Wie es Netanjahu nach dem Sieg des rechten Lagers anlegen will
Von Norbert Jessen
Der Konservative bleibt wohl Premier, könnte aber über eine Anklage stolpern. Benjamin („Bibi“) Netanjahu bleibt Israels Wahlkampf-Zauberer. Er bleibt auch Israels Premier. Denn sein Likud und der Block aus rechten Parteien sind weiter Israels Regierungsmacher. Die Dramatik der Wahlnacht setzt sich aber fort, auch nach dem gewonnenen Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem überraschend erfolgreichen politischen Neuling Benny Gantz und dessen erst zwei Monate alten „Blau-Weiß“-Bündnis.
Denn auf dem Weg in Netanjahus fünfte Amtsperiode steht noch Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit und winkt am Eingang zur Knesset mit der bisher unveröffentlichten Anklageschrift gegen den Premier. Schon bald werden mögliche Koalitionspartner wie auch Wähler konkreter wissen, was sich hinter dem Korruptionsvorwurf von Betrug, Untreue und Bestechung verbirgt. Auch die in einigen Monaten anstehende Anhörung steht jetzt unter dem Einfluss des Wahlsieges. Gleichzeitig laufen bereits Versuche des Likud, die drohende Erhebung einer Anklage so schnell wie möglich per Gesetz oder Beschluss im Parlament ganz zu verhindern.
Drohende Anklage
Das „französische Gesetz“, das Anklagen gegen amtierende Regierungschefs untersagt, hat freilich nur wenig Chancen. Falls doch, müssten die rechten Parteien dafür stimmen, Netanjahu würde jedoch politischen Handlungsspielraum verlieren. Für einen Premier in seiner wohl letzten Amtszeit wäre das auch ein Verzicht darauf, als Friedenspolitiker Geschichte zu schreiben.
Will sich im Frühjahr doch auch US-Präsident Donald Trump als Friedensmacher profilieren. Ein „Deal des Jahrhunderts“ zwischen Israel und Palästinensern liegt bereits in den Schubladen des Weißen Hauses. Kann Netanjahu diese Vorschläge seines großen Gönners im Weißen Haus rundweg ablehnen? 1999 zeigten die Wähler kein Verständnis für einen offenen Clinch mit dem US-Verbündeten – und wählten deshalb Netanjahu ab.
Immunität?
Ein ebenfalls mögliches Szenario: Netanjahu bringt erst seine Immunität durch und bricht danach mit seinen rechten Verbündeten. Sollte es zu einer ernsthaften US-Initiative kommen, kann er im Parlament mit einem Rettungsring rechnen, der von Links kommt. Wie bei allen bisherigen Kompromissansätzen. Linke Friedenspolitik wurde in Israel meist immer von rechten Premiers verwirklicht. Mit linken Stimmen.
Netanjahus schlechter Ruf
Was aber auch Netanjahus rechte Partner wissen. „Nirgendwo ist das Misstrauen gegen Netanjahu so groß wie auf der Rechten“, bescheinigte ein Siedlersprecher Netanjahu noch vor dem Wahlkampf, „niemand weiß besser, dass Netanjahu noch leichter Versprechen bricht, als er sie ausspricht.“ Die Siedlerlobby wird in den kommenden Verhandlungen auf einen strikten Zeitplan zur Verwirklichung des wichtigsten Versprechens Netanjahus beharren: die versprochene Annexion aller israelischen Siedlungen in den 1967 von Israel eroberten Gebieten.
"Sieg Gottes"
Auffallend ist das Abschneiden der arabischen Listen Israels sowie der ultra-orthodoxen Parteien. „Ein Sieg Gottes“, befand die Zeitung "Makor Rischon". Israels strengfromme Wähler stellen jetzt die zweit- und drittgrößte Partei. Sie sind größer als alle säkularen Ableger-Parteien. Die arabischen Parteien schnitten nach der Spaltung ihrer Einheitspartei deutlich schlechter ab als 2015. Die Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung: das neue Nationalstaatsgesetz, das Minderheiten und ihre Rechte nicht erwähnt. Hinzu kommt die Wahlkampf-Taktik der Mitte-Links-Parteien, jedes Bündnis mit den arabischen Parteien zu verweigern.