurz habe damit die Grenze von der Kritik zur Verleumdung überschritten, meint dazu Margaretha Maleh, Präsidentin von MSF-Österreich. Die Crew des Schiffes handle auf ihren Missionen konform mit internationalem Recht.
Würde ein Boot in Seenot gesichtet, würden die Seenotleitstellen in Libyen und Italien kontaktiert. Aus Libyen erhalte man aber meistens keine Antwort, und die italienische Küstenwache erkläre sich für nicht zuständig.
Der Hilfsorganisation bleibe keine andere Wahl, als die Menschen aus dem Meer zu bergen und an einen sicheren Ort zu fahren. Die Menschen nach Libyen zu bringen, könne aufgrund der Menschenrechtslage im Land keine Option sein.