Gipfel: Hollande schert aus NATO-Linie aus
Am zweiten Gipfeltag waren die Proteste gegen die NATO, die Globalisierung und das Finanzkapitel noch nicht unter Kontrolle. Den Konferenzort Mc Cormick-Center am Michigan-See aber schirmten Hunderte mit Schlagstöcken bewaffnete Polizisten ab. Drinnen eröffnete ein gut gelaunter Gastgeber, US-Präsident Barack Obama, die Sitzung zu Afghanistan. „Wir sehen Fortschritte, wir werden den Krieg beenden“, appellierte Obama an die Afghanen und an deren Präsident Hamid Karzai.
„Afghanistan wird kein sicherer Hafen für Terroristen sein, die afghanischen Sicherheitskräfte werden dafür sorgen.“ Ein Großteil der Provinzen seien unter Kontrolle, der Rest folge bis 2014. Dann verlassen die ISAF-Kampftruppen Afghanistan. Er macht alles, um den mehr als zehnjährigen Einsatz als Erfolg darzustellen, Obama will damit im Wahlkampf punkten.
Nach außen bemüht sich die NATO um ein Bild der Geschlossenheit, doch die Verstimmung ließ sich nicht ganz verbergen. Auslöser war Frankreichs neuer Präsident François Hollande, der sich nicht von seinem Wahlversprechen abbringen ließ. Er will seine 3400 Soldaten noch heuer heimholen – zwei Jahre früher als vereinbart – versprach aber, Frankreich werde sich intensiv am Wiederaufbau beteiligen.
„Zusammenstehen“
Dennoch: Hollande schert damit aus der Bündnissolidarität aus. Für NATO-Einsätze gilt: „Gemeinsam rein, gemeinsam raus". Obama ging auf den Schwenk nicht ein, bekräftigte aber: „So, wie wir zusammen Opfer gebracht haben", werde man jetzt „entschlossen zusammenstehen".
Experten warnten, angesichts der logistischen Herausforderung des Abzugs von 130.000 Mann und Kriegsmaterial im Wert von 23 Mrd. Euro sei es gefährlich, wenn sich einzelne Staaten nicht an die Zeitpläne halten.
„Afghanistan wird aber nicht alleine gelassen", sagte Obama am Montag. „Eine Ausbildungsmission der NATO wird afghanischen Soldaten und Polizisten zur Seite stehen." Diese könnte bis 2024 im Land verbleiben. Kabul soll mit 3,2 Milliarden Euro jährlich unterstützt werden.
Njet zu Raketenabwehr
Die Spannungen über den teuren und nicht von Erfolg gekrönten Einsatz am Hindukusch stellte Fortschritte auf anderen Gebieten in den Schatten: Der erste Teil der Raketenabwehr für Europa ist einsatzbereit: US-Kriegsschiffe mit Abwehrraketen wurden auf der spanischen Marinebasis Rota stationiert, eine Radarstation in der Türkei und die Kommandozentrale im deutschen Ramstein in Betrieb genommen. In den nächsten Phasen sollen bodengestützte Abfangraketen in Polen und Rumänien stationiert werden. 2020 soll das System voll einsatzbereit sein und Europa vor Raketen aus Staaten wie dem Iran schützen. Obwohl Russland zu einer Beteiligung eingeladen ist, bleibt Moskau bei seiner schroffen Ablehnung.
Während der Chicago-Gipfel im Zeichen Afghanistans und Rüstungskooperationen stand, sollte das nächste Treffen laut US-Außenministerin Clinton der Balkan-Erweiterung gewidmet sein.
Faymann: "Die Stabilität Afghanistans ist in unserem Interesse"
Die 28 NATO-Mitglieder und ihre 22 Partnerstaaten – darunter das neutrale Österreich – verschmelzen immer mehr zu einem einzigen und globalen Sicherheitssystem. Das wurde am Montag zum Abschluss des NATO-Gipfels in Chicago besonders deutlich. An der Sitzung über Afghanistan nahmen – neben den NATO-Staaten – auch 13 ausgewählte Partnerländer teil. Bundeskanzler Werner Faymann begrüßte in seiner Wortmeldung den umfassenden NATO-Plan, der den Truppenabzug vom Hindukusch im Jahr 2014, das Ende des Kampfeinsatzes der ISAF, die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte sowie den Aufbau des Landes inklusive Frauenförderung umfasst. Der Plan kostet jährlich umgerechnet 3,2 Milliarden Euro, davon zahlt Österreich 18 Millionen Euro.
"Die Stabilität Afghanistans ist in unserem Interesse", sagte der Kanzler. Österreich werde vor allem im Rahmen der EU seinen Beitrag zur Ausbildung von Polizisten leisten.
Auswahlkriterium für die Einladung an die 13 NATO-Partner war ihr besonderes Engagement im internationalen Krisenmanagement. Österreich zählt zu diesen Staaten und der Bundeskanzler unterstrich in seiner zweiten Rede am Montag die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen NATO und Partnern als "Meilenstein der Politik. Sicherheit kann heute nicht mehr von einer einzigen Organisation oder von einem einzigen Land wahrgenommen werden." Faymann kündigte an, Österreich werde künftig eng mit der NATO im Kampf gegen die Cyber-Kriminalität kooperieren. Er forderte eine noch bessere Zusammenarbeit zwischen NATO, EU und UNO und unterstrich, dass es zwischen "aktiver Neutralität" und internationalem Friedensengagement "keinen Widerspruch" gebe.
Am Rande der Sitzungen traf Faymann kurz mit Präsident Obama zusammen. Auch mit Staatspräsident Hollande gab es einen Wortwechsel über den EU-Gipfel in Brüssel.
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