Weißrussland: „Sie können nicht das ganze Volk ins Gefängnis werfen“
Von Susanne Bobek
„Es kann sein, dass wir festgenommen werden, aber wir müssen weiter demonstrieren. Es geht um unsere Zukunft“, sagt der IT-Fachmann Vitalij aus Minsk zum KURIER. „Macht euch also keine Sorgen, sie können ja nicht das ganze Volk ins Gefängnis werfen.“
Am Sonntag ruft die Demokratiebewegung in Minsk zum „Marsch der Helden“ auf, der vor allem auch der verhafteten Maria Kolesnikowa gewidmet ist.
Vitalij und seine Freunde werden dabei sein, „selbstverständlich“ auch Großeltern und Eltern. „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Maria lässt sich ja auch nicht einschüchtern.“
Die 38-jährige Flötistin und Musikmanagerin hatte diese Woche nach einer brutalen Entführung ihren Pass zerrissen und damit ihre Abschiebung ins Nachbarland Ukraine vereitelt. Sie sitzt nun in Untersuchungshaft unter dem Vorwurf der versuchten Machtergreifung. Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko lässt seinen noch immer aus kommunistischen Zeiten KGB genannten Geheimdienst willkürlich Demonstranten aus den Menschenmassen fassen und vor aller Augen verprügeln.
Doch offenbar ist es zu spät für diese Einschüchterungsmaßnahmen. In Weißrussland arbeiten fast zwei Millionen junge Menschen in der IT-Branche, Belarus ist die IT-Werkbank Europas. Und daher tauchen fast stündlich neue Videoclips auf, die einen noch nie da gewesenen Zusammenhalt in der Bevölkerung erzeugen. „Wir haben viele Helden“, heißt es immer.
Lukaschenko muss am Montag übrigens nach Moskau zum Rapport. Einerseits stellte Putin dem Weißrussen für den Ernstfall auch Unterstützung von Truppen in Aussicht. Zugleich betonte er ab, dass die Menschen ein Recht hätten, ihre Meinung zu äußern.