Politik/Ausland

Gemeinsame Jagd auf Steuerbetrüger

Die griechische Gemeinschaft in Wien wartete trotz Schneesturms und Eiseskälte geduldig am Ballhausplatz, um Alexis Tsipras mit Fahnen und Sprechchören zu begrüßen. Das verwirrte die zahlreichen Sicherheitskräfte, „eine Pro-Demo, das haben wir selten“, sagte ein Polizist.

Bundeskanzler Werner Faymann kam dem griechischen Ministerpräsidenten entgegen, dann ogen sich beide zu einem Vieraugengespräch zurück. Eine Stunde war eingeplant, es wurden fast zwei, danach traten beide vor die Medien im Kongress-Saal des Kanzleramtes. Tsipras lächelte in die Kameras und erklärte mit sonorer Stimme: „Ich habe das Gefühl, hier einen sehr guten Freund gefunden zu haben.“

Eine Lösung für die griechische Schuldenkrise konnten die beiden nicht präsentierten, die muss gemeinsam von allen in der EU getroffen werden. „Es gibt ein gemeinsames Ziel, Griechenland nicht als Euro-Mitglied zu verlieren“, sagte der Kanzler. Er betonte aber auch, dass es „zur Stunde noch keinen Kompromiss gibt, wie das Hilfsprogramm der EU mit den Plänen und Anstrengungen der neuen griechischen Regierung gibt“. Es gebe eine „gewisse Besorgnis“, verhehlte Faymann nicht.

Fehler nicht fortsetzen

Griechenland läuft die Zeit davon, das Hilfsprogramm der EU, des IWF und der EZB läuft Ende Februar aus, Athen will es nicht verlängern, weil „die neue Regierung nicht um eine Fortsetzung von Fehlern bitten will“, wie es Tsipras ausdrückte. Lange kann Griechenland ohne Finanzspritzen nicht überleben, Athen ersucht die EU-Partner um eine finanzielle Überbrückung bis Juni.

Um Kritikern des neuen griechischen Kurses den Wind aus den Segeln zu nehmen, stellten Tsipras und Faymann fest, dass sich Athen „an die Verpflichtungen und Bedingungen der Hilfsprogramme halten wird. Für die Steuerzahler wird es keine zusätzlichen Kosten geben“.

Was die Troika, das Kontrollgremium von EU-Kommission, EZB und IWF, sowie die konservative Vorgänger-Regierung nicht geschafft haben, nämlich ein gerechtes Steuersystem durchzusetzen und Steuerflucht zu ahnden, will der 40-jährige Regierungschef jetzt energisch anpacken: „Es geht um eine Schlacht gegen Steuerbetrug und Schwarzgeld. Wir werden alle Listen durchforsten und den Staatsanwalt einschalten. Aber: Steuerbetrug ist nicht nur ein griechisches, sondern auch ein gemeinsames europäisches Problem“, sagte Tsipras auf die KURIER-Frage, wie er die Staatskasse mit Steuergeldern auffüllen wolle. Laut Transparency International entgehen Griechenland durch Steuerbetrug jährlich Abgaben in Höhe von 15 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Auch dem Bundeskanzler ist Steuertransparenz ein Anliegen. Er drängt auf EU-Ebene auf einen raschen Informationsaustausch und Maßnahmen gegen Konzerne, die kaum Steuern zahlen.

Neue Freunde

In Faymann hat Tsipras einen Verbündeten in der EU – nicht nur im Kampf gegen Steuerhinterziehung, sondern auch im Ringen um eine Griechen-Lösung. In Brüssel wird intensiv daran gearbeitet, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zieht die Fäden. „Griechenland braucht unseren Respekt, umgekehrt muss Griechenland die EU-Partner und die Abkommen respektieren“, lautet seine Devise.

Ein Kompromiss könnte so ausschauen: Griechenland akzeptiert das Hilfsprogramm, einem neuen müssten die EU-Parlamente zustimmen, und das ist langwierig. Dafür bekommt Hellas eine Überbrückung und kann mit Steuereinnahmen, Sparen, einer Verwaltungsreform sowie Verkäufen sein Sozialprogramm durchsetzen. „Wir lassen nicht locker – und ich komme bald wieder“, sagte Tsipras zum Abschied.

Porträt: Alexis Tsipras

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Während Österreichs Kanzler Faymann den Griechen entgegenkommen will, bleibt Deutschland unverändert hart. „An unserer Position in der Sache hat sich nichts geändert“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Montag in Istanbul vor einer Finanzministerkonferenz der G20-Länder. Wenn Griechenland eine finanzielle Überbrückung von seinen europäischen Partnern wolle, „brauchen wir ein Programm“.

Schäuble ist sich im Unklaren, wie das von der Pleite bedrohte Land weitermachen will. „Ich habe nicht verstanden, wie die griechische Regierung das stemmen will“, sagte der Minister. „Ich bin zu jeder Hilfe bereit, aber wenn von mir keine Hilfe gewünscht wird, ist das auch in Ordnung“, sagte er. „Wir haben noch niemandem ein Programm aufgedrängt.“ Über alle Fragen werde im Kreis der Euro-Finanzminister zu sprechen sein.

Auch Kanzlerin Angela Merkel betonte Montagabend am Rande ihrer Besuche in Washington und Ottawa, dass die mit Griechenland vereinbarten Rettungsprogramme Basis der Beratungen über das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise bleiben.

Rote Linie

Die Euro-Gruppe trifft sich am Mittwoch zu einer Sondersitzung in Brüssel. Auch EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde nehmen daran teil. Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis soll dabei die Vorschläge seines Landes präsentieren.

Einer seiner Vertreter sagte am Montag, man beharre auf einer Umschuldung. Dies sei eine „rote Linie“ in den Verhandlungen. Außerdem werden sein Land darauf drängen, die Sparauflagen zu lockern.

Die EU-Kommission zeigt sich jedenfalls weiterhin gesprächsbereit. Sie will „mit den griechischen Behörden und den beteiligten Akteuren eine Vereinbarung finden, die sowohl für Griechenland als auch für Europa vorteilhaft ist“, sagte der Chefsprecher der Behörde. Hinter den Kulissen soll an einem Zehn-Punkte-Plan für Griechenland gearbeitet werden, wie die Deutsche Presse-Agentur Montagnacht aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen erfuhr.

Immerhin wies Griechenlands Budget im Vorjahr erneut einen Primärüberschuss (ohne Zinszahlungen) auf. Er betrug 2,9 Milliarden Euro nach 700 Millionen im Jahr zuvor. Damit werde das im Hilfsprogramm vereinbarte Ziel erreicht, sagte Vize-Finanzminister Dimitris Mardas. Unterm Strich lag das Budgetdefizit aber bei mehr als zwölf Prozent. Allein heuer muss der Staat 22 Milliarden Euro an Zinsen und Kapital zurückzahlen. Dafür müssen neue Anleihen herausgegeben werden, die nur von der EZB als Sicherheit für frisches Geld akzeptiert werden. Das Problem: Ab morgen, Mittwoch, ist dies nicht mehr möglich, da die EZB den Sparwillen Athens anzweifelt.

Damit wird es auch für die von Tsipras gewünschte Brückenfinanzierung bis Juni schwierig. Die Renditen zehnjähriger griechischer Staatsanleihen stiegen am Montag um 4,3 Prozent auf 10,5 Prozent – ein Zeichen wachsender Unsicherheit auf den Finanzmärkten.