Politik/Ausland

Scheinbar ewiges Ringen um Brexit-Lösung geht Ende zu

Von der tickenden Uhr und entscheidenden Tagen in Sachen Brexit war in den vergangenen Jahren ermüdend oft die Rede. Doch diesmal gibt es kein Entrinnen: In 26 Tagen endet die Übergangsphase für Großbritannien, in der noch weitgehend die gleichen Regeln mit der EU wie vor dem Brexit gelten. Gibt es jetzt keinen Last-Minute-Handelspakt, drohen ab 1. Jänner 2021 hohe Zölle und Handelshürden zwischen der Insel und dem Kontinent.

Beide Seiten würden dabei verlieren – die Briten noch mehr als die EU, auch wenn das der britische Premierminister öffentlich wohl nie zugeben würde. Die Insel könnte sich beispielsweise ohne die Lebensmittel vom Kontinent nicht ernähren.

Keine Rosinen für Briten

Soweit so klar. Boris Johnson fordert weiter den freien Zugang zum lukrativen Binnenmarkt, während die EU auf faire Wettbewerbsregeln – insbesondere bei Umwelt-, Sozial- und Beihilfestandards – pocht. Die EU beharrt darauf, dass sich die Briten nicht die Rosinen herauspicken können. Dumping jeder Art durch Großbritannien soll verhindert werden. Wobei auch die Frage eines Schiedsgerichts noch ungeklärt ist.

Druckmittel vonseiten Londons ist die Reaktivierung einer „echten“ Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Staat Irland, was den Frieden auf der irischen Insel in Gefahr bringen könnte. Verhandlungsmasse hat Johnson auch bei den Fischereirechten. Das Thema ist für französische Fischer überlebenswichtig. Ergo droht bei einem Nachgeben der EU-Verhandler ein Veto von Präsident Emmanuel Macron, der 2022 die Wiederwahl schaffen will.

„Erfolg auf Messers Schneide“

Die Chefverhandler von EU und Großbritannien, Michel Barnier und David Frost, konnten den Gordischen Knoten trotz aller Bemühungen in den vergangenen Tagen nicht zerschlagen. Barnier reiste am Samstag zurück nach Brüssel. In EU-Kreisen hieß es, „der Erfolg steht auf Messers Schneide"  – und wird zur Chefsache.

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Samstagabend berieten Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Boris Johnson telefonisch, ob und wie sie neuen Schwung in die verfahrenen Verhandlungen bringen könnten. „Die Differenzen bleiben bestehen“, sagte von der Leyen danach. Am Sonntag seien die Chefverhandler wieder im Einsatz, „am Montag reden wir wieder“.

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Erfahrene Beobachter der langjährigen Brexit-Verhandlungen in Brüssel sehen darin doch noch eine Chance auf eine Einigung. Die Frage ist, wie Johnson sein Gesicht wahren könnte. Denn der Druck ist groß: Das Königreich erlebt bereits jetzt wegen der Covid-Pandemie die schwerste Rezession seit 300 Jahren, sagte Finanzminister Rishi Sunak.