Politik/Ausland

Sicherheitsexperte in der ZIB 2: "Israel hat eine Botschaft gesendet"

Innerhalb weniger Stunden verübte Israel einen Doppelschlag gegen führende Köpfe von Hamas und Hisbollah. Wie explosiv ist danach nun die Lage im Nahen Osten? Der deutsche Politikwissenschaftler und Sicherheitsexperte Nico Lange war am Mittwochabend zu Gast bei Armin Wolf in der ZIB 2.

Schlag gegen Hamas und Hisbollah

Was ist passiert? Kampfjets aus Israel haben ein Haus in einem Vorort von Beirut, der Hauptstadt des Libanons, angegriffen. Dabei wurden nach Auskünften des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens vier Menschen getötet, darunter zwei Kinder. Laut israelischen Angaben befand sich auch der hochrangige Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukri unter den Opfern. Er sei das erklärte Ziel des Angriffs gewesen.

Der zweite Schlag erfolgte im Iran: In der Nacht auf Mittwoch wurde auch Ismail Hanija, Leiter des Hamas-Politbüros, Mitbegründer und Teil der obersten Führungsriege der radikalislamischen Hamas, in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet worden. 

"Israels Botschaft: 'Niemand ist sicher'"

"Wie gesichert ist es, dass Israel tatsächlich den Hamas-Chef Hanija getötet hat?", lautete die erste Frage von Moderator Wolf an den Sicherheitsexperten Lange, der via Skype in die Sendung zugeschaltet wurde. "Auch wenn sich Israel dazu nicht äußert, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch," so Lange und ergänzte: "Damit, dass es im Iran passiert ist, ist auch eine Botschaft verbunden: Nämlich, dass niemand sicher ist. Wenn Israel Täter für Angriffe und Verbrechen sucht, die gegen Israel begangen wurde, dann kann Israel diese auch erreichen. Egal wo, selbst im Iran."

Auf die Frage, was Hanijas Tod nun für die Hamas, aber auch den Krieg im Gaza bedeuten würde, meinte Lange: "Hanija trug als politischer Kopf der Hamas Verantwortung für deren schreckliche Verbrechen. Er stand bei Israel also auf der Liste der Feinde, er hat mit solchen Angriffen Israels daher rechnen müssen."

Angriff im verfeindeten Iran

"Wie kann man erklären, dass es möglich war, jemanden im Iran zu töten, dem Land des Erzfeindes Israels, jedoch nicht im Gazastreifen, der nur wenige Dutzend Kilometer entfernt ist von Tel Aviv nach 300 Tagen Krieg?", lenkte Moderator Wolf die Analyse als nächstes auf die Vorgehensweise Israels bei den Angriffen. Lange holte hierbei geschichtlich aus und erklärte, dass Israel seit der Islamischen Revolution im Iran dort immer wieder militärische Anschläge und Attentate verübt habe. "Offensichtlich sind die israelischen Geheimdienste im Iran sehr gut vernetzt", so der Experte. Und das habe Israel damit einmal mehr bewiesen. 

Auf die Frage, wie nun der Iran seinerseits darauf reagieren könnte, konstatierte Lange: "Das ist natürlich ein schwieriges Dilemma für den neuen Präsidenten des Iran, der ja seinen ersten Tag im neuen Amt hatte." Er glaube, dass der Iran einen regionalen Krieg vermeiden und somit die Schläge Israels auf sich beruhen lassen werde.

Vernichtung der Hamas "realistisch nach 300 Tagen Krieg?"

"In Gaza geht der Krieg weiter. Eröffnet Israel jetzt nicht mehrere Fronten gleichzeitig?", fragte Wolf dann nach. Lange dazu: "Israel hat ein Recht, sich zu verteidigen. Es hat auf die schrecklichen Angriffe am 7. Oktober reagiert. Für die Eskalation sind jene verantwortlich, die die ursprünglichen Anschläge auf Israel verübt haben. Ich hoffe sehr, dass es nun Gespräche geben wird."

Zum Ende wollte der ZIB 2-Moderator noch die Einschätzung des Experten wissen, ob denn das "erklärte Ziel" Israels, sprich die Vernichtung der Hamas, "nach 300 Tagen Krieg und rund 40.000 Toden in Gaza" noch realistisch sei. "Ich kann nicht beurteilen, wie viele Kämpfer der Hamas sich dort derzeit verstecken. Es scheint sich abzuzeichnen, dass eine vollständige Zerstörung aller Hamas-Kämpfer auf diese Art und Weise nicht möglich ist." 

Außerdem gäbe es noch eine politische Frage, die über allem stehe: "Wer wird Präsident der Vereinigten Staaten? Und was kann Joe Biden dort noch für etwaige Friedensprozesse erreichen?" Man müsse realistisch davon ausgehen, dass die Konflikte weitergehen werden – zumindest bis es Klarheit gibt, wer Präsident der USA wird, so der Experte abschließend.