Politik/Ausland

Ukraine: Explosionen in Charkiw + Warnung vor Staudamm-Sprengung

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat die Lage im Kampf gegen die russischen Invasoren als schwierig bezeichnet. Dies betreffe besonders den Donbass im Osten und einige Gegenden im Süden, sagte er am Donnerstagabend in seiner täglichen Videoansprache. "Aber wir behaupten uns. Wir verteidigen unser Land. Wir bewegen uns allmählich vorwärts und verdrängen den Feind." Die Ukraine werde in diesem Krieg siegen. "Terroristen verlieren immer. Freiheit gewinnt immer."

Selenskij bezeichnete die russische Taktik mit massiven Luftangriffen auf Kraftwerke und andere Infrastruktur als zum Scheitern verurteilt. "Russische Truppen greifen unsere Kraftwerke weiterhin mit Raketen und Drohnen an. Am Ende wird auch eine solche russische Gemeinheit scheitern." Russland wolle die Energieversorgung zerstören und das Nachbarland noch mehr leiden lassen. "Aber dies mobilisiert nur die internationale Gemeinschaft, uns noch mehr zu helfen und noch mehr Druck auf den Terrorstaat auszuüben."

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Die Ukraine habe am Donnerstag erneut russische Raketen und iranische Kamikazedrohnen abgefangen. "Leider schießen wir noch nicht alle ab. Es gibt auch Treffer, es gibt Zerstörung", sagte Selenskij. "Aber wir werden alles tun, um unseren Luftraum vollständig zu schützen."

In einer Videoansprache beim EU-Gipfel hatte Selenskij davor gewarnt, dass das Nachbarland auch den riesigen Staudamm des Wasserkraftwerks Kachowka in die Luft sprengen könne. Russland bereite ein "groß angelegtes Desaster im Süden der Ukraine" vor. Der Damm halte 18 Millionen Kubikmeter Wasser zurück. Wenn Russland den Damm sprenge, würden mehr als 80 Siedlungen, einschließlich der Stadt Cherson, rasch überflutet. Hunderttausende Menschen wären betroffen, die Wasserversorgung großer Teile der Südukraine könnte zerstört werden. Außerdem würde ein derartiger russischer "Terrorangriff" dem Atomkraftwerk Saporischschja das Kühlwasser entziehen, da dieses aus dem Reservoir aus Kachowka stamme.

Explosionen in Charkiw

Eine Reihe von Explosionen hat Freitag früh die Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine erschüttert. Das teilen der Gouverneur der gleichnamigen Region, Oleh Sinegubow, und Bürgermeister Ihor Terejkow, mit. Russische Streitkräfte haben in den vergangenen Wochen ihre Raketenangriffe die Elektrizitätswerke in der Ukraine verstärkt. In der Stadt Cherson kamen russischen Angaben zufolge vier Menschen bei ukrainischem Beschuss ums Leben.

Ukrainische Raketenartillerie habe am Donnerstagabend eine Fährüberfahrt getroffen, sagt der von Russland eingesetzte Vize-Gouverneur der Region, Kirill Stremousow.

Migrationswelle provoziert

Russland provoziere eine neue Migrationswelle von Ukrainern, die in die EU fliehen, sagte Selenskyj weiters. Die russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine sollten viele seiner Landsleute in die Flucht treiben. In seiner Ansprache forderte Selenskyj weitere EU-Sanktionen gegen Russland, aber auch den Drohnen-Lieferanten Iran "für die Zusammenarbeit mit dem Terrorstaat". Dem Iran müsse "jede Möglichkeit oder auch nur der Wunsch genommen werden, solche Drohnen an irgendjemanden zu liefern".

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nahm die Warnungen des ukrainischen Präsidenten vor weiteren Angriffen auf zivile Infrastruktur zum Anlass, den Einsatz für einen Frieden zu bekräftigen. "Das ist der Grund, warum Österreich sich immer wieder dafür einsetzt, dass ein Waffenstillstand her muss", sagte Nehammer in der Nacht auf Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Zugleich sei die österreichische Position "klar in den Sanktionen" und zeige auch eine "klare Kante gegen den Angriffskrieg der Russischen Föderation".

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Selenskij forderte in seinem Auftritt vor den EU-Chefs auch die Lieferung von mehr Flugabwehrsystemen, um einen zuverlässigen Schutzschild gegen russische Angriffe zu schaffen. Konkret wandte er sich an Frankreich, Italien und die USA. Zugleich dankte er Deutschland dafür, dass es bereits das moderne Luftverteidigungssystem Iris-T geliefert habe. "Wir erwarten die Lieferung weiterer solcher Systeme sowohl aus Deutschland als auch von unseren anderen Partnern."

Auch in seiner abendlichen Videoansprache hob Selenskij Deutschland dankend hervor. "Heute hatte ich ein produktives Telefonat mit dem Bundespräsidenten", sagte er. Er habe Frank-Walter Steinmeier "und dem deutschen Volk für die Unterstützung der Ukraine im Freiheitskampf und für die Entscheidung gedankt, unserem Land konkrete Hilfe zu leisten".

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow hatte bei der Lieferung des Systems Iris-T von einer "neuen Ära der Luftverteidigung" gesprochen. Deutschland will Kiew zunächst vier der jeweils 140 Millionen Euro teuren Systeme zur Verfügung stellen. Eines dieser Systeme kann eine mittlere Großstadt wie Nürnberg oder Hannover schützen. Iris-T kann auf Ziele bis 20 Kilometer Flughöhe und 40 Kilometer Reichweite feuern. Es wird also eine Art Schutzschirm über einer Fläche gespannt.