Politik/Inland

Analyse nach Treffen Kurz-Trump: Austria, great again?

Der mächtigste Mann der Welt zeigt sich mit dem „very young leader“ Sebastian Kurz. Sind wir wieder wer in der Welt? Interessanterweise wird Sebastian Kurz international fast als eine Art Popstar, jedenfalls als eine Ausnahmeerscheinung betrachtet, speziell, seit die EU-Führungsfigur Angela Merkel schwächelt und der französische Hoffnungsträger Emmanuel Macron stark an Glanz eingebüßt hat. Der kriegt die links- wie rechtsradikalen Gelbwesten-Proteste einfach nicht in den Griff.

In der EU hat sich politisch ein Vakuum aufgetan – und Kurz nutzt mit fast manischer Reisetätigkeit die Gunst der Stunde. Spricht man speziell mit Deutschen, so bemerkt man schnell, wie sehr sie sich so einen wie ihn in der eigenen Politik wünschen. Einen, der trotz eines guten Jahrzehnts Politikerfahrung immer noch als Jüngling durchgeht und das grassierende Politikverdrossenheits-Virus in Schach halten kann. Da sieht man selbst über die freiheitliche Regierungsbeteiligung hinweg: Schließlich ist das Erstarken von noch deutlich rabiateren Populisten zur Normalität in Europa geworden.

Schüssels Tabubruch

Das war noch anders, als Jörg Haider als politischer „Gottseibeiuns“ am Cover des US-Magazins Time erschien. 19 Jahre ist das her, die FPÖ-Regierungsbeteiligung im Kabinett Schüssel wurde als unerhörter Tabubruch im In- und Ausland wahrgenommen. Bei Türkis-Blau blieb der internationale Aufschrei aus. Nach der großen Migrationswelle 2015 ist die These, dass unbegrenzte Zuwanderung nach (Mittel-)Europa verhindert werden soll, nicht mehr anstößig.

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Kurz hatte auch Glück: Die österreichische EU-Präsidentschaft fiel ihm quasi in den Schoß (und die heimische Beamtenschaft erledigte ihre Aufgaben tadellos). Als blutjunger Außenminister hatte Kurz bis dahin schon ein internationales Netzwerk geknüpft. Der smarte Jungstar wurde schon länger in deutschen Talkshows herumgereicht und zum Gegenmodell von Merkel hochstilisiert, mit der ihn tatsächlich wenig verbindet. Die CDU hat sich erst jetzt unter der neuen Parteichefin und unter dem Druck von Wahlniederlagen und drohender Spaltung zu einer migrationspolitischen Linie durchgerungen, die Kurz schon lange vertritt.

„Coverboy“ Kurz

Im Herbst des Vorjahres zierte Sebastian Kurz dann die Titelblätter der amerikanischen Magazine Time und Newsweek. Wenn ein österreichischer Politiker hier registriert wird, ist das schon was – auch wenn eher nur alpenländische Stereotypen strapaziert wurden.

Es ist dennoch Balsam auf der österreichischen Seele, die prinzipiell zwischen tatsächlicher und eingebildeter Bedeutung schwankt. Der gelernte Österreicher empört sich über die Politik, verfällt jedoch in Demutshaltung, sobald sich ihm ein echter Würdenträger nähert. Wir sind beleidigt, wenn uns andere kritisch sehen. Die (nicht ernsthaften) EU-Sanktionen haben wir lange nicht verziehen. Österreich wurde damals wie ein aussätziger Staat behandelt, Außenministerin Benita Ferrero-Waldner musste um jedes Händeschütteln mit europäischen Staatsoberhäuptern kämpfen. Eine Groteske, im Rückblick.

Wofür schätzt man uns?

Aber wofür steht Österreich in der Welt? Wohl in erster Linie für wunderbare Landschaft und die Geschichte der Monarchie. Touristisch betrachtet sollten wir daher eigentlich einen Glassturz über unsere Berge und die Kulturgüter stellen und uns als perfektes Habsburger-Disneyland präsentieren. Wir sind die Netten aus „Sound of Music“.

Trotz der Winzigkeit des Landes sind wir oft aufgefallen – leider nicht immer nur gut. Man erinnere sich an die Waldheim-Affäre 1986. Wer damals in die USA reiste, erlebte mit gemischten Gefühlen, dass Österreich erstmals nicht mehr mit Australien verwechselt wurde. Auch wenn Kurt Waldheim möglicherweise der falsche Anlass war und er im In- und Ausland auch für andere Zwecke instrumentalisiert wurde, begann mit ihm erst die ernsthafte Aufarbeitung der Nazi-Geschichte bei uns. Dabei war Waldheim davor allgemein geachteter UN-Generalsekretär. Ein Österreicher auf diesem Posten – ebenfalls ungewöhnlich!

Kreisky als Vermittler

Aber schließlich hatte schon Bruno Kreisky Wien als neutralen Konferenzort im Kalten Krieg positioniert. Außenministerin Karin Kneissl berief sich zu Beginn ihrer Amtszeit schlau auf ihn. Kurz verlegte medienwirksam sein Büro ins alte, holzgetäfelte Kanzlerzimmer, das auch Kreisky nutzte.

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Vermittler waren aber auch ÖVP- Politiker wie Erhard Busek und Alois Mock, die schon vor 1989 den Dialog mit der Opposition jenseits des Eisernen Vorhangs pflegten. Die Neutralität war dabei hilfreich (und ein guter Vorwand, sich überall herauszuhalten). Auch Kurz will international eine Rolle spielen. Bereits vier Mal hat er den russischen Präsidenten Putin getroffen. Im Weißen Haus empfing man Kurz diese Woche in überraschend hochkarätiger Runde. Die Österreicher-Delegation wirkte davon beinahe überrumpelt und zu klein.

Natürlich mögen Politiker wie Trump andere Erfolgreiche und Aufmüpfige. Aber vielleicht verfolgt er auch eine klarere Strategie, als wir dem „Weißen Haus“ zutrauen. Trump mag Angela Merkel nicht, er will den Exportweltmeister Deutschland schwächen. Er baut innerhalb der EU Verbündete auf. Dummerweise kann Österreich an keiner Schwächung seines wichtigsten Handelspartners interessiert sein. Österreichs Autozulieferindustrie – und nicht nur diese – hängt stark an Deutschland. Kurz sprach dieses Faktum übrigens deutlich an. Österreich sei ein kleines, schönes und wirtschaftlich erfolgreiches Land: „You might probably say a great country“, sagte Kurz zu Trump mit leichtem Anflug von österreichischem Schmäh. Immerhin. Darin waren wir ja immer schon gut, wenn auch nicht weltberühmt.