Andreas Bergthaler: "Der Bundeskanzler ist kein Virologe"
Die Corona-Infektionszahlen in Österreich sinken weiter, am Dienstag wurden 2.900 Neuansteckungen registriert. Das bedeutet aber nicht, dass die Pandemie vorbei sei, betonte Andreas Bergthaler, Virologe und Mitglied im Krisengremium Gecko, in der "ZiB2".
Noch sei unsicher, wie sich das Infektionsgeschehen in Österreich weiter entwickelt. So verzeichnen etwa Portugal und Südafrika derzeit einen starken Anstieg der hoch ansteckenden Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5. "Es gibt aber Unterschiede zu Österreich, bei uns war vor allem die Variante BA.2 dominant, die wahrscheinlich einen höheren Schutz vor BA.4 und BA.5 bietet", erklärte Bergthaler.
Zum Vorschlag von Chief Medical Officer Katharina Reich, die Maskenpflicht im Lebensmittelhandel auch über den Sommer beizubehalten, wollte sich der Professor für Molekulare Immunologie nicht konkret äußern. Er selbst werde aber weiterhin eine FFP2-Maske tragen, da man damit nicht nur sich selbst, sondern auch vulnerable und ältere Menschen in seinem Umfeld schützt.
Vierte Impfung im Spätherbst
Ähnlich wie die bisherigen Omikron-Varianten scheinen auch BA.4 und 5 weniger schwere Verläufe zu verursachen. Vor allem für die Risikogruppen lohne es sich aber, im Spätherbst an eine Auffrischungsimpfung zu denken, so der Experte. "Je länger die Impfung zurückliegt, desto schlechter ist das Immunsystem auf eine neue Variante vorbereitet."
Und eine solche könnte im Herbst neuerliche Maßnahmen erfordern. Welchen Fehler die Politik nicht wiederholen sollte? "Wenn eine neue Variante kommt, beginnt das mit sehr niedrigen Infektionszahlen. Da denken sich alle, wir haben ja eh kein Problem, die Spitäler sind leer. Aber epidemiologisch wäre das genau der richtige Zeitpunkt, um wieder Maske zu tragen und Vorkehrungen zu treffen", mahnte der Virologe. Nachsatz: "Ich könnte mir vorstellen, dass das in der Abstimmung von Bund und Ländern schwierig wird."
"Das stimmt traurig"
Nicht nur für die Kommunikation, auch für die Datenlage in Österreich fand er kritische Worte. "Wenn man da etwa nach Dänemark blickt, wo das viel besser funktioniert, stimmt das traurig."
Sollte uns Corona wirklich nicht mehr kümmern, wie Karl Nehammer am gesteckt vollen ÖVP-Parteitag euphorisch kundtat? "Der Bundeskanzler ist kein Virologe, das hat man da auch erkannt", kommentierte Bergthaler nüchtern. Er merkte aber an, dass die Situation für die Politik derzeit keine einfache sei. "Aber manche Fehler kann man vermeiden. Vor allem auf der Kommunikationsebene." Die Regierung sollte mehr denn je versuchen, transparent und selbstkritisch zu agieren und mit einer Stimme zu sprechen: "Denn die Pandemie können wir nur gemeinsam lösen."