Ukraine: Frieden, aber nicht um jeden Preis
Nachdem es zuletzt Entspannungssignale zwischen Russland und der Ukraine gab, treffen sich die Staatsoberhäupter der beiden Länder heute in Paris. Gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron soll ein neuer Anlauf zur Lösung des Krieges im Donbass gestartet werden.
In der ostukrainischen Stadt Slowjansk, wo der Krieg vor mehr als fünf Jahren ausbrach, sind die Erwartungen an das sogenannte Normandie-Treffen besonders hoch. Eine vor kurzem veröffentlichte Umfrage zeigt, dass mehr als die Hälfte der im Osten befragten Bevölkerung endlich Frieden wollen. Allerdings nicht zu jedem Preis.
Besonders eine Maßnahme, die den Weg zum heutigen Treffen geebnet hat, stößt auf Unmut. Der Truppenabzug, der auf beiden Seiten der Frontlinie teilweise eingeleitet wurde, wird vor allem von Nationalisten als Kapitulation vor Russland empfunden. Und viele ukrainische Veteranen und Soldaten fragen sich, wofür sie jahrelang ihr Leben riskiert haben. In einem Stellungskrieg Meter für Meter zurückerobert haben.
So, wie es auch in Slowjansk geschehen ist. Die Stadt wurde im Jahr 2014 zweieinhalb Monate lang von durch Russland unterstützte Separatisten belagert und dann von der ukrainischen Armee befreit.
Misstrauen gegen Putin
Auf dem Karachun-Berg außerhalb des Wohngebietes steht ein Denkmal für die gefallenen Soldaten, derer vor einigen Tagen landesweit gedacht wurde. Gelbe Plastikblumen stecken im gefrorenen Schnee, ukrainische Flaggen wehen im eiskalten Wind, daneben halten Soldaten stundenlang Wache.
Mehr als 60 Soldaten und Veteranen haben sich im Rahmen einer offiziellen Zeremonie versammelt. Unter ihnen ist auch der 42-jährige Mykola Zhadanyuk, Pilot bei den ukrainischen Streitkräften. „Ich bin gegen den Truppenabzug, weil wir Russland nicht vertrauen können“, sagt er. „Russland hält seine Versprechen nie ein.“ In Slowjansk sind die Spuren des Krieges nur noch teilweise sichtbar. Einige zerstörte Häuser und Einschusslöcher außerhalb der Stadt erinnern daran.
Doch wozu Russland in der Lage ist, wird er nie vergessen, sagt der 34-jährige Oleksiy Yukov. Er hat das Chaos in Slowjansk selbst erlebt. „Ich habe auch gesehen, wie viele junge Menschen von der russischen Propaganda beeinflusst wurden. Sie haben ihnen ein besseres Gehalt und ein besseres Leben versprochen.“ Yukov trägt eine Uniform mit dem Abzeichen der „Schwarzen Tulpe“. Die humanitäre Organisation kümmert sich um die Bergung von Leichen – sowohl auf der ukrainischen Seite, als auch in den besetzten Gebieten.
Beinahe 100 Zivilisten kamen in Slowjansk ums Leben. Etwa 20 Leichen konnten bis heute nicht identifiziert werden, erzählt Yukov. Natürlich wolle er Frieden, so wie die meisten hier. „Die Schreie der Mütter der Toten klingen auf beiden Seiten der Frontlinie gleich“, sagt er. Aber den Truppenrückzug empfindet auch er als Kapitulation. „Wir wollen unsere Freiheit und leider ist der Kampf dafür blutig.“
Daniela Prugger, Kiew