Politik/Ausland

Trump vs. Pelosi: Die zerrissene Nation

Zerstrittene US-Demokraten, die es nicht schaffen eine Vorwahl ordentlich über die Bühne zu bringen, gute Wirtschaftsdaten, das Impeachment so gut wie überstanden und dann bescheinigt eine aktuelle Umfrage Donald Trump gestern auch noch so gute Umfragewerte wie seit seiner Amtseinführung nicht mehr: Der US-Präsident hat gerade sehr gute 24 Stunden hinter sich. Da kam die Rede zur Lage der Nation, die er gestern Abend nur wenige Stunden nach dem Dann-doch-noch-Bekanntwerden der ersten Ergebnisse der Demokraten-Vorwahl in Iowa hielt, gerade recht (mehr dazu hier).

Inhalt der Rede? Amerika geht es gut, sehr gut. "Das große amerikanische Comeback", lautete das Motte der Rede Trumps. Die US-Wirtschaft befinde sich "in einem Aufschwung, der seinesgleichen sucht". Die Zeit des amerikanischen Abstiegs sei vorbei, der Wohlstand wachse und die Arbeitslosigkeit sinke, sagte Trump im US-Kongress in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation (State of the Nation).

Seine Regierung werde Amerika zur "wohlhabendsten Gesellschaft" der Welt machen, versprach er. Der US-Wirtschaft gehe es "so gut wie nie zuvor", sagte er. Zudem gebe es mehr Arbeitsplätze, das Einkommen der Bevölkerung wachse, die Kriminalität gehe zurück, und die USA würden international wieder respektiert werden.

Tatsächlich wuchs die US-Wirtschaft 2019 um 2,3 Prozent - das war die niedrigste Wachstumsrate seit 2016. Aber: Die US-Arbeitslosenquote ist mit 3,5 Prozent so niedrig wie seit rund 50 Jahren nicht mehr.

Er habe mit dem Abbau von Regulierungen und mit Steuersenkungen die US-Wirtschaft wiederbelebt, meinte Trump, der immer wieder die Regierung seines Vorgängers Barack Obama kritisiert hat. Außerdem habe er sich für "faire und gegenseitige Handelsabkommen" mit anderen Ländern eingesetzt. Die republikanischen Senatoren und Abgeordneten quittierten Trumps Rede immer wieder mit kräftigem Applaus und erhoben sich von ihren Sitzen.

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Neben einer boomenden Wirtschaft sei das US-Militär das mächtigste auf der Welt, die Grenzen seien sicher, die Werte des Landes seien erneuert und sein Stolz wiederhergestellt. Trump hielt die Ansprache kurz vor dem Ende des Amtsenthebungsverfahrens, das an diesem Mittwoch mit einem Freispruch enden dürfte. Der Senat will ab 22.00 Uhr MEZ über die beiden Anklagepunkte des Repräsentantenhauses - Machtmissbrauch und Behinderung der Kongress-Ermittlungen - entscheiden.

Trump thematisierte das Amtsenthebungsverfahren bei seiner Rede denn auch nicht direkt. Die einzigen Siege, die zählten, seien Siege, die für das amerikanische Volk von Nutzen seien, sagte er lediglich. 

Mehrfach appellierte Trump an den Kongress. Er forderte das Parlament beispielsweise dazu auf, späte Abtreibungen per Gesetz zu verbieten. "Wir müssen alle darin übereinstimmen, dass jedes menschliche Leben ein heiliges Geschenk Gottes ist", sagte Trump. In der Vergangenheit hatte Trump sich dafür ausgesprochen, die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch den Frauen zu überlassen. Während des Wahlkampfes 2016 änderte Trump seine Haltung und erklärte, er trete für den Schutz des ungeborenen Lebens ein.

Zudem rief Trump den Kongress auf, auf dem Weg zum Mars eine neue amerikanische Mond-Mission zu finanzieren. Damit müsse sichergestellt werden, dass die USA die erste Nation würden, "die ihre Flagge auf dem Mars hisst". Trump hatte bei seiner Rede im Kongress vor einem Jahr gesagt: "Dieses Jahr werden amerikanische Astronauten in amerikanischen Raketen in den Weltraum zurückkehren." Dieses Versprechen hat er seitdem nicht erfüllt.

Insgesamt konzentrierte sich Trump auf US-Themen - außenpolitische Themen riss er lediglich an. So stellte er dem Iran wirtschaftlichen Aufschwung in Aussicht - für den Fall, dass die Regierung in Teheran ihr "Streben nach Atomwaffen" aufgebe und aufhöre, "Terror, Tod und Zerstörung" zu verbreiten. Er verteidigte erneut die Tötung des iranischen Top-Generals Qassem Soleimani Anfang Jänner, nach der der Konflikt mit dem Iran gefährlich eskaliert war.
 

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Pelosi zerriss Trumps Rede

Und natürlich ging auch dieser Auftritt Trumps nicht ganz ohne mittelschweren Aufreger über die Bühne. Die Feindseligkeit zwischen den politischen Lagern schlug sich in einer Geste der führenden Demokratin Nancy Pelosi nieder. Nach der Rede zerriss die Sprecherin des Repräsentantenhauses das Manuskript der Ansprache. Während des finalen Applauses nahm sie, gut sichtbar hinter Trump, mehrere Blätter in die Hand und riss diese entzwei. Pelosi bestätigte im Anschluss, dass es sich um das Redemanuskript gehandelt habe. Es sei angesichts der Alternativen das Höflichste gewesen, was sie hätte tun können.

Pelosi ist eine erbitterte Gegnerin von Trump. Vor Beginn der Rede schien Trump Pelosi den Handschlag zu verwehren - es wurde aber nicht deutlich, ob Trump der Demokratin absichtlich umgehend den Rücken zukehrte. Einige demokratische Abgeordnete wohnten der Rede Trumps gar nicht erst bei. So sagte die linke Leitfigur der Demokraten, Alexandria Ocasio-Cortez, ihre Teilnahme aus Protest gegen Trump kurz zuvor ab.

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Für Aufsehen sorgte auch die Anwesenheit des selbsternannten venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó, dem Trump bei seiner Ansprache seine weitere Unterstützung zusagte. Die Tyrannei von Venezuelas sozialistischem Präsidenten Nicolás Maduro werde "zerschlagen und gebrochen" werden. Der Moment markierte einen der wenigen an dem Abend, in dem Abgeordnete und Senatoren aus den zerstrittenen politischen Lagern Einigkeit zeigten, applaudierten und aufstanden.

"Ich freue mich, Ihnen heute berichten zu können, dass unsere Wirtschaft so gut dasteht wie nie zuvor."

BEWERTUNG: Das ist übertrieben.

FAKTEN: Das höchste Wirtschaftswachstum während Trumps Amtszeit gab es mit 2,9 Prozent im Jahr 2018. Im vergangenen Jahr fiel die Zunahme angesichts eines global schwächeren Wachstums und den von Trump angezettelten Handelskonflikten aber um 0,6 Prozentpunkte geringer aus. Es war trotz steigender Ausgaben der Regierung das langsamste Wachstum seit 2016. In der Vergangenheit ist die US-Wirtschaft mitunter deutlich schneller gewachsen: Ende der 90er-Jahre etwa gab es unter Präsident Bill Clinton vier Jahre in Folge ein Wachstum von mehr als 4 Prozent. 1984 wiederum waren es sogar 7 Prozent.

"Die Arbeitslosenquote ist die niedrigste seit mehr als einem halben Jahrhundert."

BEWERTUNG: Das stimmt, der Aufschwung am Arbeitsmarkt begann aber schon vor Trumps Amtszeit.

FAKTEN: Die US-Arbeitslosenquote liegt bei 3,5 Prozent, dem niedrigsten Stand seit einem halben Jahrhundert. Der Rückgang begann allerdings nicht erst mit Trumps Amtsantritt, sondern bereits vor mehr als zehn Jahren unter seinem Vorgänger Barack Obama. Damals war die Quote im Zuge der weltweiten Finanzkrise zeitweise auf bis zu 10 Prozent gestiegen. Bis zu Trumps Amtsantritt im Jänner 2017 hatte sich die Arbeitslosenquote aber wieder auf 4,7 Prozent halbiert.

"Wir werden die Aids-Epidemie in Amerika bis Ende des Jahrzehnts ausmerzen."

BEWERTUNG: Das ist extrem unwahrscheinlich.

FAKTEN: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in den USA geht der Gesundheitsbehörde CDC zufolge seit vielen Jahren nur langsam zurück. 2008 gab es noch 48.000 Neuinfektionen, fünf Jahre später waren es noch 39.000. Seit 2013 scheint die Zahl allerdings zu stagnieren - 2018 gab es erneut 38.000 Neuinfektionen. Trotz eines politischen Aktionsplans der Regierung gibt es also kaum Gründe, die einen plötzlichen Rückgang auf Null bis 2010 nahelegen würden. Das HI-Virus löst die Immunschwächekrankheit Aids aus.

"Dank unserer mutigen Kampagne zum Abbau von Regulierungen sind die Vereinigten Staaten bei Weitem der größte Produzent von Öl und Erdgas geworden."

BEWERTUNG: Das stimmt, ist aber zum Teil übertrieben.

FAKTEN: Der US-Energieagentur (EIA) zufolge sind die USA der weltgrößte Produzent von Rohöl und Erdgas. Das kann Trump allerdings nur sehr eingeschränkt als seinen Erfolg verbuchen, weil dies bereits unter Obama der Fall war. Die Förderung der Rohstoffe in den USA ist wegen der Anwendung der Fracking-Methode über viele Jahre rasant angewachsen. Die USA sind der EIA zufolge seit 2009 vor Russland der größte Gasproduzent und haben inzwischen auch Saudi-Arabien als größten Ölproduzenten überholt.

"Ich habe die Beiträge der anderen NATO-Mitglieder um mehr als 400 Milliarden [US-Dollar] erhöht."

BEWERTUNG: Das ist irreführend und in der Sache wohl zu optimistisch.

FAKTEN: Trump fordert die übrigen NATO-Staaten seit Beginn seiner Amtszeit auf, ihre Verteidigungsausgaben anzuheben - er kann diese allerdings nicht selbst "erhöhen", wie er es formuliert hat. Trump will, dass die NATO-Länder das Ziel des Bündnisses erfüllen, mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung (BIP) fürs Militär auszugeben. Dazu hatten sich die Mitgliedsstaaten allerdings bereits 2014 verpflichtet. Im November hatte die NATO neue Zahlen präsentiert, die wohl auch Trump besänftigen sollten. Demnach soll sich die Summe der Mehrausgaben der europäischen NATO-Staaten und Kanadas von Anfang 2016 bis Ende 2020 auf 130 Milliarden US-Dollar belaufen. Bis Ende 2024 sollen es rund 400 Milliarden Dollar sein.

"Die Zahl der Drogentoten ist zum ersten Mal seit 30 Jahren zurückgegangen."

BEWERTUNG: Das stimmt im Wesentlichen.

FAKTEN: Die Zahl der Menschen, die infolge einer Überdosis Drogen ums Leben gekommen sind, ist 2018 erstmals seit knapp drei Jahrzehnten wieder rückläufig gewesen. Die Zahl der Drogentoten sank der US-Gesundheitsbehörde (CDC) zufolge im Vergleich zum Vorjahr um 4,1 Prozent auf 67.367 Menschen.

"Während wir sprechen, wird eine lange, hohe und sehr mächtige Mauer gebaut. Wir haben jetzt mehr als 100 Meilen fertiggestellt und werden mehr als 500 Meilen komplett fertig haben bis Anfang nächsten Jahres."

BEWERTUNG: Das stimmt, ist aber wahrscheinlich übertrieben.

FAKTEN: Der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko war eines der zentralen Versprechen Trumps vor seiner Wahl zum Präsidenten. Bis Mitte Jänner waren nach Angaben des Heimatschutzministeriums aber erst rund 160 Kilometer der neuen Grenzmauer fertiggestellt - das entspricht etwa 5 Prozent der rund 3.200 Kilometer langen Grenze. Der langsame Fortschritt liegt unter anderem an Rechtsstreitigkeiten und am Widerstand der Demokraten im Kongress. Um den Mauerbau schneller voranzutreiben, leitet Trump nun mit Hilfe einer Notstandserklärung Mittel aus dem Verteidigungshaushalt dafür um. Bis Anfang 2021 bis zu 800 Kilometer fertigzustellen, scheint aber übermäßig optimistisch.

Umfrage bescheinigt Trump höchste Zustimmungsrate seit Amtsantritt

Trump ist nicht erst seit dem peinlichen Vorwahlchaos der Demokraten vom Dienstag im Aufwind (nach langer Auszählung konnte sich ersten Teilergebnissen zufolge hier übrigens Pete Buttigieg knapp gegen Bernie Sanders durchsetzen - mehr dazu hier). Auch das Amtsenthebungsverfahren scheint keinen negativen Einfluss auf seine Beliebtheitswerte zu haben - möglicherweise hat es sogar das Gegenteil bewirkt. Trump erreichte in einer Umfrage des Meinungsforschungsunternehmens Gallup jetzt die höchste Zustimmungsrate seit seinem Amtsantritt im Jahr 2017.

Wie Gallup am Dienstag mitteilte, befürworten 49 Prozent der Befragten, wie Trump seinen Job als Präsident wahrnimmt. Die andere Hälfte der Befragten (50 Prozent) gab allerdings an, nicht mit dem Führungsstil des Republikaners einverstanden zu sein. Ob Trumps höherer Beliebtheitsgrad auf das Amtsenthebungsverfahren und der Gegenreaktion darauf, der Wirtschaftslage oder noch anderen Faktoren zurückzuführen ist, müsse sich zeigen, erklärte das Institut.

In der Gallup-Umfrage verzeichneten Trumps Republikaner ihr bestes Ergebnis seit 2005. Demnach stehen 51 Prozent der Befragten der Partei positiv gegenüber, 46 Prozent negativ. Im September gaben noch lediglich 43 Prozent an, den Republikanern gegenüber positiv eingestellt zu sein. Das Meinungsbild über die Demokraten habe sich im Vergleich zu September dagegen leicht verschlechtert (von 48 Prozent auf 45 Prozent).
 

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