Politik/Ausland

Diplomatenstadt Wien: Was die Amtssitze von UNO und Co Österreichs Wirtschaft bringen

UNO, OSZE, OPEC: Mit mehr als 50 Internationalen und nur teils staatlich finanzierten Organisationen zählt Österreich zu den bedeutendsten Amtssitzländern der Welt. Zusammen mit der hohen Anzahl an diplomatischen Vertretungen im Land hat das dem sogenannten „Zentrum der Diplomatie“, Wien, viel Ansehen eingebracht. 

Aber nicht nur: Die österreichische Wirtschaft profitiert ebenfalls von den Amtssitzen. Wie sehr, das berechnete nun das WIFO im Auftrag des Außenministeriums neu.

Demnach betrug die jährliche Wertschöpfung 2023 mindestens 1,7 Milliarden Euro. Das ist ungefähr um ein Viertel mehr als 2020, als das IHS zum letzten Mal eine ähnliche Studie veröffentlichte. 

"Mehr als alle anderen großen Länder"

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, der die Studie am Montag zusammen mit Außenminister Alexander Schallenberg vor Journalisten präsentierte, schätzt die Wertschöpfung auf etwa 0,3 Prozent des österreichischen BIP: „Das ist im Verhältnis mehr als alle anderen großen Länder, die Schweiz kommt vielleicht in die Nähe.“

Außerdem sichern die Organisationen und Botschaften fast 20.000 Arbeitsplätze im Land, heißt es in der Studie weiter.

Wohnungen, Gastro-Ausgaben, Schulgebühren

Relevant dürfte neben den Miet-, Energie- und Telekommunikationskosten der Organisations- und Botschaftsgebäude auch der Lebensstil der gutverdienenden Diplomaten aus dem Ausland in Wien sein: die Wohnungen, die ihnen meist die Dienstgeber zahlen; ihre Geschäftsessen in feinen Innenstadtlokalen; die Schulgebühren ihrer Kinder, die ebenfalls oft vom Arbeitgeber übernommen werden. 

Dazu kommen die vielen Gäste, 2023 waren es über 150.000, die für internationale Konferenzen anreisen und meist in vergleichsweise teuren Hotels nächtigen. Im April fand zum Beispiel eine große Veranstaltung zur Regulierung von autonomen Waffensystemen in Wien statt.

800 Millionen Euro an Steuern

Trotz Steuerbefreiungen, die eben genau Internationale Organisationen anlocken sollen, bleiben laut Felbermayr immerhin auch knapp 800 Millionen Euro an Steuern in Österreich hängen. Schließlich werde die Wirtschaft insgesamt angeregt: „Ein Tischler, der die Möbel für eine Botschaft baut, muss ja sehr wohl Steuern zahlen“, so Felbermayr. 

Überrascht hat den Ökonomen, dass laut der Studie „nur“ 80 Prozent der Wertschöpfungen auf Wien entfallen. Ein großer Teil der restlichen 20 gehe nach Niederösterreich, gar nicht wenige auch nach Oberösterreich. 

"Wichtig, dass Menschen gern nach Österreich kommen"

Zwar sind die österreichischen Kosten, besonders im Bereich Sicherheit, laut der Studie nur schwer abzuschätzen. Dennoch geht das WIFO von deutlich mehr Einnahmen als Ausgaben aus. „Wir sollten uns anstrengen und die hohe Aktivität internationaler Organisationen hier erhalten“, so Felbermayr. 

Das erfordere auch eine gewisse „Willkommenskultur“: „Es ist wichtig, dass Menschen gern nach Österreich kommen.“ In Umfragen unter Expats schneidet Wien beim Punkt "Freundlichkeit" in der Regel sehr schlecht ab. 

"Konkurrenz schläft nicht"

Außenminister Schallenberg bezeichnete die Stärkung Österreichs als Amtssitz als einen Schwerpunkt seines Ressorts, der angesichts der internationalen Krisen „wichtiger denn je“ sei. Doch die Konkurrenz schlafe nicht - konkret nannte der Politiker Paris und Kopenhagen, aber auch Dubai und Abu Dhabi

In den letzten Jahren gelang es Wien nicht immer, als Standort zu überzeugen – jüngst entschied sich etwa die EU-Geldwäschebehörde AMLA lieber für Frankfurt, die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA ging vor ein paar Jahren nach Amsterdam. Beide hätte man gerne in Österreich beheimatet.