Proteste in USA gehen weiter: Gouverneure gegen Trumps Militärplan
Von Irene Thierjung
„Möchtegern-Diktator“: So nannte der CNN-Korrespondent im Weißen Haus, Jim Acosta, Donald Trump nach dessen jüngstem Auftritt in der Krise um den Tod des Afroamerikaners George Floyd. Aber auch Kommentatoren, die Trump gegenüber grundsätzlich weniger kritisch eingestellt sind als Acosta reagieren mit zunehmendem Befremden auf die Äußerungen des 73-Jährigen.
Nach Drohungen vom Wochenende, dass bei Plünderungen geschossen werde und Demonstranten im Weißen Haus gefährliche Hunde und Waffen erwarteten, erwog Trump am Montag gar den Einsatz des US-Militärs. „Ich bin Ihr Präsident für Recht und Ordnung“, sagte er im Rosengarten des Weißen Hauses.
Bevor er sich mit einer Bibel vor einer nahe gelegenen Kirche ablichten (und dafür Demonstranten mit Tränengas vertreiben) ließ, richtete der Präsident eine Warnung an die Regierungen der Bundesstaaten, denen er Schwäche im Umgang mit den Unruhen vorwirft: „Wenn eine Stadt oder ein Bundesstaat sich weigern, Maßnahmen zu ergreifen, (...) um das Leben und den Besitz ihrer Bürger zu schützen, dann werde ich das Militär der Vereinigten Staaten einsetzen und das Problem schnell für sie lösen.“
Unklare Rechtslage
Juristen sind uneinig, ob Trump zu einem solchen Schritt überhaupt berechtigt wäre – ist ein polizeilicher Einsatz der Streitkräfte im eigenen Land doch verboten.
Eine Ausnahme ermöglicht der sogenannte Insurrection Act aus dem Jahr 1807. Das Gesetz sieht einen Armeeeinsatz zur Unterdrückung von „Aufständen“ und „Rebellionen“ vor – unklar ist allerdings, ob der Präsident ohne Zustimmung der einzelnen Bundesstaaten handeln könnte.
Diese reagierten bisher ablehnend. „Wir verzichten dankend“, sagte New Yorks demokratischer Gouverneur Andrew Cuomo. Jay Pritzker, Regierungschef von Illinois und ebenfalls Demokrat, bezeichnete Trump als „Aufrührer“, der die „Rassenspannungen“ nur weiter anstachele.
Der Gouverneur von Massachusetts, wie Trump Republikaner, forderte „Mitgefühl“, doch das sei bei Trump „nirgends zu finden“.
Großteils friedlich, aber auch Gewalt
Der weitaus größte Teil der landesweiten Demonstrationen verlief bisher friedlich, auch Polizisten beteiligten sich und setzten so ein Zeichen gegen Hass und Gewalt.
Auch zahlreiche Stars demonstrieren auf Kundgebungen oder online - etwa Sängerin Nicki Minaj, die das Schild eines Demonstranten postete. Darauf zu sehen: Die letzten Worte schwarzer US-Bürger, die in den vergangenen Jahren getötet wurden.
Immer wieder schlagen die Proteste aber in Gewalt um, es kommt zu Plünderungen und Zerstörungen. In Cicero, einem Vorort Chicagos, starben Montagabend zwei Menschen. In St. Louis wurden vier Beamte von Schüssen getroffen, auch in Las Vegas sollen Polizisten angeschossen worden sein.
In mehreren Bundesstaaten wurde der Notstand verhängt und die jeweilige Nationalgarde (freiwillige Milizsoldaten) einberufen. In mehr als 40 Städten gibt es nächtliche Ausgangssperren.
Nach Massenprotesten und erneuten Plünderungen in New York wurde die nächtliche Ausgangssperre für die Millionenmetropole bis einschließlich Sonntag verlängert. Das teilte Bürgermeister Bill de Blasio mit. Die Ausgangssperre in der Nacht auf Dienstag war von Tausenden Demonstranten ignoriert worden. Gouverneur Cuomo zeigte sich entsetzt. "Die vergangene Nacht war nicht gut", sagte er am Dienstag. Die Polizei in New York habe ihre Arbeit nicht getan.
Trump schrieb auf Twitter, New York sei "in Stücke zerrissen" worden. Er machte "Plünderer, Schläger, die radikale Linke und alle anderen Formen niedriger Lebewesen und Abschaums" dafür verantwortlich. Trump kritisierte, Cuomo habe sein Angebot zur Entsendung der Nationalgarde abgelehnt.
Nach New York hat auch der Bezirk Los Angeles County in Kalifornien eine Verlängerung der Ausgangssperre angeordnet. Bei den seit Tagen anhaltenden Protesten gegen Polizeibrutalität und Rassismus war es auch im Raum Los Angeles mit mehr als zehn Millionen Einwohnern zu Massendemonstrationen mit teils schweren Ausschreitungen und Plünderungen gekommen. Demos wurde auch aus Houston (Texas) erneut berichtet.
In Washington sollte am Dienstag von 19.00 Uhr an erneut eine Ausgangssperre gelten. US-Justizministers William Barr kündigte an, die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt würden in der Nacht auf Mittwoch noch einmal verstärkt.
Widersprüchliche Obduktionsergebnisse
Gegen den Polizisten, der vergangenen Montag mehr als acht Minuten lang auf George Floyds Hals gekniet war, obwohl dieser um Hilfe rief und sagte, er bekomme keine Luft, wird wegen Mordverdachts ermittelt.
Keine Anklage gab es bisher gegen die drei anderen Beamten, die ebenfalls am Tatort waren. Zwei von ihnen knieten ebenfalls auf Floyd, wie ein Video zeigt.
Laut offiziellem Obduktionsergebnis starb der 46-Jährige vermutlich durch eine Kombination aus Vorerkrankungen, die Festnahme und Suchtmittelmissbrauch. Eine zweite, von Floyds Familie in Auftrag gegebene Obduktion ergab Tod durch Ersticken.